Drucksache 17 / 13 246 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christopher Lauer und Oliver Höfinghoff (PIRATEN) vom 17. Februar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Februar 2014) und Antwort Einsatz von Pfefferspray und anderen Reizstoffen (III) Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Einsätze von Pfefferspray (Pelargonsäu- revanillylamid – PAVA) durch die Berliner Polizei gab es im Jahr 2013 zu welchen Ereignissen wie Versammlun- gen, Sportveranstaltungen, häuslicher Gewalt usw. in Berlin? (Bitte nach Anlass aufschlüsseln.) Zu 1.: Im Jahr 2013 wurden im Polizeilichen Landes- system für Information, Kommunikation und Sachbear- beitung (POLIKS) 499 Vorgänge angelegt, in denen die Verwendung von Pfefferspray dokumentiert ist. Anlässe Anzahl Amtshilfe 9 Demonstrative Aktionen 50 Fußball 19 Häusliche Gewalt 29 Hilflose Person 9 Keine Angaben 26 Ordnungswidrigkeit 8 Personalienfeststellung 9 Sonstige Veranstaltungen 7 Randalierende Person 32 Schlägerei 12 Selbsttötungsversuch 7 Sonstiger Anlass 25 Straftat 205 Streitigkeiten 11 Unterstützung Polizeibeamtin/ Polizeibe- amter 13 Verdächtige Feststellung 16 Verkehrsmaßnahmen 12 2. Wie viele Einsätze in Berlin von Pfefferspray und anderen Reizstoffen verliefen 2013 aus polizeilicher Per- spektive erfolgreich/nicht erfolgreich? (Bitte aufschlüs- seln nach Reizstoff und Androhung mit/ohne Erfolg so- wie Einsatz mit/ohne Erfolg.) Zu 2.: Es wurde als Reizstoff ausschließlich Pfeffer- spray eingesetzt. Der Verwendungserfolg zum Einsatz des Reiz- stoffsprühgerätes (RSG) wird wie folgt aufgeschlüsselt: Einsatz mit Erfolg 335 Einsatz ohne Erfolg 92 Androhung mit Erfolg 56 Androhung ohne Erfolg 16 3. Wie viele Personen waren in den Jahren seit 2011 durch den jeweiligen Einsatz von Pfefferspray und ande- ren Reizstoffen durch die Berliner Polizei – insbesondere im Zusammenhang mit Versammlungen – betroffen? Zu 3.: Die Zahlen über Betroffene (Verletzte) im Zu- sammenhang mit dem Einsatz von Pfefferspray werden nicht erfasst (vgl. hierzu Kleine Anfrage Nr. 17/11898 des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (PIRATEN) vom 15. April 2013, Frage Nr. 11 und Kleine Anfrage Nr. 17/12172 des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (PIRA- TEN) vom 3. Juni 2013, Frage Nr. 1). 4. Wurden in den Jahren seit 2011 andere Reizstoffe als Pfefferspray durch die Berliner Polizei eingesetzt? In der Antwort zu Frage 7 der Kleinen Anfrage 17/11898 wurde dies offengelassen. Wenn ja, welche? (Bitte auf- schlüsseln nach Jahr, Reizstoff und Anlass.) Zu 4.: Nein. 5. Gibt es eine einheitliche Matrix zur Erfas- sung/Dokumentation des Einsatzes von Pfefferspray und anderen Reizstoffen durch die Polizei? Wenn ja, bitte im Originalwortlaut beifügen. Zu 5.: Die Erfassung erfolgt im Rahmen der Fertigung einer Strafanzeige im POLIKS nach dem als Anlage 1 beigefügten Muster. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 246 2 6. Warum wird der Einsatz von Pfefferspray und an- deren Reizstoffen durch die Berliner Polizei im Rahmen von Einsätzen außerhalb Berlins nicht erfasst (vgl. Ant- wort zu Frage 7 der Kleinen Anfrage 17/11898)? Was steht einer statistischen Erfassung bislang entgegen? Zu 6.: Es handelt sich bei Einsätzen außerhalb Berlins um Unterstützungseinsätze auf Anforderung anderer Bundesländer. Eine Erfassung über den Einsatz von Pfef- ferspray richtet sich nach den Vorgaben des anfordernden Bundeslandes im Rahmen der Einsatzdokumentation und wird im POLIKS nicht erfasst. 