Drucksache 17 / 13 112 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 24. Januar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Januar 2014) und Antwort Jugendberufsagentur und der Übergangsbereich (II) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche Rolle wird im Rahmen der vorgesehenen Jugendberufsagentur der Übergangsbereich für besonders schwer in Ausbildung zu vermittelnde junge Menschen einnehmen und welchen Handlungsbedarf sieht der Senat für die Qualifizierung des Übergangsbereichs? Zu 1.: Vorbehaltlich einer politischen Entscheidung für die Einrichtung einer Jugendberufsagentur können folgende Aussagen getroffen werden: Grundsätzlich sind mit dem Programm „BerlinArbeit“ und auch durch Projektergebnisse „Übergänge mit System “ der Bertelsmann-Stiftung, an dem die Berliner Senatsverwaltungen für Bildung, Jugend und Wissenschaft sowie Arbeit, Integration und Frauen beteiligt waren, Eckpunkte für den Umbau der Berufsausbildungsvorbe- reitung in Zuständigkeit der Senatsverwaltung für Bil- dung, Jugend und Wissenschaft festgelegt worden. Die eingeschlagene Entwicklungsrichtung für Angebote im Übergangsbereich besteht in der deutlichen Dualisierung durch eine Ausweitung von betrieblichen Praxisphasen und die strukturelle Ermöglichung von flexiblen Über- gängen in die Duale Ausbildung. 2. Durch welche Maßnahmen und durch wen soll der sog. Maßnahmedschungel gelichtet und Transparenz über Maßnahmen, Angebote und Institutionen im Übergangs- bereich geschaffen werden? Zu 2.: Bei der möglichen Abstimmung der Akteure in einer Jugendberufsagentur Berlin wird es darauf ankom- men, alle vorhandenen Instrumente und Angebote auf Wirksamkeit zu untersuchen. Dabei sollen insbesondere auch die notwendigen Koppelungen von Angeboten ver- schiedener Förderkreise, so insbesondere die zwischen schulischen berufsqualifizierenden Lehrgängen nach §§ 29 (3) und (4) des Berliner Schulgesetzes und den berufs- vorbereitenden Maßnahmen und der Einstiegsqualifizie- rung nach Sozialgesetzbuch III, entwickelt werden. Durch einen Schulversuch „Integrierte Ausbildungsvorbereitung IBA“ an sechs Berliner Oberstufenzentren wird schon momentan an der Reduzierung der Bildungs- ganganzahl bei höherer Flexibilität und Individualisierung der Bildungsgänge des schulischen Berufsvorbereitungs- angebotes gearbeitet und die neue Konstellation in einer Jugendberufsagentur antizipiert. Verstärkte Anschlussfä- higkeiten zu schon jetzt erfolgreichen Formaten wie der Einstiegsqualifizierung sind dabei berücksichtigt. Die höhere Transparenz der Angebotssituation soll durch Aktualisierung der Ergebnisse des Berliner Projekts „Regionales Übergangsmanagement RÜM“ erreicht werden . 3. Wie und durch wen sollen durch die angestrebte Jugendberufsagentur junge Menschen im Übergangsbe- reich erreicht werden und welche individuellen Angebote sollen sie erhalten? 4. Welche bestehenden Angebote des Übergangsbereichs sollen erhalten werden, welche sollen künftig ent- fallen und wie soll in diesem Kontext gesichert werden, dass keine Maßnahme ohne qualifizierenden Abschluss bzw. Anschlussfähigkeit durchgeführt wird? 6. Wer soll die Maßnahmen zur Qualifizierung besonders benachteiligter junger Menschen im Kontext der angestrebten Jugendberufsagentur durchführen und wie und durch wen sollen die Angebote finanziert werden? Zu 3., 4. und 6.: Der Abstimmung der Akteure in der Jugendberufsagentur Berlin kann nicht im Einzelnen vorgegriffen werden. In deren Kontext ist jedoch möglich, dass alle Akteure nicht nur zielgenaue, sondern auch anschlussfähigere Angebote gemeinsam vereinbaren. Dies ist auch mittelfristig nötig, weil bei dem leicht sinkenden Durchschnittsalter der Schulabgängerinnen und Schulab- gänger der Sekundarstufe I und dem in Berlin sehr hohen Durchschnittsalter der Ausbildungsbeginnerinnen und Ausbildungsbeginner Qualifizierungsphasen gestaltet werden müssen, die länger als ein Jahr dauern und die auch in verschiedenen Förderkreisen absolviert werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 112 2 Bisher gibt es keine konsekutiv nutzbaren Bildungs- angebote und auch keine dafür angelegte Beratung und Unterstützung. 