Drucksache 17 / 13 273 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stephan Lenz (CDU) vom 21. Februar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Februar 2014) und Antwort Gesundheitsgefährdung durch kontaminierte Immobilien des Landes Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Die Schriftliche Anfrage betrifft zum Teil Sachverhalte, über die der federführenden Verwal- tung keine Kenntnisse vorliegen. Die Beantwortung der davon betroffenen Fragen erfolgt daher auf der Grundlage der Darstellungen der fachlich/sachlich betroffenen Dienststellen. 1. Trifft es zu, dass bereits vor Jahren in dem aus dem Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin (SILB) für den Rechnungshof zur Verfügung gestellte Dienstgebäude An der Urania 4–10 eine deutlich über den Grenzwerten liegende Kontamination mit Polychlorierten Biphenylen (PCB) festgestellt wurden, und wie weit liegt diese Kontamination ggf. über dem Grenzwert? Zu 1.: Eine Kontamination über dem Grenzwert liegt nicht vor. Das Gebäude An der Urania 4-10 wurde in den 60iger Jahren errichtet. Das Grundstück befindet sich seit 01.01.2003 im Bestand des Sondervermögens Immobilien des Landes Berlin (SILB). Im Rahmen einer Bauplanung im I. Quartal 2011 wurde bei der obligatorischen Schad- stoffuntersuchung bekannt, dass seinerzeit zum Teil PCB- haltige Baustoffe verwendet wurden. Es wurde festge- stellt, dass der Vorsorgewert für die Raumluftkonzentrati- on PCB von 300 ng/m³ i.d.R. über-, der Interventions- oder Grenzwert von 3000 ng/m³ unterschritten wurde. Nach den PCB-Richtlinien gelten Raumluftwerte un- terhalb von 300 ng/m³ Raumluft als langfristig tolerabel. Bei Raumluftwerten zwischen 300 ng/m³ und 3.000 ng/m³ wird empfohlen, die Quelle der Raumluftverunreinigung aufzuspüren und nach Möglichkeit unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit zu beseitigen oder zumindest eine Verminderung der PCB-Konzentration durch Vorbeuge- maßnahmen bzw. durch gute Durchlüftung der Räume anzustreben. Erst bei Werten über 3.000 ng/m³ besteht kurzfristiger Handlungsbedarf. 2. Trifft es zu, dass eine chronische Toxizität schon bei geringen Mengen festzustellen ist und das Gift zu ernsthaften gesundheitlichen Schäden (Chlorakne, Haar- ausfall, Leberschäden, Schädigung des Immunsystems, Krebserkrankungen) führt? Zu 2.: Die Kenntnisse zu den gesundheitlichen Aus- wirkungen beim Menschen nach lang anhaltender erhöh- ter PCB-Belastung sind trotz umfangreicher Forschung immer noch vergleichsweise begrenzt. Eine krebserzeu- gende Wirkung durch PCB, die in Tierversuchen festge- stellt wurde, war beim Menschen bislang weder verläss- lich nachzuweisen noch zu widerlegen. Bei den gesundheitlichen Wirkungen von PCB unter- scheidet man zwischen akuter und chronischer Toxizität. Akute toxische Wirkungen werden bei kurzen hohen Dosen beobachtet. Sie können sich z.B. in Chlorakne, Haarausfall, Leberfunktionsstörungen oder Störungen der Immunfunktion äußern. Eine chronische Toxizität kann bei einer lang anhaltenden erhöhten Belastung mit PCB auftreten. 3. Liegen dem Senat Erkenntnisse darüber vor, wie viele Mitarbeiter des Rechnungshofs seit Bezug des Dienstgebäudes An der Urania mit Symptomen, die auf eine Kontamination mit PCB zurückgeführt werden könn- ten, erkrankt sind? Zu 3.: Es liegen keine Erkenntnisse für einen Zusam- menhang zwischen Erkrankungen von Beschäftigten des Rechnungshofs und der Raumluftkonzentration von PCB vor. 4. Liegen dem Senat Erkenntnisse darüber vor, wie viele Mitarbeiter des Rechnungshofs seit Bezug des Dienstgebäudes An der Urania an Krebs erkrankt bzw. auf Grund einer Krebserkrankung verstorben sind? Zu 4.: Es liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 273 2 5. Wie lange sind die Mitarbeiter des Rechnungshofs nach Feststellung dieses Sachverhalts dieser Kontamina- tion ausgesetzt? Zu 5.: Der Rechnungshof nutzt das Gebäude An der Urania 4- 10 seit 17.12.2001. Der Auszug aus dem Ge- bäude ist für Ende 2016/Anfang 2017 vorgesehen. 