Drucksache 17 / 13 267 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Jasenka Villbrandt (GRÜNE) vom 19. Februar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 20. Februar 2014) und Antwort Umlagefinanzierung und Schulgeldbefreiung der Altenpflegeausbildung in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. In welcher Form hat der Senat die Voraussetzun- gen für eine Umlagefinanzierung der Altenpflegeausbil- dung in Berlin nach § 25 Altenpflegegesetz geprüft? Wel- che Institution hat die Bestandsaufnahme durchgeführt? Liegt ein schriftliches Dokument dazu vor? Was waren im Einzelnen die Ergebnisse? Zu 1.: Nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) gibt es in der Altenpflege zurzeit 987 anerkannte Ausbildungseinrichtungen, die 1- 25 Ausbildungsplätze anerkannt bekommen haben. Durchschnittlich kann danach von mindestens 10 Ausbil- dungsplätzen je Ausbildungseinrichtung ausgegangen werden, so dass sich eine Zahl von fast 10.000 potentiel- len praktischen Ausbildungsplätzen im Bereich der Al- tenpflege ergibt. Dem LAGeSo ist in Gesprächen mit der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft und mit den Schulen nicht bekannt geworden, dass in Berlin Auszubildende in der Altenpflege keinen Ausbil- dungsplatz gefunden haben. In der Vergangenheit wurden vom LAGeSo jährlich circa 460 Altenpflegeurkunden erteilt. Aus dem Verhältnis von jährlich erteilten Alten- pflegeurkunden und potentiellen praktischen Ausbil- dungsplätzen ergibt sich, dass erheblich mehr praktische Ausbildungsplätze in Berlin in der Altenpflege zur Verfü- gung stehen, als Bewerberinnen und Bewerber vorhanden sind. Eine Umlagefinanzierung können die Bundesländer nach § 25 Altenpflegegesetz (AltPflG) nur einführen, wenn sie erforderlich ist, um einen Mangel an Ausbil- dungsplätzen zu verhindern. Ein Mangel an Ausbildungs- plätzen besteht nach den genannten Zahlen aber eindeutig nicht. Zudem gibt es mit über 20 Berufsfachschulen für Altenpflege mehr als ausreichend Schulplätze für die Altenpflegeausbildung. 2. Ziel der „Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive für Fachkräftesicherung in der Altenpflege“ des Senates ist „ein breites und hochwertiges Angebot der Altenpflege für alle Bürgerinnen und Bürger im Lande Berlin“. Mit wie vielen pflegebedürftigen Menschen rechnet der Senat für die Zukunft in Berlin (2020, 2030, 2040, 2050), für die ein solches Angebot vorgehalten werden soll? Mit welcher Methodik ermittelt der Senat regelmäßig künftige Pflegebedarfe? Zu 2.: Es wird Bezug genommen auf die Ausführun- gen im Landespflegeplan 2011 der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Danach basieren generell die im Landespflegeplan gemachten Angaben zur demografi- schen Entwicklung der Alters- und Pflegestruktur in der Berliner Bevölkerung und den damit verbundenen Anfor- derungen an die Versorgungsstruktur im Land Berlin einerseits auf der Erhebung des Statistischen Landesamtes zur Bundespflegestatistik 2009, andererseits auf einer Zusatzerhebung der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in vollstationären Langzeitpflegeeinrichtungen in Berlin zum Stichtag 15.12.2009 und zum ersten Quartal 2010 sowie auf den Bevölkerungsprognosen der Senats- verwaltung für Stadtentwicklung für die Jahre 2007 bis 2030 (s. S. 3, SenGesSoz, Pflege- und pflegeunterstützen- de Angebote in Berlin, Landespflegeplan 2011, Jan. 2012; https://www.berlin.de/imperia/md/content/pflege/lpp2011 .pdf?start&ts=1361178585&file=lpp2011.pdf). Insbesondere unter Berücksichtigung der Bevölke- rungsprognose der Senatsverwaltung für Stadtentwick- lung und der prognostizierten Veränderungen in der Al- tersstruktur der Berliner Bevölkerung bis zum Jahr 2030 wird für 2030 von einer Zahl an pflegebedürftigen Men- schen nach dem Pflegeversicherungsgesetz SGB XI in Höhe von ca. 170.000 ausgegangen. Auch die Zahl der