Drucksache 17 / 13 211 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Albers (LINKE) vom 10. Februar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Februar 2014) und Antwort Luftnummer Pflegekammer: Was will der Senator und wie sieht das der Senat? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Bei der Abstimmung unter den Pflegekräften zur Einrichtung einer Pflegekammer in Rheinland-Pfalz habe es, so der Gesundheits-Senator in der Sitzung des Ge- sundheitsausschusses vom 20.1.2014, eine Zustimmung der Befragten von 75,8% gegeben: a) Trifft es zu, dass sich für diese „repräsentative“ Befragung von den rd. 37.500 Beschäftigten in der Pflege in Rheinland-Pfalz ganze 9.324 Pflegekräfte haben registrieren lassen? b) Trifft es weiterhin zu, dass sich an der Abstim- mung letztlich nur noch 7.061 Beschäftigte betei- ligt haben? c) Hält der Senat die Zustimmung von 5.331 Befrag- ten, das sind etwa 14,2% aller in Rheinland-Pfalz in der Pflege Beschäftigten, für ein Ergebnis, dass Akzeptanz bei den Betroffenen für die Einrichtung einer solchen Kammer signalisiert? Zu 1a): Nach dem Abschlussbericht des vom Ministe- rium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz beauftragten Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e. V. vom Mai 2013 haben sich von etwa 38.500 Berufsangehörigen in den Berufen der Gesundheits- und Krankenpflege, der Ge- sundheits- und Kinderkrankenpflege, Krankenpflegehilfe, Altenpflege sowie der Altenpflegehilfe und rund 6.000 Schülerinnen und Schülern der genannten Berufe 9.321 Pflegekräfte im Zeitraum vom 17.12.2012 bis 25.03.2013 registrieren lassen. In einer aus datenschutzrechtlichen Gründen erst im Mai 2013 durchführbaren detaillierten Datenauswertung war sichtbar geworden, dass insgesamt drei Personen doppelt registriert wurden, aber jeweils nur einmal abgestimmt haben. Die im März 2013 veröffent- lichte Zahl an registrierten Pflegefachkräften war daher von 9.324 auf 9.321 zu korrigieren. Zu 1b): Laut des Abschlussberichtes des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung vom Mai 2013 haben 7.044 beruflich Pflegende und Schülerinnen sowie Schüler in dem Zeitraum vom 18.02.2013 bis zum 25.03.2013 an der Abstimmung teilgenommen. Das im März 2013 veröffentlichte vorläufige Endergebnis von 7.061 Stimmabgaben musste um 28 Stimmen korrigiert werden, weil sich bei der detaillierten Datenauswertung im Mai 2013 herausstellte, dass 28 registrierte Personen doppelt abgestimmt haben. In allen 28 Fällen war die doppelte Abstimmung aber identisch, d. h. unter ein und derselben Registrierungsnummer wurde jeweils zweimal entweder „Ja, …“ oder „Nein, …“ angekreuzt. Unter den 7.044 abgegebenen Stimmen waren elf auf- grund gleichzeitigem Ankreuzen von „Ja,…“ und „Nein,…“ oder wegen fehlender Lesbarkeit ungültig. Zu 1c): Letztlich wurden unter den gültigen Stimmen 5.335 „Ja-Stimmen“ und 1.698 „Nein-Stimmen“ abgegeben . Damit haben von den 7.033 gültigen Stimmen 75,9% für die Errichtung einer Pflegekammer in Rheinland-Pfalz votiert. Dies ist nach Auffassung des Senats durchaus ein Er- gebnis, das die Akzeptanz der Betroffenen für die Er- richtung einer Pflegekammer widerspiegelt, denn die zentrale Herausforderung bei dem Vorhaben der Regist- rierung und Befragung der in der Pflege beschäftigten und in der Ausbildung befindlichen Personen bestand darin, die bislang nicht zentral erfassten Berufsangehörigen überhaupt zu erreichen und zugleich sicherzustellen, dass nur berechtigte Personen über diese wichtige Frage ab- stimmen. Diesbezüglich wurden verschiedene Maßnah- men der Öffentlichkeitsarbeit ergriffen. So wurden mehr als 80.000 Info-Flyer vom Ministerium für