Drucksache 17 / 13 098 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 20. Januar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Januar 2014) und Antwort Soziales Lernen zur Gewaltprävention an Berliner Schulen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Was sind die konkreten Ziele des Sozialen Lernens zur Gewaltprävention an Berliner Schulen? Zu 1.: Soziales Lernen geschieht in der Berliner Schu- le im Unterricht und in fächerübergreifenden Projekten oder an Projekttagen. Es handelt sich dabei um einen Querschnittsbereich, der alle Unterrichtsfächer umfasst und Teil einer demokratischen Schulkultur ist. Grundlage dafür sind die Rahmenlehrpläne, die in al- len Unterrichtsfächern auch eine Stärkung der sozialen Kompetenzen vorsehen. So heißt es im Rahmenlehrplan für die Fächer in der Grundschule als Schwerpunkt der Bildung und Erziehung: „Soziale Kompetenz zeigt sich in der Fähigkeit des Einzelnen, in wechselnden sozialen Situationen Ziele erfolgreich im Einklang mit sich und anderen zu verfol- gen. Zunehmend können sich Schülerinnen und Schüler in andere einfühlen, auf Argumente eingehen und Konflikte lösen. Sie vereinbaren Regeln, halten sich daran und tra- gen so Verantwortung für die gemeinsame Sache.“ 2. Welche (Teil-)Programme des Sozialen Lernens gibt es in Berlin und wie sind diese ausgestaltet? Zu 2.: Es gibt zahlreiche Programme des Sozialen Lernens, die den Berliner Schulen im Rahmen von Fort- bildungsmaßnahmen auch durch freie Träger angeboten werden. Die Auswahl und der Einsatz der Programme richten sich nach den spezifischen Besonderheiten der jeweiligen Schule und der Beschlussfassung der schuli- schen Gremien. Besonders erfolgreich verlaufen in diesem Zusam- menhang die Ausbildung von Konfliktlotsinnen und Kon- fliktlotsen, die Schaffung von Klassenräten und der Ein- satz der Programme „buddY“ und „Hands for Kids“ an den Grundschulen. An den Oberschulen können beispiel- haft das Programm „fairplayer“ sowie die TrainingsraumMethode genannt werden. Zu einzelnen Teilprogrammen: Im Land Berlin arbei- ten Grundschulen eigenverantwortlich nach dem buddY- Programm. Dieses Programm zielt darauf ab, Schülerin- nen und Schüler zu befähigen, eigenständig und eigenver- antwortlich Konflikte zu lösen. Als sogenannte Buddies helfen sie anderen beim Lernen und setzen sich als Streit- schlichterinnen bzw. Streitschlichter ein. Mit dem Trans- fer des buddY-Projektes in die weiterführenden Ober- schulen hat der Bezirk Lichtenberg im Schuljahr 2010/11 begonnen. Das Projekt „Klasse 2000“ wendet sich an Schülerinnen und Schüler der ersten bis vierten Klasse. Ziel ist es, ihre Lebenskompetenzen frühzeitig und kontinuierlich zu stärken. Ein wesentlicher Schwerpunkt ist die Entwick- lung von Strategien zur Problem- und Konfliktlösung. Ein Schwerpunkt im Bereich des Sozialen Lernens bildet das Projekt „Mobbingfreie Schule“. Hierzu bietet die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissen- schaft in Kooperation mit der Techniker-Krankenkasse regelmäßig ganztägige Fortbildungen für Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Den Schulen werden anschließend kostenfreie Unterrichtsma- terialien zur Verfügung gestellt. Selbstbewusstsein, Ich-Stärke, soziale und personale Kompetenz werden entwickelt und trainiert durch vielfäl- tige Angebote zum Sozialen Lernen an Berliner Schulen. Der Helga-Moericke-Preis würdigt Beispiel gebende Umsetzungen des Sozialen Lernens im schulischen All- tag. Selbstbewusste, in ihrer Identität starke Schülerinnen und Schüler lernen besser und erfolgreicher. Sozial kom- petente Schülerinnen und Schüler sind teamfähig und können ihre eigenen Lernprozesse besser organisieren. Im Programm „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ (SOR) setzen sich an 53 Schulen Schülerinnen und Schüler verstärkt für ein demokratisches Miteinander ein. