Drucksache 17 / 13 139 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Sven Kohlmeier (SPD) vom 29. Januar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Januar 2014) und Antwort Fluch oder Segen - Größere Erfolge oder längere Verfahrenslaufzeiten durch die Reform der Zwangsvollstreckung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat zum jetzigen Zeitpunkt die Reform der Zwangsvollstreckung? Zu 1.: Der Senat hält es für verfrüht, die Reform der Zwangsvollstreckung zum jetzigen Zeitpunkt zu bewer- ten. Aufgrund der im ersten Jahr aufgetretenen Umset- zungsprobleme konnte die Reform ihre angestrebten Zie- le, nämlich die Beschleunigung des Verfahrens sowie die Verbesserung des Vollstreckungsergebnisses bisher nicht erreichen. Dies liegt zum einen daran, dass diverse technische Neuerungen, welche mit der Reform einhergehen sollten, noch nicht in den Verfahrenslauf implementiert worden sind. So können Abfragen der Gerichtsvollzieherin und des Gerichtsvollziehers bei den meisten Drittstellen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht online, sondern nur schrift- lich erfolgen. Informationen, die die Gerichtsvollzieherin und der Gerichtsvollzieher eigentlich in wenigen Minuten erhalten sollten, erreichen sie bzw. ihn daher erst nach Wochen oder Monaten. Aber auch datenschutzrechtliche Fragen lassen den Erfolg - insbesondere die nachhaltige Verbesserung der Informationsmöglichkeiten des Gläubigers - noch nicht greifbar werden. Bund und Länder haben sich dieser Fra- gen angenommen und werden in enger Abstimmung mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Infor- mationsfreiheit nach geeigneten Lösungsmöglichkeiten suchen, etwa um eine Erweiterung der automatisierten Suchfunktionen zu erreichen. 2. Welche Erfolge sind zu verzeichnen und welche Verbesserungen sind aus Sicht des Senats notwendig? Zu 2.: Ein Erfolg der Reform liegt darin, dass die Sys- tematik der Eintragung im Schuldnerverzeichnis ver- ändert wurde. So können zahlungsunwillige bzw. zah- lungsunfähige Schuldner, die nach altem Recht durch das Fernbleiben im Termin einer Eintragung im Schuldner- verzeichnis entgangen sind bzw. diesen in die Länge gezogen haben, nunmehr kurzfristig nach Auftragsein- gang für den Rechtsverkehr als nicht solvent kenntlich gemacht werden. Daneben wird vor allem die elektroni- sche Führung der Vermögensverzeichnisse gelobt, die in Form strukturierter maschineller Datensätze die Lesbar- keit der Eintragungen garantiert und zur schnelleren und besseren Erfassung der für die Vollstreckung wesentli- chen Informationen beiträgt. Weiterhin erhalten Gläubiger nunmehr auch ohne das Zutun des Schuldners zumindest teilweise Auskunft über eventuell vorhandenes Vermögen, weshalb bisher lang- wierige Verfahren schneller (spätestens wenn alle Online- abfragen bei Drittstellen in Zukunft möglich sein werden) im Sinne des Gläubigers beendet werden können. Weitere Verbesserungsmöglichkeiten bestehen neben den techni- schen und datenschutzrechtlichen Fragen, auch beim Eintragungsanordnungsverfahren hinsichtlich des damit verbundenen bürokratischen Aufwands. 3. Hat sich die Zwangsvollstreckungsreform durch z. B. höhere Betreibungsquoten verbessert? Zu 3.: Belastbare Zahlen für 2013 liegen noch nicht vor. Lediglich vereinzelt wurden von Gerichtsvollziehe- rinnen und Gerichtsvollziehern höhere Beitreibungsquo- ten berichtet, aus denen sich aber eine allgemeine Steige- rung der Beitreibungsquote nicht verallgemeinernd ablei- ten lässt. 4. Wie bewerten die Gerichtsvollzieher die Zwangs- vollstreckungsreform? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 139 2 Zu 4.: Die Berliner Gerichtsvollzieherinnen und Ge- richtsvollzieher bewerten die Reform grundsätzlich posi- tiv, haben aber mit den zahlreichen Verzögerungen und Umstellungsschwierigkeiten zu kämpfen. Nach den Er- fahrungen der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvoll- zieher machen sich die noch mangelnden praktischen Erfahrungen der Gläubiger sowie deren Vertreterinnen und Vertreter mit den Neuerungen der Reform nachteilig bemerkbar. In rund zwei Dritteln aller Fälle soll die wi- dersprüchliche Antragsformulierung zu einer ver- meidbaren zusätzlichen Belastung der Gerichtsvollzieher- büros aufgrund notwendiger Zwischenverfügungen füh- ren. Nach Einschätzung der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher könnte die Zwangsvollstreckung auch deutlich effektiver sein, wenn der Gläubiger sowie deren Vertreterinnen und Vertreter die neu geschaffene Mög- lichkeit der Einholung von Drittstellenauskünften gemäß § 802 l Zivilprozessordnung (ZPO) mehr nutzen würden. Der bürokratische Aufwand des Eintragungsanord- nungsverfahrens bedarf aus Sicht der Gerichtsvollziehe- rinnen und Gerichtsvollzieher der Überprüfung. Schließlich beklagen viele Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, dass der persönliche Kontakt zum Schuldner in vielen Fällen zum Erliegen gekommen sei. Gerade dieser habe jedoch in der Vergangenheit oft dazu beigetragen, die Schuldnerin bzw. den Schuldner zu Ra- tenzahlungen zu bewegen. 