5. Mit welcher Begründung wurde im Vorgriff auf die Einrichtung einer Jugendberufsagentur seitens der Regionaldirektion der Arbeitsagentur für Berlin-Branden- burg die integrative außerbetriebliche Berufsausbildung (BaE – integrativ) drastisch reduziert? Zu 5.: Die geschäftspolitische Entscheidung, die Be- rufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE) im Bezirk der Regionaldirektion (RD) Berlin-Branden- burg fast nur noch in der kooperativen Form durchzufüh- ren, beruht auf der gesetzlichen Forderung, die finanziel- len Mittel der Bundesagentur für Arbeit wirksam und wirtschaftlich einzusetzen. Eine vergleichende Wirkungsanalyse von „BaE integrativ “ und „BaE kooperativ“ in Berlin hat mit Blick auf die jeweils erreichten Eingliederungsquoten (Anzahl der Jugendlichen, die sechs Monate nach Beendigung der Maßnahme sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind) die erheblich höheren Erfolge der „BaE kooperativ“ eindeutig belegt. Diese Analyse stimmt mit den Ergebnissen in den anderen Bundesländern überein. Der Hauptgrund für die bessere Wirkung von „BaE kooperativ“ liegt in der größeren Betriebsnähe der Jugendlichen während dieser Form der geförderten Berufs- ausbildung. Es erhöhen sich die Chancen für die jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer deutlich, bereits nach dem 1. Ausbildungsjahr in eine ungeförderte Berufsaus- bildung vermittelt zu werden und ihren Ausbildungsweg in einem Betrieb fortzusetzen. Nur dort besteht dann wie- derum die Möglichkeit der Übernahme in ein Be- schäftigungsverhältnis nach Abschluss der Ausbildung. Auch an der zweiten Schwelle, also dem erfolgreichen Übergang von der Ausbildung in die Erwerbstätigkeit erweist sich die vorhergehende größere Betriebsnähe als eindeutiger Vermittlungsvorteil gegenüber der Ausbil- dung im Rahmen einer "BaE integrativ". Folglich ist es gerade das Bemühen, „Übergangssysteme“ erfolgreicher für die Jugendlichen auszurichten, um Enttäuschungen zu vermeiden und Ausbildungsmotivation aufrecht zu halten, das diese Ausrichtung zwingend erforderlich machte. Ein Zusammenhang zwischen dieser geschäftspoliti- schen Entscheidung der RD Berlin-Brandenburg und den derzeit laufenden intensiven Bemühungen der beteiligten Institutionen zur Errichtung einer Jugendberufsagentur Berlin ist nicht gegeben. Es ist an dieser Stelle vielmehr darauf hinzuweisen, dass die Jugendberufsagentur ein Arbeitsbündnis darstellt, in dem alle Beteiligten für ihre jeweiligen Ressourcenent- scheidungen auch weiterhin allein verantwortlich bleiben würden. Ein solches Bündnis bietet zukünftig die Plattform für einen systematisierten Informationsaustausch zwischen den Akteuren am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sowie für eine gezielte Abstimmung von Maßnahmen und Akti- vitäten, um den Übergang von Jugendlichen aus der Schu- le in Ausbildung und Arbeit erfolgreicher zu gestalten. 7. Welche besonderen Angebote stehen künftig bei Einrichtung einer Jugendberufsagentur für besonders benachteiligte junge Menschen mit Migrationshintergrund bzw. für junge Frauen und Alleinerziehende zur Verfü- gung Zu 7.: In der Zielgruppe, für die besonders die Ju- gendberufsagentur vordringlich ist, ist der Anteil der Heranwachsenden aus Einwanderer-Communities außer- ordentlich hoch. Da gerade ein wichtiges Anliegen der Jugendberufsagentur in der kontinuierlichen Ansprach dieser Zielgruppe besteht, sind interkulturelle Öffnung und interkulturelle Kompetenz aller Beratungskräfte zwingend. Der Fokus auf Fragen der Migration ist struk- turell zu verankern. Das heißt, migrationsbezogene Ex- pertise ist in der Formulierung von Kooperationsvereinba- rungen und Qualitätssicherung dringlich. Angeschlossen werden kann an den Prozess zur inter- kulturellen Öffnung von JobCentern, der ins Rahmenar- beitsmarktprogramm zwischen der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg und dem Senat aufgenommen wurde. 8. Welche Kosteneinsparung wird durch eine Qualifizierung des Übergangsbereichs angestrebt und wofür werden diese Mittel verwendet werden? 