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 098 2 Mit dem Modellprojekt „Hands for Kids“ hat die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Bran- denburg (LISUM) und das American Jewish Committee (AJC) mit der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, In- tegration und Demokratie Berlin (RAA), der RAA-Bran- denburg und der Deutschen Gesellschaft für Demokra- tiepädagogik (DeGeDe) ein Modellprojekt entwickelt, das eine möglichst frühzeitige, aktive Auseinandersetzung von Kindern mit demokratischen Grundwerten anregt. Zielgruppe sind Kinder im Alter von sieben bis zwölf Jahren. Diese werden dazu angeregt, ihre Lebenswelt aktiv zu gestalten. „Aktiv gegen Antisemitismus“ ist ein gemeinsames Projekt der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, des AJC und des LISUM Berlin-Branden- burg. Ziel des Projektes ist es, Kinder und Jugendliche für aktuellen Antisemitismus zu sensibilisieren und sie zu motivieren, aktiv gegen Antisemitismus und für ein auf gegenseitigem Respekt basierendes Miteinander einzu- treten. Nach dem Konzept „Recht aufschlussreich“ der Landeskommission Berlin gegen Gewalt führt die Pro- grammagentur Rechtskundepaket die landesweite Organi- sation der Umsetzung von Schulprojektwochen durch. „MindMatters“ hilft Schulen dabei, durch die Förderung der psychischen Gesundheit von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften einen Beitrag zur Verbesserung der Schulqualität zu leisten. Es basiert auf dem Konzept der guten gesunden Schule. Zielgruppe des Programms sind Schulen der Sekundarstufe I. Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wis- senschaft war bis zum Jahr 2013 Kooperationspartner der Freien Universität Berlin im Projekt „NETWASS“. Dieses stellt einen präventiven Ansatz der Früherkennung schwerer, zielgerichteter Gewalt an Schulen zur Verfü- gung. Beteiligt haben sich ca. 30 Berliner Schulen, die das Programm gegenwärtig eigenverantwortlich fortführen. >pax-an!< - Hinter diesem Namen verbirgt sich ein engagiertes Team von Lehrkräften, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, die seit über 10 Jahren die Idee der konstruktiven, gewaltfreien Schulkultur in Fortbildungen an Teilnehmerinnen und Teilnehmern aller Schularten weitergeben. 3. Inwiefern findet eine Einbindung des Sozialen Ler- nens im Unterricht und im schulinternen Curriculum – auch in den unterschiedlichen Schulformen, Jahrgangsstu- fen und jahrgangsübergreifend – statt? Zu 3.: Laut Berliner Rahmenlehrplan gehören zur grundlegenden Bildung insbesondere die Auseinanderset- zung mit Grundfragen des menschlichen Zusammenle- bens und das Anbahnen von Werteorientierungen. Sozia- les Lernen ist Bestandteil des kompetenzorientierten Ler- nens. Dieses erfolgt im Sinne eines Spiralcurriculums fächer- und jahrgangsübergreifend. In den Rahmenlehr- plänen verschiedener Fächer werden beispielsweise As- pekte wie „andere achten und respektieren, Empathie zeigen, mit anderen kooperieren, Konflikte wahrnehmen und lösen“ thematisiert. Die Schwerpunktsetzung liegt in der Eigenverant- wortung der Schulen. Dies schließt ein, dass das soziale Lernen im jeweiligen schulinternen Curriculum kompe- tenzorientiert verankert ist, und umfasst z.B.:  Fähigkeit zu Selbst- und Fremdwahrnehmung  Fähigkeit zum Umgang mit Gefühlen  Fähigkeit zu Perspektivübernahme und Empathie  Kommunikationsfähigkeit  Kooperationsfähigkeit  Fähigkeit zu konstruktiver Konfliktbewältigung Eine dafür zusätzlich ausgewiesene Stunde im Wo- chenplan bringt eine nachhaltige Kompetenzfestigung für alle Schülerinnen und Schüler. Dies geschieht in zahlrei- chen Berliner Schulen. 4. Was kann die jeweilige Schule im Bereich Soziales Lernen leisten und welche Methoden werden eingesetzt? Zu 4.: Im Rahmen der eigenverantwortlichen Schule legt jede Schule Schwerpunkte der Arbeit unter Berück- sichtigung gesetzlicher Vorgaben selbst fest. Dazu gehört auch die Entscheidung, welche Kompetenzen der Schüle- rinnen und Schüler mit welchen Methoden zu entwickeln und zu stärken sind. Programme zum sozialen Lernen in der Schule haben den Vorteil, dass sie alle Kinder und Jugendlichen erreichen. Die Entwicklung der sozialen und personalen Kompetenz wird zwar in jedem Unterricht gefördert, durch diese Programme erfolgt aber eine sys- tematische und nachhaltige Förderung. Die Programme basieren auf einer großen Methoden- vielfalt, u. a. Interaktionsübungen, Rollenspiele, Traum- reisen, Imaginationen, Übungen aus dem Bereich der Erlebnispädagogik und Demokratieerziehung, Methoden des Kooperativen Lernens, Übungen aus dem Bereich der konfrontativen Pädagogik etc. Dadurch werden Lernsituationen geschaffen, in denen Interesse und Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler geweckt werden können. Sie erhalten Möglich- keiten für praktisches Handeln, konkrete Erfahrungen sowie emotionale Beteiligung und wecken ihre Bereit- schaft zum intensiven Nachdenken über Fragen des sozi- alen Miteinanders. 