Pflegebedürftigen mit Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII wird voraussichtlich auf ca. 40.000 bis 2030 zunehmen (ebenda, S. 5). Zu den methodischen Unsicherheiten der Prognosen wird auf die Veröffentlichung der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, Gesundheitsberichterstattung, Diskussionspapier 34, Oktober 2009, S. 18 ff. verwiesen: http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-statistik- ges- soz/gesundheit/dp/dp_34.pdf?start&ts=1327047522&file =dp_34.pdf Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 267 2 3. Laut Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit waren in Berlin im Dezember 2013 1.127 Stellen in der Altenpflege unbesetzt. Mit 114 Tagen durchschnittlicher Vakanzzeit ist es der Beruf mit dem stärksten Fachkräf- temangel. Mit welchem Bedarf an Altenpflegepersonal rechnet der Senat für die kommenden Jahre (2020, 2030, 2040, 2050, zu bemessen an unbesetzten Vollzeitstellen in stationären, teilstationären und ambulanten Einrichtun- gen)? Zu 3.: Nach Auskunft der Regionaldirektion Berlin Brandenburg liegen der Bundes-agentur für Arbeit keine Daten zum künftigen Bedarf an Altenpflegerinnen und Altenpflegern vor. Der von der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen geförderten Expertise der Wert.Arbeit GmbH „Die Altenpflege in Berlin – Ein Report zur Situation und den Entwicklungsperspektiven der Branche“, kann folgende Information entnommen werden: „Knapp 30 % aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Ge- sundheit- und Sozialwesen in Berlin waren 2012 in der Altenpflege beschäftigt. Aufgrund der demografischen Entwicklung ist ein weiteres Beschäftigungswachstum der Branche zu erwarten. Eine Prognose auf Grundlage der Pflegestatistik des Statistischen Bundes-amtes und der Bevölkerungsvorausberechnung (2012) geht von einer Erhöhung des in Vollzeit beschäftigten Pflegepersonals in stationären Einrichtungen in Berlin von 9.500 in 2011 auf 15.600 in 2030 aus. Auch bei den Teilzeitbeschäftigten sind Zuwächse von 7.900 in 2011 auf 13.000 in 2030 zu erwarten. Ähnliche Entwicklungen werden in Berlin in der ambulanten Pflege angenommen.“ Quelle: http://www.wertarbeitgmbh.de/projekte.php?id=15 4. Wie groß ist das Pflegepotenzial des Jahrgangs 2013/2014 in Berlin, d. h., mit wie vielen Examina in der Altenpflege ist zu rechnen? Zu 4.: Laut Angaben der Senatsverwaltung für Bil- dung, Jugend und Wissenschaft sind die Berufsfachschu- len für Altenpflege in Berlin nicht an die Ferienregelung des Landes gebunden, so dass sie unabhängig vom Be- ginn des Schuljahres mit der Ausbildung ganzjährig be- ginnen können. Im abgelaufenen Jahr 2013 wurden 697 Auszubildende der Altenpflege zur Prüfung zugelassen. Davon haben 672 Auszubildende die Prüfung bestanden und 25 Auszubildende die Prüfung endgültig nicht be- standen (3,7%). Im Vergleich dazu wurden 2012 nur 574 Auszubildende zur Prüfung zugelassen, von denen 492 die Prüfung bestanden haben und 2011 haben von 493 zur Prüfung zugelassenen 450 die Prüfung bestanden. Eine Prognose für 2014 kann nicht abgegeben werden. Da sich insgesamt die Zahl der Auszubildenden in 2013 wei- ter erhöht hat, ist auch mit einer weiteren Erhöhung der Abschlusszahlen zu rechnen. 5. Wird die Zahl dieser AbsolventInnen den Sofort- bedarf decken? 6. Ist bei unveränderten Rahmenbedingungen davon auszugehen, dass die kommenden Jahrgänge den künfti- gen Personalbedarf in der Altenpflege decken werden? Falls nein, wie steuert der Senat dem entgegen? 