Soziales, Ar- beit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland- Pfalz verteilt und mehr als 120 Informationsveranstal- tungen der Pflegeverbände und anderer Organisationen durchgeführt sowie rund 15.000 beruflich in der Pflege Beschäftigte und Schülerinnen und Schüler in Rheinland- Pfalz konnten direkt über diverse Maßnahmen angespro- chen werden. Knapp 13.000 Personen haben in dem Zeit- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 211 2 raum von Dezember 2012 bis März 2013 Kontakt zu der beim Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e. V. eingerichteten Befragungsstelle aufgenommen. Diese hat in dem gesamten Zeitraum rund 25.000 Schrei- ben an diejenigen versandt, die eine Registrierung bean- tragt hatten, darunter mehr als 6.000 Registrierungsunter- lagen, mehr als 9.000 Abstimmungsunterlagen und rund 11.000 Erinnerungsschreiben. Etwa 2.500 Telefonanrufe und Emailanfragen erreichten die Befragungs- und Re- gistrierungsstelle in dem Zeitraum. Alle Anfragenden wurden neutral und unter Wahrung der Anonymität bera- ten. Dreiviertel der Abstimmenden haben sich am Ende für die Errichtung einer Pflegekammer in Rheinland-Pfalz ausgesprochen. Auch wenn dies nur rund 14 % aller in Rheinland-Pfalz in der Pflege Beschäftigten sind, ist dies als großer Erfolg der Befragung und als Zustimmung zur Errichtung der Pflegekammer zu werten. Denn im Hin- blick auf die zahlreichen und vielfältigen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit zur Information und Sensibilisierung der betroffenen Pflegekräfte für das Thema kann davon ausgegangen werden, dass nahezu alle betroffenen Pfle- gekräfte über die Durchführung der Befragung Bescheid wussten. Wäre die Mehrheit der Pflegekräfte gegen die Errichtung einer Pflegekammer gewesen, hätten diese mit Sicherheit nicht einfach nur nicht an der Befragung teil- genommen, sondern aktiv dagegen gestimmt. Die bloße Nichtteilnahme der Mehrheit der Pflegekräfte an der Be- fragung darf deshalb keinesfalls als mangelnde Akzeptanz und fehlende Zustimmung zur Errichtung einer Pflege- kammer gewertet werden. Die Pflegekräfte hatten die Möglichkeit „Ja,…“ und „Nein,…“ zu wählen und von denen, die diese Möglichkeit genutzt haben, hat sich die klare Mehrheit dafür entschieden. Dieses eindeutige Vo- tum darf durch die Nichtwählerinnen und Nichtwähler nicht in Zweifel gezogen werden. 2. Trifft es zu, dass in Bayern bei einer entsprechen- den Umfrage, die die Fakultät für angewandte Sozialwis- senschaften der Hochschule München im Auftrag des bayrischen Gesundheitsministeriums durchgeführt hat, repräsentativ für die ca. 134.980 in Bayern in der Pflege Beschäftigten 1.118 Personen befragt wurden? a) Trifft es zu, dass davon lediglich 50% die Einrich- tung einer Pflegekammer befürwortet haben? b) Hält der Senat das positive Votum von 0,41% der in der Pflege Beschäftigten in Bayern für ein wei- teres Signal die Einrichtung einer Pflegekammer voranzutreiben? Zu 2.: Ja, nach dem Abschlussbericht der Hochschule München – Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften - vom November 2013 wurden in Bayern insgesamt 1.118 examinierte Pflegekräfte aus den vier Kernbereichen Krankenhaus, Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtung, Pflegeheim und ambulante Pflege befragt. Zu 2a): Ja, nach dem Abschlussbericht der Hoch- schule München – Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften - vom November 2013 sprachen sich 50% der insgesamt 1.118 Befragten für eine Pflegekammer aus. 34 % lehnten eine Pflegekammer ab und 16% waren noch unentschlossen. Zu 2b): Ja, das positive Votum der bayrischen Pflege- kräftebefragung ist als weiteres Signal für die Einrichtung