Drucksache 17 / 13 143 Kleine Anfrage 17. Wahlperiode Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Albers (LINKE) vom 29. Januar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Januar 2014) und Antwort Bereitschaft zur Organspende entwickeln Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt: 1. Welche konkreten Maßnahmen entwickelt oder un- terstützt der Senat, um die Bereitschaft zur Organspende in der Berliner Bevölkerung zu erhöhen? Zu 1.: Es wurden Aufklärungskampagnen zur Organ- spende für ausgewählte Zielgruppen entwickelt. So richte- te sich eine Aktion an die ca. 800.000 Mitglieder des Landessportbundes Berlin sowie die sportinteressierte Berliner Bevölkerung. Den Kern der Kampagne bildete ein Informationsflyer, der über das Thema Organspende im Umfeld und in der Sprache des Sports aufklärte und berichtete. Die Broschüre wurde in einer Auflagenhöhe von 100.000 Exemplaren produziert und umfasst 14 Sei- ten, wovon die beiden letzten mit einem heraustrennbaren Organspendeausweis versehen wurden. Eine andere Ziel- gruppe waren die ca. 180000 Berlinerinnen und Berliner mit einem türkischen Migrationshintergrund, die durch Spots, Radiotrailer und Informationssendungen der tür- kischsprachigen Sendeanstalt Radyo Metropol FM über die Organspende mehrere Wochen lang informiert wur- den. Zeitgleich hat der Sender dieses Thema auch auf seine Internetseite eingestellt. Die Resonanz auf diese Kampagne war so positiv, dass die Radiotrailer und Spots aktualisiert und im darauf folgenden Jahr 2013 und um den Tag der Organspende im Juni 2013 und im Vorfeld der Verteilung des Infoflyers in türkischer Sprache im September 2013 erneut gesendet wurden. Ergänzt wurden die Infokampagnen durch mehrstündige Informationssen- dungen mit Experten. Zur Unterstützung der Radiokam- pagne wurde eine kleine Broschüre in türkischer Sprache konzipiert und gedruckt. Die Broschüre wurde u. a. mit den Zeitschriften Hürriyet und Merhaba verteilt, liegt in türkischen Arztpraxen aus, kann bei der Berliner Gesell- schaft Türkischer Mediziner (BGTM) bezogen werden und wurde an Ditib, an die Alevitische Gemeinde und dem Türkischem Generalkonsulat Berlin verschickt. Im Rahmen der Kampagne hat es zwei öffentliche Veranstaltungen gegeben. Ein Informations- und Diskus- sionsabend für die breite Bevölkerung fand im Türkischen Haus statt. Dem folgte eine von der Berliner Ärztekam- mer zertifizierte Tagung mit dem Thema: „Organspende und Islam, Widerspruch oder Chance“ die von der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in Koopera- tion mit der Berliner Gesellschaft türkischer Mediziner e.V. (BGTM) durchgeführt wurde. Die wissenschaftliche Tagung in der Botschaft der Türkischen Republik richtete sich vornehmlich an Fachleute, die auf dem Gebiet der Organspende spezialisiert sind, und an türkischsprachige Ärztinnen und Ärzte. Dieses und nächstes Jahr soll wieder die allgemeine Berliner Bevölkerung angesprochen werden. Im Berliner Fenster soll für ein bis drei Wochen von Mai -Juni eine Appell-Kampagne laufen, in der die Berlinerinnen und Berliner aufgefordert werden, den Organspendeausweis, der von den Krankenkassen zusammen mit Informations- materialien verschickt worden ist, auszufüllen oder den nächsten Angehörigen mitzuteilen, wie man selbst zur Organspende steht. 2. Mit welchen Einrichtungen oder Initiativen arbeitet der Senat in dieser Frage zusammen? Zu 2.: In der Vergangenheit wurde mit dem Lan- dessportbundes Berlin, Radyo Metropol FM der Berliner Gesellschaft Türkischer Mediziner und DITIB (Türkisch- Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.) zusam- men gearbeitet. Derzeit besteht keine Zusammenarbeit mit Einrichtungen oder Initiativen in dieser Frage. 3. Wie sollen die wohlfeilen Bekenntnisse in der auch von der Senatsverwaltung Gesundheit mitgetragenen „Erklärung Organspende“ politisch umgesetzt werden? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 143 2 Zu 3.: Die Berliner „Erklärung Organspende“ ist eine Initiative von Vertreterinnen und Vertretern aus der Poli- tik, an der Aktive aus Medizin, Forschung, Politik und Verbänden sowie die Patientenbeauftragte für Berlin mitgearbeitet haben. Die Senatsverwaltung für Gesund- heit und Soziales selbst war an der Formulierung der Erklärung jedoch nicht beteiligt, begrüßt aber die Initiati- ve. Die unterzeichnenden Akteurinnen und Akteure der „Erklärung Organspende“ verpflichten sich, in ihrem jeweiligen Handlungsfeld aktiv all das Mögliche zu tun, damit die Spendenbereitschaft und die Transplantations- bedingungen verbessert werden. 4. In welchem Ausmaß findet die Problematik „Organspende “ Eingang in die Lehrpläne Berliner Schulen? Zu 4.: Im Fach Ethik gibt es grundsätzlich keine Pflichtthemen. Das Thema „Organspende“ ist im Rahmenlehrplan Ethik nicht explizit erwähnt, jedoch ist es möglich, das Thema innerhalb des dritten Themenfeldes „Freiheit und Verantwortung“ als Thema der angewandten Ethik zu behandeln. Das Thema „Organspende“ wird erfahrungsgemäß im Ethikunterricht oft behandelt und ist als Thema für die Prüfung in besonderer Form (MSA) verbreitet. Wie für alle Fächer ist auch für Ethik ein neuer Rah- menlehrplan (RLP) in Vorbereitung. Es wäre möglich, „Organspende“ als ein mögliches Thema der angewandten Ethik in dem neuen RLP zu erwähnen, jedoch wird es auch weiterhin keine Pflichtthemen geben. Im Fach Biologie ist das Thema „Organspende“ im Rahmenlehrplan der Klassenstufen 9/10 im Wahlbereich 3 verankert. Unter dem Titel „Transplantation und Organspende – eine zweite Chance?