6. Ist das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheits- schutz und technische Sicherheit Berlin - LAGetSi – über den Sachverhalt informiert worden (ggf. wann) und wel- che Maßnahmen hat der Senat unternommen, um eine gesundheitliche Gefährdung der Mitarbeiter auszuschlie- ßen? Zu 6.: Das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheits- schutz und technische Sicherheit Berlin - LAGetSi ist im August 2011 von der BIM GmbH darüber informiert worden, dass in dem Gebäudekomplex PCB-Belastungen aufgetreten sind. Im Ergebnis von Abstimmungen zwischen Rech- nungshof, Betriebsarzt, der BIM GmbH u.a. wurden Maßnahmen zur Reduzierung der PCB-Belastung an den Arbeitsplätzen implementiert. Dazu gehören vor allem zusätzlich durchzuführende Grund- und Feinreinigungen sowie ein geregeltes Lüftungsregime. Ferner wurden turnusmäßige Kontrollmessungen durchgeführt, mit de- nen die Wirksamkeit der Maßnahmen kontrolliert wurde. Diese Vorgehensweise wurde von Schadstoffgutachtern begleitet. Darüber hinaus hat die BIM GmbH für die notwendi- ge Sanierung des Gebäudes insgesamt alternative Vorge- hensweisen betrachtet und diese hinsichtlich ihrer Wirt- schaftlichkeit geprüft. Im Ergebnis hat die BIM GmbH gemeinsam mit den Nutzern des Gebäudes, zu denen neben dem Rechnungshof auch die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit und der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit gehören, deren anderweitige Unterbringung in anderen SILB-Immobilien und die Aufgabe des Grundstückes „An der Urania 4-10“ beschlossen. Um die Gesundheitsgefährdung für die Be- schäftigten dauerhaft auszuschließen, ist der Umzug des Berliner Datenschutzbeauftragten für Anfang Juni 2014, der Landeszentrale für politischen Bildungsarbeit für Anfang April 2015 sowie für den Rechnungshof wie unter 5. dargestellt vorgesehen. Dem Hauptausschuss wurde unlängst dazu in den Roten Nr. 0928 und 0928 B berich- tet. 7. Gibt oder gab es auch in anderen Immobilien ver- gleichbare Kontaminationen und werden für die Immobi- lien des Landes Berlin (einschließlich des SILB) insbe- sondere nach Baumaßnahmen die Schadstoffbelastungen systematisch erhoben, ggf. warum nicht? Zu 7.: Eine vollständige Abfrage der erbetenen Infor- mationen für alle Immobilien des Landes Berlin bei den jeweiligen liegenschaftsverwaltenden Dienststellen war in der vorgegebenen Zeit nicht möglich. Die Beantwortung der Frage beschränkt sich insofern auf den Bestand des Sondervermögens Immobilien des Landes Berlin (SILB). Im SILB befindet sich neben dem Gebäude „An der Urania 4-10“ der Steglitzer Kreisel als eine mit Asbest kontaminierte Immobilie. Hier läuft derzeit der Rückbau der Asbestfunde. Im Dienstgebäude Alt-Friedrichsfelde 60 wurden Schadstoffvorkommen unklarer Art, womög- lich mit Naphthalin, festgestellt. Auch hier wurden ent- sprechende Schutzmaßnahmen für die Beschäftigten des Finanzamtes Lichtenberg getroffen. Bezogen auf das SILB-Portfolio führt die BIM GmbH generell nach Gebäudeübernahmen Zustandsermittlungen durch, die auch Sichtprüfungen zum möglichen Vorhan- densein von Schadstoffen beinhalten. Soweit vorhanden, werden auch Gebäudedokumentationen aus der Vergan- genheit dahingehend geprüft. Bei komplexeren Sanie- rungsmaßnahmen werden im Vorgriff Schadstoffgutach- ten erstellt. Vor kleineren Baumaßnahmen nimmt der beauftragte Fachplaner eine augenscheinliche Prüfung vor, um zu ermitteln, ob im Baubereich mit Schadstoffen zu rechnen ist. Dazu werden an bestimmten bzw. festzu- legenden Stellen Materialproben entnommen, um eine Belastung ausschließen zu können. Die BIM GmbH ist als Geschäftsführerin des Sonder- vermögens gegenwärtig dabei, über die bekannten Ver- dachtsfälle für die von ihr verwalteten Immobilien ein aussagefähiges Schadstoffkataster aufzubauen. Hier sol- len sämtliche Erkenntnisse aus den Schadstoffgutachten einfließen. Es ist jedoch objektiv unmöglich, in dem Ka- taster eine vollumfängliche Darstellung sämtlich denkba- rer Gefahren abzubilden. Die zerstörenden Werkstoffprü- fungen können nicht so dicht erfolgen, um zukünftig 100 % jeglicher Schadstoffimmission auszuschließen. Deshalb werden auch zukünftig bei Feststellung gesundheitsge- fährdende Schadstoffe so schnell wie möglich im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften beseitigt. Die BIM GmbH beachtet hierbei alle gesetzlichen Vorgaben und Schutz- bestimmungen. Dies betrifft die Bewirtschaftung ebenso wie das Bauen und die Entsorgung. Berlin, den 10. März 2014 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Mrz. 2014)