einer Pflegekammer zu bewerten, denn der prozentuale Anteil der Zustimmung im Hinblick auf die Gesamtzahl der Pflegekräfte in Bayern darf nicht losgelöst von der Anlage des Projekts betrachtet werden. Das Projekt der bayrischen Pflegekräftebefragung sah von Anfang an vor, von der errechneten Gesamtzahl von 134.980 Pflegekräf- ten in Bayern nur 1.000 Pflegekräfte per Zufallsauswahl in den vier Kernbereichen Krankenhaus, Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtung, Pflegeheim und ambulante Pflege zu befragen. Schließlich wurden 1.118 Personen befragt. Der geringe Prozentsatz der Zustimmung zur Errichtung einer Pflegekammer beruht somit auf der An- lage des Projekts und nicht auf einer Verweigerungshal- tung der Pflegekräfte an einer Befragung teilzunehmen. Vielmehr haben sich 50 % der tatsächlich per Zufallsprin- zip befragten Pflegekräfte für die Einrichtung einer Pfle- gekammer ausgesprochen und 16 % waren noch unent- schieden. Jede zweite Pflegekraft in Bayern befürwortet demnach die Errichtung einer Pflegekammer. 3. Trifft es zu, dass bei einer ebensolchen Umfrage in Schleswig-Holstein 1.140 von 25.468 Beschäftigten be- fragt wurden und dass hier die Zustimmung durch 581 Befragte erfolgte, was immerhin einem Zustimmungsgrad von 2,3 % der in der Pflege Beschäftigten für die Ein- richtung einer Pflegekammer in Schleswig-Holstein ent- spricht? a) Ist aus Sicht des Senats auch dieses Ergebnis als „eindeutiges“ Votum pro Pflegekammer zu werten, so wie es die bundesweite Initiative „Pflegekammer jetzt“ auf ihrer Webseite propagiert? Zu 3.: Laut dem Abschlussbericht der TNS Infratest Sozialforschung GmbH vom 18.10.2013 wurden 1.170 von 25.468 Beschäftigen in Pflegeberufen in Schleswig- Holstein befragt und davon haben 617 ihre Zustimmung zur Errichtung einer Pflegekammer erklärt. Zu 3a): Ja, denn wie bei der bayrischen Pflegekräfte- befragung kann auch bei Befragung der Pflegekräfte in Schleswig-Holstein der geringe Prozentsatz der Zustim- mung im Verhältnis zur Gesamtzahlt der in Schleswig- Holstein beschäftigten Pflegekräfte nicht losgelöst von der Ausrichtung der Befragung betrachtet werden. Die von der TNS Infratest Sozialforschung GmbH durchge- führte Befragung war lediglich auf 1.000 per Zufall aus- gewählte Pflegekräfte angelegt. Am Ende wurden 1.170 Pflege-kräfte befragt. Von diesen tatsächlich befragten Pflegekräften stimmten 51% dafür und 25% waren un- entschieden. Auch in Schleswig-Holstein befürwortet somit jede zweite Pflegekraft die Einrichtung einer Pfle- gekammer. 4. Sind dem Senat weitere Ergebnisse entsprechender Umfragen, z.B. aus Hamburg, bekannt? Zu 4.: Ja. Von rund 25.000 Pflegekräften in Hamburg wurden im Auftrag der Behörde für Gesundheitsschutz und Verbraucherschutz von der Markt- und Meinungs- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 211 3 forschungsinstituts INFO GmbH 1.103 zufällig ausge- wählte ausgebildete Pflegekräfte sowie Auszubildende in Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege befragt. Von den Befragten sprachen sich lediglich 36% für die Grün- dung einer Pflegekammer aus, 48% lehnten eine Pflege- kammer ab und 16% konnten oder wollten keine Ent- scheidung treffen. Im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration führte die Infratest dimap eine Befragung von 1.039 in Pflegeberufen Beschäftigen in Niedersachsen durch. Von den Befragten stimmten 67% für die Errichtung einer Pflegekammer, 13% waren dagegen, 14% waren unent- schieden und 6% enthielten sich eine Abstimmung. In Sachsen führte der Sächsische Pflegerat eine lan- desweite Befragung durch. Es wurden 13.085 Fragebögen an Pflegekräfte in 41 Krankenhäusern, in zwei Reha- bilitationseinrichtungen, in 98 ambulanten Pflegediensten und in 22 Pflegeheimen ausgehändigt. 