7. Wie stellt der Senat sicher, dass genug Altenpfle- geschülerInnen die Ausbildung absolvieren, um den So- fortbedarf und den künftigen Bedarf an AltenpflegerInnen in Berlin zu decken? Welche Maßnahmen wurden im Handlungsfeld 3 der Landesoffensive („Die Attraktivität der Ausbildung steigern“), bisher ergriffen und mit welchen Indikatoren wird ihr Erfolg bemessen? Zu 5., 6. und 7.: Mit der Altenpflegekampagne zur Aufwertung des Altenpflegeberufes und zur Steigerung der Berliner Ausbildungszahlen zur Altenpflegekraft leistet Berlin in 2014 seinen Beitrag zur Umsetzung der im Dezember 2012 beschlossenen „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege 2012-2015“ des Bundes. In den Richtlinien der Regierungspolitik wurde 2011 beschlossen, eine gemeinsame Kampagne für Pfle- geberufe mit den Leistungserbringern und den Kostenträ- gern zu starten. Die Kampagne hat im Kern zwei Ziele, die Steigerung der gesellschaftlichen Anerkennung und die Fachkräfteentwicklung im Pflegebereich. Nach einer europa-weiten Ausschreibung in 2013 und dem Vertrags- abschluss mit einer Agentur wird der öffentliche Start der Kampagne am 28.03.2014 erfolgen. Mit der einjährigen Kampagne soll eine Steigerung der Ausbildungszahlen im o. g. Bereich um mindestens 10 % erreicht werden. Der Senat hat unter der Federführung der Senatsver- waltung für Arbeit, Integration und Frauen mit der Berli- ner Qualitäts- und Qualifizierungsoffensive „Für ein Gutes Leben im Alter in Berlin“ und der Initiierung des Bündnisses zur Fachkräftesicherung in der Altenpflege im Frühjahr 2013 deutlich gemacht, sich mit den demogra- phischen Herausforderungen der (Fach-)Kräftesicherung in der Pflege intensiv zu beschäftigen. Im Handlungsfeld 3 „Die Attraktivität der Ausbildung steigern“ wurde bereits 2012 begonnen, intensiv durch Öffentlichkeitsarbeit die Attraktivität der Ausbildung zu "bewerben“. Ziel war die Erhöhung des Bekanntheitsgrads der Ausbildung. Dazu hat zum Auftakt ein Werkstattgespräch mit zentra- len Akteurinnen und Akteuren zur Entwicklung weiterer Bausteine einer Ausbildungskampagne noch Ende 2011 stattgefunden. 2012 wurde die Publikation „Wege in der Altenpflege – Überblicks-darstellung zur Aus- und Weiterbildung in der Altenpflege“ als Hilfestellung insbesondere für die Berufsorientierung erstellt. 2013 folgte die Bildungslandkarte, die einen guten Überblick über die verschiedenen Einstiege in das Berufsfeld Pflege ermög- licht. Des Weiteren gab es eine Flyer und Postkartenakti- on „Altenpflege – (d)eine Chance“ und es wurde das Portal www.altenpflege-deine-chance.de aufgebaut. Es erfolgte eine Verstärkung der Netzwerke durch die Teil- nahme am 1. und 2. ver.di Pflegemarkt 2012/2013 der „Gesundheit als Beruf“ und der 5. Karriere- und Bildungsmesse der Gesundheitswirtschaft Berlin-Branden- burg am 16./17.03.2012 sowie durch einen Workshop „Junge Leute in die Altenpflege! Strategien & Handlungsempfehlungen zum Berufsmarketing“ am 25.04.2012. Seit 2013 ist die Seite „Altenpflege- deine Chance“ auch über Facebook zu kontaktieren. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 267 3 Verstärkte Aktivitäten im Rahmen der Berufsorientie- rung wurden angestoßen und laufen jetzt über das Berli- ner Programm „Vertiefte Berufsorientierung“ (BVBO). Für Schülerinnen und Schüler der 7. - 10. Klassen werden Begegnungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Berufs- feldern, auch mit Berufsbildern der Gesundheitswirt- schaft, dort auch der Pflege ermöglicht. Dies erfolgt durch Betriebsbesichtigungen, Berufsfelderkundungen und berufspraktische Erprobungen, wie Schnupper- und Be- triebspraktika. Über die Landesagentur P:S-W (Partner: Schule- Wirtschaft) der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft gab es im vergangenen Jahr im Rahmen von „SchuleAKTIV“ eine erste Veranstaltung, um Lehrkräfte über das Berufsbild der Pflegefachkraft in einer stationären Pflegeeinrichtung umfassend zu informieren. Mit dem Instrument der Informations- und Kontakt- touren im Rahmen des Projektes bes:t conquest wurden Schülerinnen und Schülern sowie deren Eltern gezielt die vielen Möglichkeiten der beruflichen Orientierung an Berliner Unternehmen, ausgewählten Oberstufenzentren (OSZ) sowie Hochschulinstituten auch