Drucksache 17 / 13 116 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage der Abgeordneten Anja Schillhaneck (GRÜNE) vom 28. Januar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Januar 2014) und Antwort Wer fährt nach Sotschi, und warum eigentlich? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wer wird der Delegation des Senats, die zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi fährt, angehören? Wer wird die Delegation darüber hinaus begleiten? Zu 1.: Der Delegation des Senats von Berlin gehörten der Bürgermeister und Senator für Inneres und Sport, der für Sport zuständige Staatssekretär und von der Senats- verwaltung für Inneres und Sport der Abteilungsleiter Sport sowie eine Mitarbeiterin der Abteilung Sport an. Begleitet wurde die Berliner Delegation darüber hin- aus vom Leiter des Olympiastützpunktes Berlin (OSP Berlin). 2. Welche Abwägungen sind in die Entscheidung ein- geflossen, eine hochrangige politische Delegation des Landes Berlin nach Sotschi zu entsenden? Zu 2.: Der Senat geht davon aus, dass Konsens über alle Fraktionen des Abgeordnetenhauses von Berlin hin- weg dahingehend besteht, die Position und Konkurrenz- fähigkeit der Sportmetropole Berlin auch in Zukunft zu festigen. Dazu gehört auch die politische Präsenz hoch- rangiger Repräsentanten bei internationalen Sportveran- staltungen vor Ort. Der Senat von Berlin empfand es darüber hinaus als falsches Signal, wenn deutsche und insbesondere Berliner Sportlerinnen und Sportler an den Olympischen Winterspielen in Sotschi teilnehmen, hoch- rangige politische Vertreterinnen und Vertreter Berlins jedoch nicht. 3. Hat der Senat insbesondere eine eigene Bewertung der in einer breiten öffentlichen und in vielen Ländern geführten Debatte über die Situation homosexueller Men- schen und zum so genannten „Homosexuellenpropaganda -Gesetz“ in Russland vorgenommen? Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist er gekommen? Zu 3.: Der Senat beobachtet die politischen und recht- lichen Entwicklungen in Russland gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und transgeschlechtlichen Men- schen (LSBT) sowie Organisationen, die sich für die Belange von LSBT einsetzen mit großer Sorge. Jede Form der Diskriminierung von Minderheiten ist auch eine Verletzung der Menschenrechte. Der Regierende Bürgermeister von Berlin hat in einem Schreiben vom 30. August 2013 an seinen Amtskollegen in Moskau die Position des Landes Berlins deutlich ge- macht und sich insbesondere über das Gesetz zum Verbot der Propaganda der Homosexualität in Russland kritisch geäußert. Gleichzeitig mahnte er mehr Toleranz und Ak- zeptanz unterschiedlicher Lebensweisen, vor allem in Berlins Partnerstadt Moskau an. Der Regierende Bürger- meister von Berlin erinnerte an die Pflicht von Regierun- gen, Diskriminierungen jeder Art zu verhindern und bat den Oberbürgermeister nachdrücklich, sich für mehr To- leranz und umfassenden Minderheitenschutz stark zu machen. 4. Ist dem Senat bekannt, dass etliche Staatsober- häupter und andere hohe Würdenträger insbesondere aus Kritik an diesem Gesetz und dem mangelnden Schutz der Rechte homosexueller Menschen beschlossen haben, den Olympischen Winterspielen in Sotschi fern zu bleiben? Welchen Einfluss hatte das auf die Entscheidung? Zu 4.: Dem Senat war bekannt, dass u. a. auch aus Kritik an dem unter 3. genannten Gesetz bzw. dem man- gelnden Schutz der Rechte homosexueller Menschen einige Staatsoberhäupter und andere hochrangige Perso- nen den Olympischen Winterspielen in Sotschi fernblei- ben. Andererseits war dem Senat auch bekannt, dass der für Sport zuständige Bundesminister des Inneren die Olympischen Winterspiele in Sotschi besuchen wird. Dieser Sachverhalt wurde ausdrücklich berücksichtigt. Im Ergebnis hat das nicht dazu geführt, den Olympischen Winterspielen in Sotschi fernzubleiben. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 116 2 Stattdessen wurde geprüft, wie die Menschenrechts- situation in Russland an geeigneter Stelle vor Ort ange- messen thematisiert werden kann. So hat der Bürger- meister und Senator für Inneres und Sport das Thema vor Ort mit Vertretern der Menschenrechtsorganisation „Memorial “ erörtert. Außerdem hat der Staatssekretär für Sport den Regenbogenschal als Symbol der internationa- len Schwulen- und Lesbenbewegung bei dem Gesprächs- termin mit dem Bürgermeister von Sotschi getragen. 5. Hat der Senat die Entscheidung des Bundespräsi- denten Gauck zur Kenntnis genommen, die Olympischen Winterspiele in Sotschi nicht zu besuchen? In welcher Weise ist diese Tatsache in seinem Entscheidungsprozess, selbst eine Delegation zu entsenden, berücksichtigt wor- den? Zu 5.: Der Senat hat die Entscheidung des Bundesprä- sidenten zur Kenntnis genommen. Im Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 4. verwie- sen. 6. Worüber wird die Delegation in Sotschi mit wem reden? Welche Bedeutung misst der Senat der Delegati- onsreise in Bezug auf Informationsgewinnung, Akquise von Sportveranstaltungen (insbesondere im Bereich Win- tersport), allgemeiner Kontaktpflege usw. bei? Welche Alternativen böten sich, die gesetzten Ziele der Dele- gationsreise zu erreichen? Zu 6.: Wie der Senat bereits in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Hiller vom 24. September 2012 (Drucksache 17/11 014) ausführlich dargelegt hat, verfolgen Reisen zu internationalen Sport- großveranstaltungen immer mehrere Ziele:  Sie dienen dem Erkenntnisgewinn zur Durchführung von Sportgroßveranstaltungen sowohl bezo- gen auf die Ausgestaltung von Sportanlagen als auch deren organisatorischen Abläufen.  Sie dienen der Repräsentation der Sportmetropole Berlin.  Sie dienen der Kontaktpflege zu den internationalen Sportverbänden, die in Berlin Sportgroßveran- staltungen wie z. B. die Allround-Weltmeister- schaften im Eisschnelllauf 2016 planen bzw. sich dafür bewerben.  Sie dienen der Unterstützung der teilnehmenden Berliner Sportlerinnen und Sportler. Neben dem Besuch von sportlichen Wettkämpfen hat das Programm der Berliner Delegation folgende Ge- sprächstermine beinhaltet:  Briefing durch einen Vertreter der Deutschen Botschaft in Moskau: Themen waren u. a. die politi- sche Situation in Russland und die konkrete Vor- bereitung des Gesprächs mit dem Bürgermeister von Sotschi.  Besuch des Olympischen Dorfes im Coastal Cluster : Das Olympische Dorf ist neben den Sportstät- ten ein Kernelement und zentraler Anlaufpunkt Olympischer Spiele. Informationen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) über dessen Aufbau und die Ausstattung, zu Sicherheitsmaß- nahmen für Sportlerinnen und Sportler sowie über die Organisation aller dortigen Abläufe waren von hohem fachlichen Wert für die Sportmetropole Berlin für eigene künftige Sportgroßveranstaltun- gen.  Berlin-Empfang im Deutschen Haus: Der Bürgermeister und Senator für Inneres und Sport war Gastgeber des Abends. Die Sportmetropole Berlin und insbesondere die Rahmenbedingungen für den Leistungssport in Berlin konnten im Deutschen Haus hervorragend präsentiert werden. Ehrengäste des Abends waren der IOC-Präsident Dr. Thomas Bach, der DOSB-Präsident Alfons Hörmann und das IOC-Ehrenmitglied Walther Tröger. Gespräch mit dem Bürgermeister von Sotschi: Bei dem Ge- spräch wurden Themen wie olympische Infra- struktur, Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Finan- zierung erörtert. Der für Sport zuständige Staats- sekretär hat bei dem Gesprächstermin den Regen- bogenschal als Symbol der internationalen Schwu- len- und Lesbenbewegung getragen.  