5. Welche Schulen in welchen Bezirken haben wann das Soziale Lernen (als Teil ihres Unterrichts) eingeführt? Zu 5.: Soziales Lernen ist grundsätzlich immanenter Bestandteil von Unterricht an allen Schulen. Schwer- punkte werden von den Schulen in den schulinternen Curricula ausgewiesen, so dass hier von einem dauerhaf- ten Prozess auszugehen ist, der einer stetigen Weiterent- wicklung unterliegt und sich in seiner Ausprägung verän- dern kann. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 098 3 Zu einzelnen Programmen siehe Antworten zu den Fragen 2. und 3. 6. Wurde das Soziale Lernen in Gänze oder wurden Teil-Programme an Berliner Schulen bereits einer Evalu- ation unterzogen und wenn ja, mit welchem Ergebnis und wenn nein, weshalb nicht und plant der Senat eine solche Evaluation? Zu 6.: Von den zahlreichen Maßnahmen und Pro- grammen des Sozialen Lernens sind bisher nur einige wissenschaftlich evaluiert worden. Die meisten evaluier- ten Programme stammen aus den USA, wobei die Über- tragbarkeit der Befunde auf Deutschland nicht ohne Wei- teres möglich ist. Die vorliegenden internationalen Evaluationsbefunde zeigen, dass die Effekte der Programme im Durchschnitt positiv sind. Die Faktoren, die die Wirksamkeit der Pro- gramme beeinflussen, sind vor allem das Alter der Kin- der, ihre Risikobelastung, die Implementationsqualität der Maßnahme sowie die Integration der Maßnahme in den Schulkontext. Für den Zeitraum der letzten zwei Jahre (2012/2013) sind in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft folgende Evaluationsanträge positiv be- schieden worden: 1. Evaluation der Gewaltpräventionsmaßnahmen der Polizei Berlin (Ergebnisse stehen noch aus.) 2. Untersuchung zum Cybermobbing (auch hier stehen die Ergebnisse noch aus). 3. Masterarbeiten an der Evangelischen Hochschule Berlin. Diese empirischen Untersuchungen dokumentie- ren Ergebnisse exemplarisch an einzelnen Schulen im Rahmen persönlicher Qualifizierung (hier Masterarbei- ten). Die Ergebnisse lassen sich aufgrund der sehr einge- schränkten Untersuchungsgrundlage jedoch nicht verall- gemeinern. Masterarbeiten wurden auch zu Schülerexpertinnen und Schülerexperten in der Konfliktregulation, zur Schulsozialarbeit und zu Schulstationen verfasst. Das Projekt „NETWASS“ wurde von der Freien Universität im Rahmen eines Mehrländerprojektes evaluiert; eine länderspezifische Auswertung liegt noch nicht vor. 7. Inwiefern unterstützt der Senat das Soziale Lernen in Berliner Schulen ideell und finanziell? Zu 7.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft unterstützt das Soziale Lernen durch die oben aufgeführten Programme und arbeitet mit verschie- denen Kooperationspartnern zusammen. Beispielhaft sei hier auf die Berliner Polizei verwiesen, die regelmäßig Anti-Gewalt-Veranstaltungen in den 5. bis 8. Klassen durchführt. Zu einzelnen Programmen siehe Antwort zu Frage 2. 8. Wie viele Berliner Lehrerinnen und Lehrer haben jeweils in den vergangenen fünf Jahren an Fortbildungs- maßnahmen des LISUM zum Sozialen Lernen teilge- nommen und in welchen Bezirken lag die Dienststelle der Teilnehmerinnen und Teilnehmer? Zu 8.: Soziales Lernen ist Teil der Projekte „Hands for kids“ und „Hands across the campus“. In diesem Rahmen wurden in den letzten fünf Jahren durch das LISUM und weitere Partner Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus 49 Berliner Grundschulen und 16 Oberschulen aller Berliner Bezirke fortgebildet. Nach dem "Staatsvertrag über die Errichtung eines gemeinsamen Landesinstituts für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM)" von 2006 ist das LISUM nicht für die Lehrkräftefortbildung in Berlin zuständig. Soziales Lernen ist Teil der Schulung von Multipli- katorinnen und Multiplikatoren durch das LISUM im Bereich „Demokratische Schulkultur“, „Schulentwicklung “ sowie Führungskräftequalifizierung. Es bildet einen Schwerpunkt im Bereich der übergreifenden Themen und ist eng verbunden mit den Bereichen Interkulturelle Bil- dung und Demokratieerziehung. Berlin, den 26. Februar 2014 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Mrz. 2014)