das Berufsfeld Pflege näher gebracht. In diesem Jahr soll der Schwer- punkt auf die Elterninformation gesetzt werden. Verstärkt erfolgt die Einbeziehung der Netzwerke der regionalen Ausbildungsverbünde und lokal angesiedelter Projekte, u. a. wird mit dem Neuköllner Projekt die Integration von Benachteiligten in die Gesundheits- und Pflege unter- stützt. Um den Einstieg in die Pflegeausbildungen zu erleich- tern fördert der Senat Vorbereitungskurse für eine Aus- bildung im Pflegebereich am IBBC e. V.. Die Kurse um- fassen eine siebenmonatige theoretische Vorbereitung, ein dreimonatiges Praktikum und eine intensive Prüfungsvor- bereitung zum Einstellungsverfahren für einen Ausbil- dungsplatz und richten sich insbesondere auch an Jugend- liche mit Migrationshintergrund. 8. Wie viel Prozent der AbsolventInnen sind nach 5, 10 und 20 Jahren noch in der Altenpflege tätig und wel- chen Einfluss hat die in der Altenpflege geringe Bleibequote im Beruf für die Tätigkeiten des Senats? Zu 8.: Die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor- schung, hat sich in der Studie 3/2012 „Berufstreue in Gesundheitsfachberufen in Berlin und Brandenburg“ diesem Thema angenommen. Nach den dort getroffenen Ermittlungen zum Verbleib von sozialversicherungs- pflichtig beschäftigten Altenpflegerinnen und Altenpfle- gern sowie Altenpflegehelferinnen und Altenpflegehel- fern waren in Berlin nach 15 Jahren (1994 – 2008) nur noch 32,4 % in ihrem ursprünglich erlernten Beruf tätig, wobei der Wechsel von der Altenpflege zur Altenpflege- hilfe oder umgekehrt als Verbleib in dem Gesundheitsbe- ruf Altenpflege/Altenpflegehilfe gewertet wurde. Die Problematik der zu kurzen Verweildauer ist dem Senat bewusst. Es macht keinen Sinn, immer mehr Ausbil- dungswillige in die Altenpflegeausbildung zu bringen, wenn gleichzeitig die Zeit, die sie in diesem Beruf ver- bleiben immer geringer wird. Um dem entgegenzuwirken sieht der Senat u. a. die Einführung der generalistischen Ausbildung für erforderlich an. Daneben sind Maßnahmen der Attraktivitätssteigerun- gen wie z. B. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, be- triebliches Gesundheitsmanagement, Aufstiegs- und Qua- lifizierungsmöglichkeiten wichtige Ansätze. 9. Wie bewertet der Senat, dass in Nordrhein- Westfalen nach Einführung der Umlagefinanzierung der Altenpflegeausbildung die Zahl der Auszubildenden um 45 Prozent in 18 Monaten angestiegen ist? Welches Po- tenzial sieht er in dieser Maßnahme für Berlin? 10. Wie bewertet der Senat, dass bisher nur ein Pro- zent der Einrichtungen in NRW gegen die Umlagebe- scheide geklagt hat, jede Klage von den zuständigen Verwaltungsgerichten abgewiesen und die Rechtmäßig- keit der Umlage in vollem Umfang bestätigt wurde? Wo- rin unterscheidet sich nach Ansicht des Senats die Situati- on in NRW von der in Berlin? Was bedeutet das für seine rechtliche Einschätzung der Umlagefinanzierung in Ber- lin? Zu 9. und 10.: § 25 des Altenpflegegesetzes ermäch- tigt die Landesregierungen, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass zur Aufbringung der Mittel für die Kos- ten der Ausbildungsvergütung von den Einrichtungen, die als Träger der praktischen Ausbildung in Betracht kom- men, Ausgleichsbeträge erhoben werden, und zwar unab- hängig davon, ob dort Abschnitte der praktischen Ausbil- dung durchgeführt werden. Voraussetzung ist nach § 25 Abs. 1, S. 2 Altenpflegegesetz allerdings, dass mit dem Ausgleichsverfahren ein Mangel an Ausbildungsplätzen verhindert oder beseitigt wird. Die Umlagefinanzierung ist nach den Erfahrungen in anderen Bundesländern sehr streitbefangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 3 C 28.08) müssen die Voraussetzungen dabei für das konkrete Bundesland auf der Grundlage einer spezifischen Analyse begründet werden. Allgemeine Prognosen zur Ausbildungsplatzentwicklung und Gerech- tigkeitserwägungen für die Begründung eines Aus- gleichsverfahrens alleine sind nicht ausreichend. Die Rechtmäßigkeit einer Prognoseentscheidung des Verord- nungsgebers ist anhand der ihm zugrunde gelegten tat- sächlichen Annahmen zu prüfen. Lassen sich diese nicht oder nur unvollkommen ermitteln oder sind sie fehlerhaft, lässt sich der Mangel nicht durch nachgeschobene Erwä- gungen korrigieren. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat auf der Grundlage des § 25 Altenpflegegesetzes die Vo- raussetzungen für eine Umlagefinanzierung in Berlin geprüft. Danach ist kein Mangel an Ausbildungsplätzen in der Altenpflege festzustellen. Vielmehr nimmt die Zahl der Plätze eine positive Entwicklung, insbesondere seit den gemeinsamen Arbeitsmarktgesprächen Pflege mit der Regionaldirektion Berlin und dem Abbau bürokratischer Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 267 4 Hindernisse durch Anrechnung der Auszubildenden auf den Stellenschlüssel. Insofern sieht die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales rechtlich keinen Handlungs- spielraum für die Einführung eines Ausgleichsverfahrens. Ob in Nordrhein-Westfalen ein kausaler Zusammen- hang zwischen der Einführung der Umlagefinanzierung der Altenpflegeausbildung und dem Anstieg der Auszu- bildenden um 45% in 18 Monaten besteht, kann mangels näherer Informationen nicht bestätigt werden. Wenn dies jedoch der Fall sein sollte, so kann davon ausgegangen werden, dass dieses Instrument für Nordrhein-Westfalen erfolgversprechend ist. 11. Wie bewertet der Senat, dass in Niedersachsen seit der Schulgeldförderung durch die dortige Landesregie- rung die SchülerInnenzahlen in der Altenpflege um über 40 Prozent in drei Jahren angestiegen sind? Welches Potenzial sieht er in dieser Maßnahme für Berlin? Wird der Senat diesem Vorbild folgen, wenn ja, wann; wenn nein, warum nicht? Zu 11.: Die Senatsverwaltung für Bildung Jugend und Wissenschaft teilte auf Anfrage dazu Folgendes mit: Sowohl in Niedersachsen als auch in Berlin sind die Schülerzahlen seit 2004 auch ohne Förderung stetig ge- stiegen. Der Anteil der Auszubildenden im Bereich der Altenpflege beträgt sowohl in Niedersachsen als auch in Berlin, bezogen auf die Gesamtbevölkerung des jeweili- gen Landes, gleichermaßen 0,1 %. Eine Übersicht der Ausbildungszahlen ist nachstehender Tabelle zu entneh- men. Schülerinnen und Schüler in der Altenpflege an öf- fentlichen Schulen und Schulen in freier Trägerschaft Schuljahre Anzahl der Schüler/innen in allen drei Klassenstufen Niedersachsen 1 Berlin 2000 4.048 2001 4.050 2002 4.238 2003 4.630 2004 4.838 2005 4.922 2006 4.629 2007 4.549 2008 4.612 1.567 2009 5.057 1.741 2010 5.636 1.875 2011 6.243 2.328 2012 6.582 2.376 2013 circa 6.750 2.455 1) Stichtag ist jeweils der 15.11. Die Wiedereinführung der dreijährigen Umschulungs- förderung durch die Bundesagentur für Arbeit und die Stärkung der Verkürzungsmöglichkeit sind Maßnahmen, die zu einer positiven Entwicklung in diesem Bereich beitragen. So gab es bis August 2011 für die Ausbildung zur Altenpflegerin und zum Altenpfleger in Berlin auf- grund eines Senatsbeschlusses aus 2003 lediglich Schulen in freier Trägerschaft. Mit Einführung der Einstiegsquali- fizierung im Bereich der Altenpflege sowie der Tatsache, dass trotz steigender Ausbildungszahlen der Fachkräf- tebedarf weiter zugenommen hat, wurde mit Schuljahrbe- ginn 2011/2012 die Ausbildung zur Altenpflegerin und zum Altenpfleger am Oberstufenzentrum Gesundheit I aufgenommen. Derzeit sind an dieser staatlichen Schule die vorgehaltenen schulgeldfreien Kapazitäten noch nicht voll ausgeschöpft. Derzeit werden im Senat weitere Maß- nahmen intensiv bearbeitet, um trotz steigendem Wettbe- werb zwischen den Berufen die Gewinnung von Fach- kräften auszubauen. Zu diesen Maßnahmen gehört unter anderem auch die geplante Einführung einer Pflegehil- feausbildung. Der Wettbewerb zwischen den Berufen nimmt zu, da in allen Bereichen Fachkräfte fehlen wer- den. 12. Wie bewertet der Senat, dass bisher in Niedersach- sen noch nicht gegen die Schulgeldförderung geklagt wurde? Was bedeutet das für seine rechtliche Einschät- zung der Schulgeldbefreiung in Berlin? Worin unter- scheidet sich nach Ansicht des Senats die Situation in Niedersachsen von der in Berlin? Zu 12.