5. Wie bewertet es der Senat, dass Gerichtsvollzieher auf extrem hohe Arbeitsbelastung durch die Zwangsvoll- streckungsreform hinweisen und in Folge dessen Aufträge mehrere Monate unbearbeitet liegen bleiben? Zu 5.: Dem Senat ist nicht bekannt, dass Aufträge mehrere Monate unbearbeitet liegen bleiben. Sofern dies vorkommt, dürfte es sich allenfalls um Ausnahmen han- deln. Im Übrigen war absehbar, dass die Reform der Sach- aufklärung in der Zwangsvollstreckung in der Übergangs- zeit zu erheblichen Mehrbelastungen führen würde. Durch die Reform mussten die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher ihren Bürobetrieb grundlegend um- stellen. Dabei wurde eine schnelle und reibungslose Um- setzung des Verfahrens zunächst dadurch erschwert, dass die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher Ver- fahren sowohl nach altem, als auch nach neuem Recht abarbeiten mussten, bevor sie sich ganz den neuen Ar- beitsschritten und Anforderungen stellen konnten. Die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher müssen zudem Aufklärungsarbeit bei Gläubigern sowie deren Vertreterinnen und Vertretern leisten und Anträge umdeuten oder aber die Bedeutung des neu eingeführten Vollstreckungsantrages erläutern. Klarstellungsaufforde- rungen wurden seitens der Gläubiger teilweise erst sehr spät beantwortet. Dies und die zum Teil erheblich verzö- gerten Drittstellenauskünfte sind den Gerichtsvollziehe- rinnen und Gerichtsvollziehern nicht anzulasten. Letztendlich ist auch schon der Gesetzgeber, selbst bei reibungslosem Verlauf der Reform, von einem geschätz- ten Mehraufwand von 21 % ausgegangen. Dieser Mehr- aufwand ist allerdings noch nicht messbar, weil sich die Bundesländer noch auf keinen neuen einheitlichen Pen- senschlüssel geeinigt haben. Obwohl die Gerichtsvollzie- herinnen und Gerichtsvollzieher von den massiven Stel- leneinsparungen im mittleren Justizdienst ausgenommen sind, ist dieser Mehraufwand bei gleich gebliebener Per- sonalstärke aufgefangen worden. Vor diesem Hintergrund bewertet der Senat den Einsatzwillen und die Flexibilität der Berliner Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzie- her als außergewöhnlich. 6. Wie will der Senat die unter 5. genannten Umstände verbessern? Zu 6.: Durch die Realisierung der elektronischen Ab- fragemöglichkeiten und einer zunehmenden Praxiserfah- rung bei Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern sowie Gläubigern werden sich die Umstände zwangsläu- fig verbessern. Darüber hinaus wird die Senatsverwal- tung für Justiz und Verbraucherschutz unverändert daran arbeiten, Optimierungsmöglichkeiten zu erkennen, diese umzusetzen und sich bei Bedarf auf Bund- und Länder- ebene für die Verbesserungen einzusetzen, die der Senat auf Landesebene nicht umsetzen kann. 7. Welche Verbesserungsvorschläge hat der Senat, um die Zwangsvollstreckung als wirksames Instrument der Durchsetzung von titulierten Ansprüchen zu nutzen, den Zwangsvollstreckungserfolg durch Arbeitsüberlastung der Gerichtsvollzieher zu verhindern? Zu 7.: Zunächst müssen alle Anstrengungen darauf konzentriert werden, die dargestellten Probleme zu besei- tigen. Weitere Verbesserungen hinsichtlich der Effektivi- tät der Zwangs-vollstreckung werden eintreten, wenn mehr Gläubiger sowie deren Vertreterinnen und Vertreter als bisher die Möglichkeiten der neuen Instrumente der Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung nutzen. Wenn die Reform der Sachaufklärung dann wie vom Gesetzgeber vorgesehen umgesetzt ist und alle Be- teiligten Praxiserfahrungen gewonnen haben, kann und muss geprüft werden, wie die Verfahren im Einzelnen optimiert werden können. Berlin, den 21. Februar 2014 In Vertretung Straßmeir Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Mrz. 2014)