Drucksache 17 / 13 159 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Alexander Spies und Martin Delius (PIRATEN) vom 30. Januar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Februar 2014) und Antwort Wohnungslosenpolitik in Berlin (I): Weiterentwicklung der Leitlinien Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie ist der derzeitige Stand der Überarbeitung der Leitlinien für die Wohnungslosenpolitik, welche laut Koalitionsvertrag fortgeschrieben werden sollen, und wie ist der konkrete Zeitplan bis zur Veröffentlichung? Zu 1.: Der Senat hat der Weiterentwicklung der Leitli- nien zur Wohnungslosenpolitik eine hohe Priorität einge- räumt. Die dafür federführende Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales arbeitet an den Leitlinien. Auf Grund der Komplexität und umfangreicher Abstim- mungsnotwendigkeiten wird das Jahr 2014 als Arbeits- und Zeitrahmen benötigt. Die Veröffentlichung ist dann nach Beratung im Senat und den parlamentarischen Gre- mien für das 1. Quartal 2015 vorgesehen. 2. Worin liegen die Ursachen, weshalb der Senat bis heute die Leitlinien zur Hilfe für Wohnungslose in Berlin nicht überarbeitet hat, obwohl sich Rechts- und Förder- grundlagen in der Sozial- und Wohnungspolitik sowie die Situation am Berliner Wohnungsmarkt seit 1999 grundle- gend verändert haben? Zu 2.: Die Weiterentwicklung des Wohnungslosenhil- fesystems ist ein ständiger Auftrag der für Soziales zu- ständigen Senatsverwaltung, an der kontinuierlich mit Bezirken und Leistungsanbietern gearbeitet wurde und wird. Dazu gehören u. a. Hinweise für praxisorientiertes Verwaltungshandeln im Rahmen von Gesetzesänderungen und Rechtsprechung, regelmäßige Aushandlung und An- passung von Leistungsbeschreibungen der Angebote, schriftliche Vereinbarungen über Verfahrensregelungen. Aufgrund mehrerer gesetzlicher Änderungen u. a. im SGB II bzw. Mietrecht ist bisher eine formale und voll- ständige Überarbeitung der Leitlinien nicht abgeschlos- sen. So wurde 2004 die weitgediehene Überarbeitung der Leitlinien wegen Einführung des SGB II und XII zunächst eingestellt sowie Ende 2010 die Entwicklung neuer Leit- linien aufgrund von gravierenden Gesetzesänderungen im SGB II vorerst zurückgestellt, um auch diese Änderungen berücksichtigen zu können. 3. Erachtet der Senat die Leitlinien zur Hilfe für Wohnungslose in Berlin von 1999 in der grundlegenden Ausrichtung – Prävention, (Re)integration sowie Vermeidung von Unterbringung in Einrichtungen ohne qualifi- zierte Betreuung – auch zukünftig als sinnvoll? 4. Wie bewertet der Senat die aktuelle Umsetzung dieser Leitlinien in der Berliner Obdachlosenversorgung und Wohnungsnotfallhilfe? 5. Welche Änderungen/Anpassungen plant der Senat in der schon lange fälligen Überarbeitung der Leitlinien der Wohnungslosenpolitik? Zu 3. bis 5.: Die angespannte Lage auf dem Woh- nungsmarkt mit gestiegenen Mieten und zu geringem Wohnungssegment im Bereich kleiner preiswerter Woh- nungen und daraus resultierendem Anstieg von woh- nungslosen Haushalten stellt auch in der Wohnungslosen- hilfe eine besondere Herausforderung dar. Unter anderem wird es deshalb strukturell im Hilfesystem weiterhin un- terschiedliche Formen der Versorgung geben müssen, da der Personenkreis von wohnungslosen Menschen sehr heterogen ist und unterschiedlichsten Hilfebedarfen Rechnung getragen werden muss. Die Wohnungslosenhilfe wird in Berlin zum einen bei den Bezirken (Unterbringung gemäß des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes - ASOG, Kältehilfe) und zum anderen bei der für Soziales zuständigen Senats- verwaltung (betreute Wohnformen in Verbindung mit 8. Kapitel SGB XII) wahrgenommen. Diese Aufgabentei- lung und Zuordnung gemäß Verfassungsauftrag aus ord- nungs- und sozialpolitischer Sicht hat sich als richtig und in seinen Umsetzungen als angemessen erwiesen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 159 2 Schwerpunktthemen in der Wohnungslosenhilfe an denen kontinuierlich gearbeitet wird, sind u. a.:  Vorrang der Verhinderung von Wohnungsverlust,  Entgegentreten beim Abbau von Mietrechten bzw. anderen Maßnahmen, die das Wohnungsverlustri- siko erhöhen,  Vereinheitlichung und Verbindlichkeit von Verfahrensabläufen und Verbesserung der Zu- sammenarbeit zwischen verschiedenen Fachberei- chen, Behörden, Institutionen,  Erlangung von validen Daten über Wohnungslose zur verbesserten Planung und Steuerung des Hilfe- systems, wozu u. a. Ende 2013 eine Vereinbarung mit allen Bezirken geschlossen wurde.  