2.582 Fragebögen wurden ausgefüllt und zurückgesandt, was einer Rück- laufquote von 19,73% entspricht. Bezogen auf alle 40.321 in Sachsen tätigen Pflegekräfte lag die Rücklaufquote bei 6,36%. Von den 2.582 Pflegekräften erklärten 69,8% die Zustimmung zur Errichtung einer Pflegekammer. 7,5% der Pflegekräfte gaben an, dass die Errichtung einer Pfle- gekammer in Sachsen nicht notwendig ist und 22,7% der Pflegekräfte waren unentschieden. 5. Hält der Senat an seinen Plänen fest, auch in Berlin eine solche Umfrage zu starten? 6. Wenn ja, wie soll eine solche Umfrage in Berlin durchgeführt werden? a) Hält der Senat ein solches Befragungsdesign wie in Schleswig-Holstein oder Bayern für geeignet, eine valide Entscheidungsgrundlage für die Ein- richtung einer Pflegekammer, die ja immerhin mit einer „Zwangsmitgliedschaft“ aller in der Pflege Tätigen verbunden wäre, zu erhalten? Zu 5. und 6.: Ja, zur Evaluierung des Meinungsbildes im Berufsstand der Pflege ist in Berlin weiterhin eine Befragung der Pflegekräfte geplant. Derzeit laufen die Vorbereitungen zur Form und zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Befragung an, mit dem Ziel die Be- fragung noch in diesem Jahr zu starten. Das in Schleswig- Holstein oder Bayern angewandte Befragungsdesign per zufälliger, stichprobenartiger Befragung einer Anzahl von mindestens 1.000 in Pflegeberufen Beschäftigten ist durchaus als repräsentativ und als geeignete Grundlage für die Entscheidung über die Errichtung einer Pflege- kammer anzusehen. Ein ganz wesentliches Kriterium für die Aussagekraft einer Befragung ist nach Ansicht des Senats eine recht- zeitige, verständliche und umfassende Information mög- lichst aller Pflegekräfte über Inhalte, Möglichkeiten aber auch Verpflichtungen im Zusammenhang mit der mögli- chen Errichtung einer Pflegekammer, damit alle diejeni- gen, die mögliche Teilnehmerinnen oder Teilnehmer einer Befragung sind, auch genau wissen, worüber sie entschei- den und welche Argumente für sie selbst für oder gegen die Einrichtung einer Pflegekammer sprechen. 7. Wie steht der Senat überhaupt zur Einrichtung einer Pflegekammer? Zu 7.: In den letzten Jahren ist der Ruf nach einer Pflegekammer durch professionell in der Pflege Tätige immer lauter geworden. Sie fordern Selbstbestimmung, eine eigene Berufsordnung sowie verbindliche Beteili- gung in allen Fragen der beruflichen Pflege. Dieser Wunsch wird in Berlin von allen Berufsverbänden und vom Landespflegerat unterstützt. Doch es gibt unter- schiedliche Auffassungen darüber, inwieweit eine Pflege- kammer auch ein Modell für Berlin sein kann. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat mit Unterstützung des Landespflegerates Berlin-Branden- burg Anfang Dezember 2013 den Fachtag „Pflegekammer – Ein Modell für Berlin?“ veranstaltet. Die hohe Teilnehmerzahl und viele positive Rückmeldungen waren ein klarer Beleg für die Bedeutung, die das Thema Pfle- gekammer in Berlin hat. Im Ergebnis des Fachtages ist dem Senat äußerst wichtig, zu erfahren, wie die Pflegekräfte selbst über die Errichtung einer Pflegekammer denken und ob die Mehr- heit von ihnen eine solche befürwortet und mittragen möchte. Hierzu wird derzeit die Durchführung einer Be- fragung vorbereitet, die mit der erforderlichen und umfas- senden Information (siehe Antwort zu 6.) einhergeht. Die Befragung soll noch im Jahr 2014 erfolgen, das Ergebnis wird dann Grundlage für eine Positionierung des Senats zur Frage einer möglichen Einrichtung einer Pflegekam- mer sein. Berlin, den 10. März 2014 Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Mrz. 2014)