7. Wie wird sichergestellt, dass Pfefferspray bei Einsätzen im Zusammenhang mit Versammlungen gezielt gegen einzelne „Störer*innen“ und nicht großflächig gegen ganze Personengruppen eingesetzt wird? Zu 7.: Der Einsatz des RSG gegen einzelne Personen und Personengruppen wird im Gesetz über die Anwen- dung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung öffentli- cher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin (UZwG Bln) i.V.m. den Ausführungsvorschriften für Vollzugsbeamte der Polizeibehörde zum UZwG Bln (AV Pol UZwG Bln) geregelt und obliegt der Einzelfallent- scheidung der Einsatzkräfte vor Ort. Die bei der Polizei Berlin verwendeten Reiz- stoffsprühgeräte RSG 3 und 4 besitzen einen Sprühstrahl, der geeignet ist, Pfefferspray gegen einzelne Personen einsetzen zu können. 8. Wie viele verletzte Polizist*innen hat es im Jahr 2013 im Zusammenhang mit Einsätzen von Pfefferspray und anderen Reizstoffen durch Kolleg*innen gegeben, welcher Art waren die Verletzungen und wie kamen sie jeweils zustande (falsche Anwendung, Wind etc.)? (Bitte aufschlüsseln nach Jahr und Anlass.) Zu 8.: Im Jahr 2013 wurden durch insgesamt acht Dienstkräfte Unfallanzeigen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pfefferspray aufgegeben. Eine statistische Erfassung, bei welchem Anlass bzw. durch welche Perso- nen die Verletzungen entstanden sind, erfolgt nicht. Die angezeigten Verletzungen betrafen Reizungen der Augen, der Haut und der Atemwege. 9. Welche Verletzungen können nach Erkenntnissen des Senats auftreten, wenn der Mindestabstand bei einem Einsatz von Pfefferspray und anderen Reizstoffen zum „polizeilichen Gegenüber“ nicht eingehalten wird? (Bitte Einzelaufschlüsselung nach Reizstoff und Reizstoffsprüh- gerät.) Zu 9.: Es sind bisher keine Fälle von bleibenden Schädigungen der Haut, der Augen oder der Atemwege durch den alleinigen Einsatz von Pfefferspray bekannt. Des Weiteren wird auf die Antwort und die beigefügte Anlage zur Frage 12 der Kleinen Anfrage 17/11898 vom 15. April 2013 verwiesen. 10. Welche Verletzungen sind in den Jahren seit 2011 in Folge des Einsatzes von Pfefferspray und anderen Reizstoffen aufgetreten, weil Polizist*innen den vorge- schriebenen Mindestabstand nicht eingehalten haben? Zu 10.: Die Zahlen über Verletzte im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pfefferspray werden nicht erfasst. Es wird auf die Antwort zur Frage 11 der Kleinen Anfrage 17/11898 vom 15. April 2013 sowie auf die Antwort zur Frage 1 der Kleinen Anfrage 17/12172 vom 3. Juni 2013 verwiesen. 11. In den Informationen des Polizeipräsidenten von Berlin zur Erstversorgung von Leicht- und Schwerverletz- ten nach Anwendung des Pfeffersprays wird beschrieben, dass bei Allergiker*innen und Asthmatiker*innen die Gefahr besonders groß ist, dass sich Atembeschwerden entwickeln und mit bedrohlichen gesundheitlichen Zu- ständen zu rechnen ist. Wie stellt die Berliner Polizei im Einsatz sicher, dass diese gesundheitlich besonders ge- fährdeten Personengruppen möglichst nicht Pfefferspray ausgesetzt werden? Zu 11.: Erkrankungen sind vor Ort nicht diagnosti- zierbar, in den wenigsten Fällen vorher bekannt und ma- chen hinsichtlich der Angriffsintensität für die betroffene Dienstkraft und/oder anderer beteiligter Menschen keinen Unterschied. Die Verteidigungsintensität bzw. die Intensität der Zwangsmittelanwendung muss sich grundsätzlich an der Intensität des Angriffs bzw. des Widerstandes gegen eine rechtmäßige Maßnahme orientieren, unabhängig von der Tätermotivation und/oder -erkrankung. 