Etablierung von Erhebungskriterien zur Wirkung von Maßnahmen in betreuten Wohnformen gem. § 67 SGB XII,  Erhalt von niedrigschwelligen, zuwendungsgeförderten Angeboten im Integrationsprogramm Sozi- ales (ISP). Die grundlegende Ausrichtung auf Prävention und (Re)Integration hat sich bewährt und soll auch künftig beibehalten werden. 6. Wie und durch wen erfolgt im Land Berlin die Be- darfsplanung von Angeboten der Wohnungslosenhilfe? Wann wurden welche Erhebungen durchgeführt? Zu 6.: Die Bedarfsplanung einschließlich der Bedarfs- deckungsplanung sowie die daraus entstehenden notwen- digen Maßnahmen werden zwischen Bezirken und Se- natsverwaltung abgestimmt. Zu der Erhebungsfrage wird auf die jüngste Beant- wortung der Drucksache 17/12964 verwiesen, aus der hervorgeht, das jährliche Datenerhebungen zu vielen Wohnungslosenthemen durchgeführt werden. 7. Wie sollte nach Ansicht des Senats die Obdachlo- senversorgung und Wohnungsnotfallhilfe in Berlin orga- nisiert und strukturiert werden, um dem Bedarf effizient begegnen zu können? 8. Wie steht der Senat dazu, angesichts der Zunahme an Wohnungsnotfällen die Organisation der Wohnhilfen sowie die Weisungs- und Steuerungsbefugnis auf Landes- ebene zu zentralisieren? Zu 7. und 8.: Die Aufgabenverteilung zwischen Be- zirken und Hauptverwaltung ist und bleibt nach wie vor tragende Säule des Verwaltungsaufbaus und des Verwal- tungshandelns in Berlin. Danach liegt grundsätzlich das operative Geschäft in den Bezirksämtern und die Setzung oder Vereinbarung von handlungsleitenden Rahmen- bedingungen in der für Soziales zuständigen Senatsver- waltung. Ergänzend wird dazu auf die Antworten zu 3. bis 5. verwiesen. Der Senat sieht keine Veranlassung, die derzeitige Praxis zu verändern und die Organisation der Woh- nungslosenhilfe auf Landesebene zu zentralisieren. 9. Über welche personellen Ressourcen verfügt die Berliner Hauptverwaltung im Bereich der Wohnungslo- senhilfe und -politik? Zu 9.: In der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sind aktuell drei Personen mit 2,5 Vollzeitäqui- valenten im Bereich Wohnungslosenhilfe/-politik tätig. Zu ihren Aufgaben gehören u. a. Grundsatzangelegenhei- ten der Wohnungslosenhilfe/–politik, rechtliche Grundsatzangelegenheiten zu §§ 67 ff SGB XII und der dazuge- hörigen Durchführungsverordnung, fachliche Angelegen- heiten im Zusammenhang mit zur Zeit 135 Einzelverein- barungen mit 51 Leistungsanbietern, fachliche Angele- genheiten aller Angebote der Wohnungslosen- und Straf- fälligenhilfe im Integrierten Sozialprogramm (ISP). 10. Inwiefern werden die Akteure der Berliner Woh- nungslosenhilfe in die Weiterentwicklung der Leitlinien für die Wohnungslosenpolitik miteinbezogen? 11. Warum ist das Vorhaben der Koalitionsfraktionen zur Weiterentwicklung der Leitlinien für die Wohnungs- losenpolitik nicht in die „Richtlinien der Regierungspolitik 2011-2016“ übernommen worden? Zu 10. und 11.: Die seit 2002 bestehende Berater- gruppe für die Leitlinien der Wohnungslosen-hilfe und – politik mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Verbänden, Bezirks-und Hauptverwaltungen, Arbeitskrei- sen und Wohnungswirtschaft wird erneut in die Leitlinie- nerarbeitung einbezogen. Das Leitbild des Ressorts Soziales sowie der Punkt „Sozialleistungen effektiver gestalten“ in den Richtlinien der Regierungspolitik enthalten Aussagen, die inhaltlich auch Themen der Leitlinien zur Wohnungslosenhilfe und –politik sein werden. Außerdem bestehen unmittelbare Bezüge zu anderen Fachverwaltungen und deren Zielset- zungen z. B. zur Mietenpolitik oder Jugendhilfe, da die Vermeidung und Behebung von Wohnungslosigkeit nur durch fachübergreifende Zusammenarbeit auf ver- schiedensten Ebenen gelingen kann. Deshalb wird auch ohne ausdrückliche Erwähnung der Leitlinien deutlich, dass der Senat ihnen eine große Bedeutung zumisst. Berlin, den 05. März 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Mrz. )