9. Wer prüft die Passgenauigkeit und Wirksamkeit der Maßnahmen, die jungen Menschen im Übergangsbe- reich nach Einrichtung einer Jugendberufsagentur ange- boten werden und welche Kriterien werden für diese Prüfung angewendet werden? Zu 8. und 9.: Im Prüfbericht zur Umsetzungsmöglich- keit der Jugendberufsagentur in Berlin wurde ein erster Katalog von Zielerreichungsindikatoren vorgelegt, der handlungsleitend für die zukünftigen Kooperationspartner sein muss und auch für die Ausrichtung des Übergangsbe- reichs anwendbar ist. Es sind die Zielindikatoren der Verkürzung der Verbleibzeiten im Übergangsbereich, die Verbesserung der Abschlussquoten und natürlich die direkte Übergangsquote in betriebliche Ausbildung oder Beschäftigung explizit aufgeführt. Eine Prognose zur Kosteneinsparung auf Grundlage der derzeitigen Daten- lage ist nicht möglich und unterbleibt deshalb. Die Wirksamkeit des Übergangsbereichs und der Ju- gendberufsagentur wären jedoch durch die Zusammen- führung der Daten Kern eines Evaluationskonzeptes, das durch qualitative Erhebungen zur Attraktivität für Ju- gendliche, junge Erwachsene und Erziehungsberechtigte zu ergänzen wäre. Eine wissenschaftliche Begleitung des Aufbaus der Jugendberufsagentur wird erwogen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 112 3 10. Stimmt der Senat der Einschätzung zu, dass der Übergangsbereich Ausdruck des Fehlens von Ausbil- dungsplätzen im Dualen System ist und wie gedenkt der Senat im Rahmen einer Jugendberufsagentur hier Abhilfe zu schaffen? Zu 10.: Der Übergangsbereich hat in Zeiten eines aus- geprägten Ausbildungsplatzbedarfes auch junge Men- schen mit Schulabschlüssen und Kompetenzen aufge- nommen, die eine Ausbildungsaufnahme ermöglicht hät- ten. Die Zahl der „marktbenachteiligten“ Jugendlichen sollte bei der jetzt veränderten demografischen Situation zurückgehen und Passungsprobleme von Wahlverhalten der jungen Menschen in einem Berliner Ausbildungsan- gebot in den Vordergrund treten. Allerdings beeinflussen auch die in den letzten Jahren durch den Angebotsmarkt geprägten sehr hohen Eingangsansprüche die Ausbil- dungsbereitschaft der Betriebe. Es käme in der Arbeit der Jugendberufsagentur darauf an, in der Beratung und Ver- mittlung darauf zu achten, dass nur noch Jugendliche in den Übergangsbereich gelangen, die individuell und ziel- gerichtet Kompetenzen für den Eintritt in Ausbildung oder Beschäftigung erwerben müssen. 11. Welche konkreten Verpflichtungen zur Bereitstellung von mehr Ausbildungsplätzen seitens der Berliner Wirtschaft und des Berliner Handwerks erwartet der Se- nat im Rahmen der angestrebten Landeskooperationsver- einbarung für eine Jugendberufsagentur? 13. Plant der Senat im Rahmen der Einrichtung einer Jugendberufsagentur in Berlin ein Recht auf Ausbildung für jeden jungen Menschen gesetzlich zu fixieren und wenn nein, warum nicht? Zu 11. und 13.: Unmittelbare Verpflichtungen zu for- mulieren, ergibt keine Handlungsgrundlage für die Ko- operation in dem Projekt „Jugendberufsagentur in Berlin umsetzen!“. Es ist zu erwarten, dass durch gemeinsame Zielformulierungen und Evaluation des Übergangsbe- reichs, bei Ausnutzung aller Zugangschancen einer brei- teren Zielgruppe für die duale Ausbildung die Auseinan- dersetzung über die sogenannte „Ausbildungsunreife“ der jungen Bewerberinnen und Bewerber bzw. der Ausbil- dungsabsenz von Betrieben auf eine neue rationalere Basis gestellt wird. Beobachtungen aus Hamburg spre- chen dafür. Es wird dabei insbesondere darauf ankom- men, die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe für die große Gruppe von Jugendlichen mit durchschnittlichen und in manchen Fällen auch unterdurchschnittlichen Schulabschlüssen zu öffnen. Diese bringen nämlich viel- fach berufsbezogene oder außerfachliche Kompetenzen mit, die einen erfolgreichen Berufsabschluss ermöglichen würden. Gerade die systematische Verzahnung der Do- kumentation solcher Kompetenzen in der Berufsorientie- rung der Sekundarstufe I und der Berufsausbildungsvor- bereitung, jeweils in betrieblichen Praxisphasen validiert, ist ein wichtiges Schnittstellenthema für das in Entwick- lung befindliche Berliner Landeskonzept für Berufs- und Studienorientierung und dem möglichen Aufbau einer Berliner Jugendberufsagentur. Umso wichtiger ist deshalb die Einbindung der Wirt- schaft mit Verbänden und Sozialpartnern in die strategi- sche Steuerung der Jugendberufsagentur. 12. Welche Selbstverpflichtung wird der Senat im Rahmen einer Landeskooperationsvereinbarung zur Ein- richtung einer Jugendberufsagentur eingehen, um mehr Ausbildungsplätze im Öffentlichen Dienst zu schaffen? Zu 12.: Der Senat hat in den letzten Jahren die Bereit- stellung von Ausbildungsplätzen zunehmend erweitert. Eine zukünftige Jugendberufsagentur kümmert sich um einen effizienten Übergang von Schule in Ausbildung, damit junge Menschen sich mit guten Chancen um einen Ausbildungsplatz im Öffentlichen Dienst bewerben kön- nen. Berlin, den 21. Februar 2014 In Vertretung Mark Rackles Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Mrz. 2014)