12. Wie häufig hat die Berliner Polizei seit 2011 ärzt- liche Versorgung für das „polizeiliche Gegenüber“ bei Einsätzen von Pfefferspray und anderen Reizstoffen im Zusammenhang mit Versammlungen geleistet? Zu 12.: Die Polizei Berlin führt hierüber keine Statis- tik. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 246 3 13. Wie stellt die Berliner Polizei sicher, dass Perso- nen, die Pfefferspray ausgesetzt waren, während der kriti- schen Zeit der ersten 45 Minuten ständig überwacht wer- den, wie es die o.g. Informationen zur Erstversorgung von Leicht- und Schwerverletzten nach Anwendung des Pfef- fersprays vorsehen? Zu 13.: Nach § 5 UZwG Bln i.V.m. den AV Pol UZwG, Nr. 19-21, ist den bei der Anwendung unmittelba- ren Zwanges Verletzten Beistand zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen, sobald es die Lage zulässt. Grundsätzlich dauert die Pflicht zur Beistandsleistung und Verschaffung ärztlicher Hilfe durch die Dienstkräfte solange an, wie die Wirkung anhand der Symptome nach dem Pfeffersprayeinsatz wahrnehmbar anhält. Daher ist der zeitliche Rahmen der Betreuungspflicht von 45 Minu- ten als Maximalgrenze definiert. Hiervon kann abgewichen werden, wenn  die Person auf ärztliche Hilfe verzichtet,  sie sich selbst in ärztliche Behandlung begibt oder  die Person sich in einer dynamischen Lage vom Ort entfernt oder in einer Menschenmenge unter- taucht. Im Regelfall wird von den eingesetzten Dienstkräften weit vor Ablauf der Maximalgrenze von 45 Minuten ärztliche Hilfe angefordert. Sofern die Symptome länger als 45 Minuten anhalten, ist immer ein Arzt zu konsultie- ren. 14. Welches Ziel verfolgt die Polizei mit dem Einsatz von Pfefferspray? Kann dieses Ziel nach Ansicht der Berliner Polizei auch ohne Pfefferspray erreicht werden? Wenn ja, womit? Wenn nein, warum nicht? Zu 14.: Ziel ist die Einwirkung auf Personen  bei Vorliegen eines rechtswidrigen Angriffs,  bei Widerstandshandlungen,  in Festnahmesituationen bzw.  in Bedrohungslagen. Der Einsatz von Pfefferspray soll es der Polizei Berlin ermöglichen, Personen aus der Distanz gezielt und schnell in einen angriffsunfähigen Zustand zu versetzen. Pfeffer- spray ist gem. § 2 Abs. 3 UZwG Bln ein Hilfsmittel der körperlichen Gewalt und schließt die vorhandene Lücke zwischen körperlicher Gewalt und dem Gebrauch von Waffen. 15. Trifft es zu, dass Pfefferspray aus polizeitaktischer Sicht nicht nur zur Deeskalation, sondern auch zur Eska- lation bei Versammlungen und Großlagen eingesetzt wird? Wenn ja, warum? Zu 15.: Nein. Berlin, den 07. März 2014 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Mrz. 2014) Anlage 1 zur Frage 5 der Schriftlichen Anfrage Nr.: 17/13246 Pfefferspray III vom 17. Februar 2014 Einheitliche Matrix zur Erfassung des Einsatzes von Pfefferspray – Auszug aus der Eingabemaske einer Strafanzeige in der Vorgangsbearbeitung (POLIKS) S17-13246 ka17-13246Anl