Gespräch mit Vertretern der Menschenrechtsorganisation „Memorial“: Bei dem Gespräch ging es um Themen wie Umweltschutz und die Entloh- nung der Arbeiter auf den Olympia-Baustellen.  Talkrunde mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Olympischen Jugendlagers: Bei dem Gespräch ging es um Themen rund um die Olympischen Winterspiele. Die Nachwuchsathletinnen und Nachwuchsathleten im Alter zwischen 16 und 19 Jahren haben sich durch sportliche Leistungen und soziales Engagement ausgezeichnet. Drei der ins- gesamt rd. 40 Jugendlichen kamen aus Berlin. Darüber hinaus ist esgerade bei dem Empfang des Landes Berlin und teilweise auch am Rande der besuchten Sportveranstaltungen zu informellen Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von internationalen und nationalen Verbänden gekommen, die die Chancen Ber- lins bei Bewerbungen zu internationalen Veranstaltungen als Thema hatten und regelmäßig Berlin als Sportmetro- pole beworben haben. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass auch der Besuch der Sportveranstaltungen und -einrichtungen vielfältige Erkenntnisse erbracht hat, etwa hinsichtlich der Nutzung von temporären Bauten und in Sicherheitsfragen sowie anderer organisatorischer Aspekte. Alternativen, um die Ziele wie insbesondere den In- formationsaustausch mit hochkarätigen internationalen und nationalen Sportverbandsvertreterinnen und Sport- verbandsvertretern bzw. „Entscheiderinnen oder Entscheidern “ über die Vergabe von Sportgroßveranstaltungen anlässlich einer Veranstaltung an einem Ort zu errei- chen, sieht der Senat von Berlin nicht. Auch die Unter- stützung und Wertschätzung der deutschen und Berliner Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 116 3 Sportlerinnen und Sportler bei Olympischen Spielen wird aus Sicht des Senats von Berlin durch persönliche Anwe- senheit und Kontakte unterstrichen. 7. Wird sich die Berliner Delegation insbesondere auch über Sicherheitsaspekte bei der Durchführung von Großereignissen informieren und mit den lokalen Ver- antwortlichen austauschen? Wenn ja, welche übertragba- ren Erkenntnisse erhofft sich der Senat davon? Zu 7.: Die Berliner Delegation konnte sich bei dem Besuch der Sportveranstaltungen und –einrichtungen sowie auch bei dem Besuch des Olympischen Dorfes im Coastal Cluster einen Überblick über die verschiedenen Sicherheitsmaßnahmen verschaffen. 8. Wird der Senat seine Entscheidung, eine politische Delegation nach Sotschi zu entsenden, angesichts der neuesten Vorwürfe in Bezug auf ausbeuterische Arbeits- bedingungen bei der Errichtung der Sportstätten und der Herrichtung des Austragungsortes, überdenken? Zu 8.: Die Vorwürfe in Bezug auf ausbeuterische Ar- beitsbedingungen bei der Errichtung der Sportstätten und der Herrichtung des Austragungsortes haben nicht dazu geführt, dass die Berliner Delegation nicht zu den Olym- pischen Winterspielen nach Sotschi gereist ist. Der Bür- germeister und Senator für Inneres und Sport hat stattdes- sen versucht, die Entlohnung der Arbeiter auf den Olym- pia-Baustellen an geeigneter Stelle vor Ort zu thematisie- ren, wie z.B. mit den Vertretern der Menschenrechtsorga- nisation „Memorial“. Berlin, den 13. März 2014 In Vertretung Andreas Statzkowski Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Apr. 2014)