Drucksache 17 / 13 238 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Benedikt Lux (GRÜNE) vom 13. Februar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Februar 2014) und Antwort Verlängerter Gewahrsam in Berlin – Effizienz, Rechtssicherheit und Notwendigkeit Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Hat der Senat nach Beantwortung der Kleinen An- frage vom 27.10.2011 (Drucksache 17/10002) veranlasst, dass über den sogenannten Unterbindungsgewahrsam von Personen nach § 30 ASOG eine systematische Erfassung geführt wird, die zur Evaluation der Maßnahme geeignet ist? Wenn nein, wieso nicht? Zu 1.: Als Grundlage für die Einbringung von Perso- nen wird seit 2008 das Allgemeine Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG) in seiner Gesamtheit abgebildet. Eine differenzierte Betrach- tung nach § 30 ASOG kann daher nicht erfolgen. 2. Welche Schlussfolgerungen hat der Senat aus der Erkenntnis gezogen, dass in den Jahren 2006-2011 mehr als ein Drittel der beanstandeten Unterbindungsgewahr- same bei richterlicher Überprüfung als rechtswidrig ein- gestuft wurde (vgl. Drs. 17/10002)? Zu 2.: Unter Berücksichtigung der aktuellen Recht- sprechung werden die polizeilichen Maßnahmen regel- mäßig angepasst und die betroffenen Dienstkräfte sensibi- lisiert und auf die bestehende Rechtslage hingewiesen. In den Jahren 2012 und 2013 wurde in keinem Fall die Rechtswidrigkeit festgestellt. 3. Wie viele Fälle sind dem Senat in den Jahren 2012 und 2013 bekannt geworden, bei denen ein längerer Ge- wahrsam von Personen die Erfüllung von Tatbeständen nach § 30 ASOG Abs. 1 Ziffer 1-4 verhindert hätte? Zu 3.: Hierzu liegen keine Daten vor. 4. In wie vielen Fällen hat die Berliner Polizei in den Jahren 2012 bzw. 2013 wie viele Personen in Gewahrsam nach § 30 ASOG genommen? Zu 4.: Wie in der Antwort zu Frage 1 bereits darge- stellt, wird das ASOG in seiner Gesamtheit als Einbrin- gungsgrund erfasst. Im Jahr 2012 wurde bei 2212 und im Jahr 2013 bei 1554 Personen der Einbringungsgrund ASOG erfasst. 5. In wie vielen dieser Fälle wurde der Gewahrsam durch richterliche Anordnung bestätigt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Zu 5.: Der Gewahrsam nach § 30 ASOG wurde im Jahr 2012 in 25 Fällen und im Jahr 2013 in 177 Fällen richterlich bestätigt. 6. In wie vielen dieser Fälle wurde die Freiheitsent- ziehung durch den zuständigen Richter für unzulässig erklärt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? Zu 6.: Der Gewahrsam nach § 30 ASOG wurde im Jahr 2012 in 23 Verfahren und im Jahr 2013 in 33 Verfah- ren als unzulässig verworfen bzw. als unbegründet zu- rückgewiesen. 7. In wie vielen dieser Fälle war die Freiheitsentzie- hung vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung been- det? In wie vielen dieser Fälle hat der Betroffene eine richterliche Entscheidung zur nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme gem. § 31 Abs. 2 ASOG beantragt? In wie vielen dieser Fälle hat das zu- ständige Gericht die Rechtswidrigkeit festgestellt? Zu 7.: Zur ersten Teilfrage liegen keine Daten vor. In den Jahren 2012 und 2013 haben Betroffene in zwei Fäl- len eine richterliche Entscheidung zur nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme gem. § 31 Abs. 2 ASOG beantragt. In keinem Fall hat das zu- ständige Gericht die Rechtswidrigkeit festgestellt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 238 2 8. Über welchen Zeitraum erstreckte sich jeweils der angeordnete Unterbindungsgewahrsam? Wie lang war die durchschnittliche Dauer der freiheitsentziehenden Maß- nahmen? Zu 8.: Hierzu liegen keine Daten vor. Hinsichtlich der durchschnittlichen Dauer der freiheitsentziehenden Maß- nahmen verweise ich auf die Ausführungen in der Beant- wortung der Drucksache 17/10002 zu der damaligen iden- tischen Fragestellung. Die im Berliner Polizeigesetz gere- gelte Höchstdauer des Unterbindungsgewahrsams unter- liegt im Ländervergleich den strengsten Voraussetzungen. So ist die festgehaltene Person im Land Berlin spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen zu entlassen (§ 33 Abs. 1 Nr. 3 ASOG), während in den Polizeigeset- zen anderer Länder die Person mit richterlicher Entschei- dung bis zu zwei Wochen oder gar ohne Höchstfrist fest- gehalten werden kann. 9. Was waren die Gründe für die Anordnung des Un- terbindungsgewahrsams (bitte aufschlüsseln, etwa nach Abs. 1 Zif. 1. – 4., Abs. 2, Abs. 3)? Zu 9.: Hierzu liegen keine Daten vor. In diesem Zu- sammenhang wird auf die Antwort zu der wortgleichen Frage 6 der Drucksache 17/10002 verwiesen. 10. Hält der Senat an der in der Koalitionsvereinba- rung von SPD und CDU vereinbarten Ausweitung der zulässigen Dauer eines Unterbindungsgewahrsams von 24 auf 48 Stunden fest? Wenn ja: Auf welche Studien und Erkenntnisse stützt der Senat seine Haltung und wie be- gründet er den Eingriff in die Bürgerrechte der Betroffe- nen? Zu 10.: Ja. Die Ausweitung ist unerlässlich, um die bevorstehende Begehung von Straftaten insbesondere im Umfeld länger andauernder Großlagen, Versammlungen oder Großveranstaltungen zu verhindern. 11. Plant der Senat eine Evaluation der bisherigen Re- gelungen zum Unterbindungsgewahrsam in Hinblick auf die Effizienz der Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, zur Rechtssicherheit der Maßnahmen und zur Abwägung mit den Bürgerrechten der Betroffenen vor einer Veränderung der geltenden Regelungen? Wenn nein, wieso nicht? Wenn ja, wann und wie soll diese Evaluation erfolgen? Zu 11.: Nein. Die derzeitigen Regelungen haben sich In ihrem Anwendungsbereich bewährt. Der Senat sieht daher keinen Anlass, diese Regelungen zu evaluieren. Eine gesetzliche Pflicht zur Evaluation besteht nicht. Berlin, den 14. März 2014 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Mrz. 2014)