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft teilte dazu auf Nachfrage Folgendes mit: Die Zuständigkeit für die Altenpflegeausbildung in Niedersachsen liegt beim Kultusministerium. In Nieder- sachsen wird aus Mitteln des Sozialministeriums ein Zu- schuss zum Schulgeld gezahlt, der derzeit bis zu 200 € pro Schülerin und Schüler und Monat beträgt. Hierbei wird die Zahlung an das im Schuljahr 2008/2009 erhobe- ne Schulgeld, das jährlich lediglich inflationsgemäß stei- gen darf und eine angemessene Ausbildungsvergütung beinhaltet, gekoppelt. Damit wird mit der Erhöhung von anfangs 50 € auf bis zu 200 € ab dem 01.08.2012 an Schulen in freier Trägerschaft kein Schulgeld mehr fällig. Etwa 1/3 der Schülerinnen und Schüler in der Alten- pflegeausbildung in Niedersachsen besuchen öffentliche Schulen, die ebenfalls derzeit versuchen, ihr Angebot in der Altenpflege auszubauen. Aktuell hat das Sozialministerium Niedersachsen ei- nen Gesetzentwurf in die Anhörung gegeben, der die Förderung weiterhin aus Mitteln des Sozialministeriums gesetzlich absichern soll. Nach Auskunft durch das Kul- tusministerium Niedersachsen trägt sie dieses Vorgehen zwar mit, jedoch haben die Fachreferate immer darauf hingewiesen, dass diese Förderung die Systematik der Finanzhilfe für Schulen in freier Trägerschaft im Zustän- digkeitsbereich des Kultusministeriums aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes aller Schulen gefährden kann. Derzeit gibt es in der Tat keine Klagen gegen diese Förderung. Im politischen Raum wird aber die Forderung laut, eine Schulgeldfreiheit auch für weitere soziale Beru- fe wie zum Beispiel Erzieherinnen und Erzieher und Pfle- geassistentinnen und Pflegeassistenten zu erwägen. Aktu- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 267 5 ell liegt ein Klageschreiben einer Physiotherapieschule vor, die in das Schulgesetz überführt und damit finanzhil- fefähig werden will. Die Ausweitung der schulgeldfreien Plätze in der Al- tenpflegeausbildung in öffentlichen beruflichen Schulen ist in Berlin vorgesehen. Eine Schulgeldbefreiung wie in Niedersachsen, durch Übernahme dieser Kosten durch eine andere Verwaltung, ist derzeit nicht im Gespräch. Die Übernahme der Schulgeldfinanzierung nur für den Bereich der Altenpflegeschulen in Berlin wird derzeit aus Gründen des Gleichbehandlungsgrundsatzes aller Schulen in freier Trägerschaft nicht in Erwägung gezogen, zumal es auch in Berlin in vielen Bereichen einen Fachkräftebe- darf neben der Altenpflege gibt. 13. Wie bewertet der Senat die Aussage im Koaliti- onsvertrag der rot-schwarzen Bundesregierung in Bezug auf Pflegeberufe: „Wir prüfen ein verbindliches Verfahren zur Refinanzierung der Ausbildungskosten, um die Kostenbeteiligung aller Einrichtungsträger zu gewährleis- ten“? Was schließt er daraus für seine Politik? 14. Wie bewertet der Senat die Aussage im Koaliti- onsvertrag der rot-schwarzen Bundesregierung in Bezug auf Pflegeberufe: „Die Ausbildung muss für jeden Auszubildenden kostenlos sein“? Was schließt er daraus für seine Politik? Zu 13. und 14.: Die gemeinsame Zielsetzung des Se- nats ist, dass die Ausbildung in diesen Pflegeberufen allen Interessierten kostenlos ermöglicht werden kann. Eine gesetzliche Regelung für eine staatliche Finanzierung des Schulgeldes müsste im Hinblick auf andere Berufe insbe- sondere auch den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Berlin, den 11. März 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Mrz. 2014)