“ finden sich Themen wie Transplantationsgesetz, Hirntod, Organtransplantation, Organspendeausweis. 5. Gibt es z. B. eine Unterrichtseinheit „Organspende “, und wenn nicht, ist hier etwas geplant? Zu 5.: Geplant ist ein fachübergreifender Fachbrief Ethik/Biologie mit einem konkreten Unterrichtsvorschlag zum Thema Organspende. Es ist geplant, dass dieser Fachbrief noch vor den Sommerferien 2014 fertiggestellt und veröffentlicht wird. 6. In welcher Form unterstützt der Senat Initiativen wie das „Projekt Streetwork Organspende“, das seit 1995 über den persönlichen Kontakt den Dialog zur Bevölke- rung zum Thema Organspende sucht? Zu 6.: Der Senat ist in das Projekt „Streetwork Organspende “ nicht involviert. 1995 entstand mit dem Transplantationszentrum Steglitz der Freien Universität Berlin die Idee, durch einen "Streetworker Organspende" Basisarbeit dort zu leisten, wo sie besonders sinnvoll ist: Bei Jugendlichen, in Schulen, Vereinen, Clubs, kirchlichen Gruppen etc. und in stark publikumsfrequentierten Einrichtungen. Diese Idee griff die Bundeszentrale für gesundheitli- che Aufklärung (BZgA) auf und entwickelte 1997 ge- meinsam mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) ein bundesweites Projekt unter dem Namen "Streetwork Organspende". Im Jahr 2001 wurde die Ar- beit aus finanziellen Gründen eingestellt. Seit dem 1.1.2003 führt lediglich ein Mitarbeiter bis heute mit finanzieller Unterstützung des Deutschen Herzzentrums Berlin (DHZB) die Arbeit fort. 7. Hält der Senat angesichts der weiter bestehenden Probleme, ausreichend potentielle Organspender zu ge- winnen, die bundesgesetzliche Regelung zur Organspende mit ihrer Ergänzung aus dem Juli 2012 für zielführend, und wie begründet er seine Haltung? Zu 7.: Ja, der Senat hält die bundesgesetzlichen Rege- lungen zur Organspende für zielführend. Damit schließt er sich dem fraktionsübergreifenden Meinungsbild der Bun- desregierung an, die weitgehend den Ausführungen des nationalen Ethikrats von 2006 gefolgt ist. Danach stellt die rechtliche Regelung der Organspende einen Ausgleich zwischen zwei konkurrierenden Zielsetzungen her: Einer- seits wird das Prinzip zur Geltung gebracht, dass die freie und informierte Zustimmung des Organspenders und seiner Angehörigen die vorzuziehende ethische Legitima- tionsbasis der Transplantationsmedizin darstellt. Anderer- seits wird die vorhandene hohe Organspendebereitschaft in der Bevölkerung durch die Zusendung des Organspen- deausweises stärker ausgeschöpft. Das Gesetz sieht Regelungen vor, jeden Menschen in die Lage zu versetzen, sich mit der Frage seiner eigenen Spendebereitschaft ernsthaft zu befassen. Durch den neu eingefügten § 1 in das Transplantationsgesetz wird dieses Ziel im Gesetz verankert und klargestellt, dass es jeder Bürgerin und jedem Bürger ermöglicht wird, eine infor- mierte und unabhängige Entscheidung zu treffen. Unter Beachtung des Grundsatzes der Freiwilligkeit der Organ- spende wurde die erweiterte Zustimmungslösung in eine Entscheidungslösung umgewandelt. Die allgemeinen Aufklärungspflichten in § 2 Absatz 1 Satz 1 des Trans- plantationsgesetzes (TPG) wurde konkretisiert und dahin- gehend ergänzt, dass jede Bürgerin und jeder Bürger ausdrücklich aufgefordert wird, eine Entscheidung zur Organspende abzugeben. In diesem Zusammenhang wird auf das Entscheidungsrecht der nächsten Angehörigen für den Fall hingewiesen, dass eine Erklärung zur postmorta- len Organspende zu Lebzeiten nicht abgegeben worden ist. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 143 3 Im Gesetz ist ferner eine ausdrückliche Verpflichtung der Krankenkassen und privaten Krankenversicherungs- unternehmen formuliert, ihren Versicherten geeignetes Informationsmaterial zur Organ- und Gewebespende einschließlich eines Organspendeausweises zur Verfü- gung zu stellen und diese zur Dokumentation einer Erklä- rung zur postmortalen Organ- und Gewebespende aufzu- fordern. Durch Gesetz vom 21. Juli 2012 wurde zudem § 9b in das Transplantationsgesetz eingefügt. Die Vorschrift sieht vor, dass Entnahmekrankenhäuser Transplantationsbeauf- tragte zu bestellen haben, und regelt unter anderem deren Aufgaben und Stellung in den Entnahmekrankenhäusern. Es gilt, alle potentiellen Organspenderinnen und Organ- spender zu entdecken und bei nicht vorhandenem Organ- spendeausweis Gespräche mit den nächsten Angehörigen zu führen, die belastbare Entscheidungen ermöglichen. Damit ist ein weiterer Schritt getan, um die potentielle Organspende in den Klinikabläufen zu verankern. Berlin, den 27. Februar 2014 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Mrz. 2014)