Drucksache 17 / 13 263 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Albers (LINKE) vom 19. Februar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Februar 2014) und Antwort Wie weiter im Haus der Gesundheit? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft auch Sachverhalte, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kennt- nis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Anfrage zukommen zu lassen und hat daher soweit dies erforderlich und möglich war, die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV Berlin) um eine Stellungnahme gebeten, die von dort in eigener Verant- wortung erstellt und dem Senat übermittelt wurde. Bei der Beantwortung der einzelnen Fragen wird darauf hinge- wiesen. 1. Wie ist der aktuelle Stand in der Frage der beab- sichtigten Verlagerung der Arztsitze aus dem Haus der Gesundheit in Mitte nach Marzahn-Hellersdorf. Zu 1.: Die KV Berlin hat hierzu ausgeführt, dass dem Zulassungsausschuss ein Antrag auf Trägerwechsel zum 01.07.2014 mit gleichzeitiger Verlagerung der Einrich- tung nach Marzahn vorläge. Derzeit fänden Gespräche statt, einen Teil der Arztsitze an einen weiteren Kranken- hausträger zu übertragen, der diesen Teil weiter vor Ort betreiben will. 2. Ist mittlerweile ein entsprechender Antrag der Sana- AG beim zuständigen Zulassungsausschuss eingegangen? Zu 2.: Laut der KV Berlin liegt der ursprüngliche An- trag vor. Der modifizierte Antrag wird in den nächsten Tagen erwartet. 3. Wann ist mit einer Entscheidung in dieser Angele- genheit zu rechnen? Zu 3.: Nach Angaben der KV Berlin strebt der Zulas- sungsausschuss eine Entscheidung noch im März diesen Jahres an. 4. Nach § 24 Absatz 7 der geltenden Zulassungsord- nung für Ärzte darf der Verlagerung eines Arztsitzes nur noch zugestimmt werden, wenn Gründe der vertragsärzt- lichen Versorgung dem nicht entgegenstehen. Teilt der Senat die Auffassung, dass diese Neufassung der Zulas- sungsordnung, die seit dem 1.1.2012 gilt, dahingehend auszulegen ist, dass die Genehmigung der Verlegung eines Arztsitzes nun im Ermessen des Zulassungsaus- schusses liegt und dieser dazu jetzt positiv feststellen muss, dass unter Versorgungsgesichtspunkten die ge- wünschte Verlegung nicht nachteilig ist? Zu 4.: Die Regelung der Zulassungsordnung ist kor- rekt wiedergegeben. Dem Zulassungsausschuss kommt demnach eine stärkere Überprüfungsmöglichkeit und -pflicht zu. Um dem Zulassungsausschuss die Arbeit zu erleichtern, um eine größtmögliche Rechtssicherheit zu erreichen und um dem Ziel einer gleichmäßigeren Ver- sorgung näher zu kommen, haben die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, die Krankenkassen und die KV Berlin gemeinsam einen „Letter of Intent“ erarbeitet, der dem Zulassungsausschuss als Entscheidungshilfe zur Verfügung steht. 5. Trifft es zu, dass eine für die Kassenärztliche Ver- einigung Berlins erstellte Untersuchung der Beuth- Hochschule zur Analyse der aktuellen und prognostischen Entwicklung kleinräumiger Versorgungsgrade für den Planungsraum Karl-Marx-Allee zu der Schlussfolgerung kommt, dass die von der Sana-AG angestrebte Verlegung der Arztsitze aus dem Haus der Gesundheit zu einer er- heblichen Unterversorgung in dem angrenzenden Wohn- gebiet nicht nur im hausärztlichen Bereich führen würde? Zu 5.: Das im Auftrag der KV Berlin von der Beuth- Hochschule erstellte Gutachten betrachtet ärztliche Ver- sorgung auf der Planungsraumebene. Das Haus der Ge- sundheit befindet sich im Planungsraum 01011304 Karl- Marx-Allee in Mitte, geplant ist der Umzug in den Pla- nungsraum 10030725 Buckower Ring in Marzahn- Hellersdorf. Im Planungsraum Buckower Ring ist der ärztliche Versorgungsgrad für alle im Gutachten betrach- teten Arztgruppen derzeit niedriger als im Planungsraum Karl-Marx-Allee. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 263 2 Sofern man den Maßstab der Über- und Unterversor- gung derart kleinräumig ansetzen möchte, ist nach Aussa- gen des Gutachtens der Planungsraum Buckower Ring derzeit mit allen betrachteten Arztgruppen unterversorgt, der Planungsraum Karl-Marx-Allee lediglich mit Internis- ten. Nach dem Umzug wäre der Planungsraum Buckower Ring immer noch unterversorgt mit Augenärztinnen und Augenärzten, Gynäkologinnen und Gynäkologen und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, der Pla- nungsraum Karl-Marx-Allee mit Hausärztinnen und Hausärzten, Neurologinnen und Neurologen, Psychiate- rinnen und Psychiatern und Urologinnen und Urologen. Diese Aussagen gelten jedoch nur bei isolierter Be- trachtung der Planungsräume. Eine derartig kleinräumige Versorgungsplanung ist nicht sinnvoll, die Verteilung der in manchen Arztgruppen rund 300 Fachärztinnen und Fachärzte auf 447 Planungsräume in Berlin muss zwangs- läufig scheitern. Laut Bedarfsplanungsrichtlinie ist für einen Versorgungsgrad von 100 % beispielsweise eine Fachinternistin oder ein Fachinternist auf 21.508 Einwoh- nerinnen und Einwohnern vorgesehen, die Bevölkerungs- zahl der beiden fraglichen Planungsräume liegt mit 8.279 Einwohnerinnen und Einwohnern (Karl-Marx-Allee) bzw. 5.863 Einwohnerinnen und Einwohnern (Buckower Ring) erheblich darunter. 6. Macht sich der Gesundheitssenator die Erkenntnisse aus dieser Untersuchung zu eigen und welche Konse- quenzen zieht er daraus? 7. Wie positioniert sich der Senat in dieser Frage? Zu 6. und 7.: Zu dem Gutachten der Beuth-Hoch- schule sind folgende Feststellungen zu treffen: 1. Die Betrachtung auf Planungsraumebene ist wie un- ter 5. begründet zu kleinräumig. Je kleinräumiger die Betrachtung erfolgt, desto größere Disparitäten treten zu Tage. Die Planung für Berlin als Millionenstadt mit her- vorragender Infrastruktur muss jedoch nach Augenmaß auf einer räumlichen Ebene erfolgen, auf der Steuerung sinnvoll und machbar ist. 2. Ein Umzug des Hauses der Gesundheit von Mitte nach Marzahn-Hellersdorf würde im Vorher-Nachher- Vergleich selbst auf der vom Gutachten gewählten Ebene der Planungsräume zu einer ausgewogeneren Versor- gungsstruktur führen. 3. Um diese Erkenntnis zugunsten einer Argumentati- on für den Verbleib des Hauses der Gesundheit in Mitte abzuschwächen, werden im Gutachten selektiv benach- barte Planungsräume in die Betrachtung einbezogen – je nach Blickwinkel hätten auch andere Nachbar-Regionen ausgewählt werden können, z. B. der extrem überversorg- te, aber an den Planungsraum Karl-Marx-Allee direkt angrenzende Planungsraum 01011303 Alexanderplatz- viertel, der zudem dem jetzigen Standort des Hauses der Gesundheit am dichtesten benachbart ist. 4. Es wird mit der sehr heterogenen Bevölkerungs- und Sozialstruktur in Mitte argumentiert, dieses Argu- ment trifft allerdings auf Marzahn-Hellersdorf in gleicher Weise zu. 5. Es wird damit argumentiert, die Einbeziehung von Sozial- und Umweltfaktoren würde zu einer ungünstige- ren Beurteilung der Versorgungsgrade in Mitte gegenüber Marzahn-Hellersdorf führen. Hier wird allerdings die sonst für die Argumentation herangezogene kleinräumige Ebene verlassen, denn der Planungsraum Karl-Marx- Allee weist eine günstigere Sozialstruktur auf als der Planungsraum Buckower Ring. Aus den angeführten Gründen können die im Gutach- ten gezogenen Schlussfolgerungen nicht mitgetragen werden. Im Oktober 2013 haben die Senatsverwaltung für Ge- sundheit und Soziales Berlin, die KV und die Kranken- kassen in einem „Letter of Intent“ eine Versorgungssteuerung auf Ebene der zwölf Berliner Verwaltungsbezirke mit dem Ziel einer gleichmäßigeren ambulanten vertrags- ärztlichen Versorgung in den Berliner Bezirken beschlos- sen. Umzüge sollen demnach nur von Bezirken mit höhe- rem Versorgungsgrad in Bezirke mit niedrigerem Versor- gungsgrad zugelassen werden. Dies trifft bei einem Um- zug des Hauses der Gesundheit von Mitte nach Marzahn- Hellersdorf für alle betroffenen Arztgruppen zu, insofern steht dem Umzug aus dieser Perspektive nichts entgegen. Sofern sich nicht nach § 35 der Bedarfsplanungsrichtlinie ein zusätzlicher lokaler Versorgungsbedarf feststellen lässt, wofür sich aus unserer Sicht keine Anhaltspunkte ergeben, lässt sich aus den im „Letter of Intent“ getroffenen Vereinbarungen keine Entscheidung gegen eine Ver- lagerung der Arztsitze aus dem Haus der Gesundheit von Mitte nach Marzahn-Hellersdorf begründen. Die durch den „Letter of Intent“ erzielte Steuerungswirkung wird in den Jahren 2014 und 2015 evaluiert. Erste Ergebnisse hierzu sind im zweiten Halbjahr 2014 zu erwarten. Erst nach der Evaluation der Versorgungssteue- rung in der vereinbarten Form können weitere Empfeh- lungen für Maßnahmen zur Erzielung und Absicherung einer gleichmäßigeren ambulanten vertragsärztlichen Ver- sorgung in Berlin abgegeben werden. Berlin, den 10. März 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Mrz. 2014)