Drucksache 17 / 13 276 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Fabio Reinhardt und Alexander Spies (PIRATEN) vom 20. Februar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 24. Februar 2014) und Antwort Ein Bursche fällt weich – Wechsel von Ex-Sozialstaatssekretär Büge zur „Bürgerhilfe“ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wann hat der ehemalige Sozialstaatssekretär Mi- chael Büge (CDU) seine neue Tätigkeit als Geschäftsfüh- rer des privaten Sozialunternehmens „Bürgerhilfe“ gemäß § 41 Beamtenstatusgesetz bzw. § 68 Landesbeamtenge- setz bei seiner letzten Dienstbehörde angezeigt? Zu 1.: Herr Büge hat gegenüber dem Landesverwal- tungsamt Berlin mit Schreiben vom 21.01.2014 und ge- genüber der Senatsverwaltung für Gesundheit und Sozia- les (SenGesSoz) mit Schreiben vom 10.02.2014 seine (beabsichtigte) Aufnahme als Geschäftsführer der „Bürgerhilfe “ schriftlich angezeigt. 2. Seit wann läuft das Prüfverfahren bezüglich der Ausübung der neuen Erwerbstätigkeit des ehemaligen Sozialstaatssekretärs Büge und wann ist mit dem Ab- schluss des Verfahrens zu rechnen? 3. Wie bewertet der Senat mögliche Interessenkonflik- te, wenn ein ehemaliger Sozialstaatssekretär als Ge- schäftsführer für ein privates Sozialunternehmen künftig über die Höhe öffentlicher Förderung/Entgeltleistungen mitverhandelt? Zu 2. und 3.: Das Prüfverfahren ist am 07.02.2014 eingeleitet worden und ist gegenwärtig noch nicht abge- schlossen. Ob dienstliche Interessen beeinträchtigt werden, kann nicht beschränkt auf abstrakte und generelle Gesichts- punkte beurteilt werden. Bei der Bewertung müssen viel- mehr die besonderen Umstände des konkreten Einzelfal- les herangezogen werden. Aufgrund der rechtlichen und inhaltlichen Komplexität des Prüfungsverfahrens ist mit einem Abschluss nicht vor Ende März 2014 zu rechnen. Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen richteten sich die Entgeltleistungen für alle 1050 sozialen Einrich- tungen und für alle Leistungstypen gleichermaßen nach den Grundregeln des Berliner Rahmenvertrags für den Bereich Soziales und einheitlichen Umsetzungsregelun- gen für die Verwaltung. Den Vergütungen liegen einheit- liche Vergütungsprinzipien, insbesondere einheitlich ver- handelte Steigerungsraten zugrunde. Einrichtungen kön- nen einrichtungsspezifische Steigerungsraten nachweisen und geltend machen. Ausnahmen werden hierbei nicht gemacht. Die abschließende Bewertung bleibt abzuwarten. 4. Wie vermeidet der Senat etwaige Wettbewerbsvor- teile der Bürgerhilfe gegenüber Konkurrenten, die nicht über Insider-Wissen und Insider-Kontakte aus der Senats- verwaltung verfügen? Zu 4.: Die Verhandlungsgrundlagen wie rahmenver- tragliche Grundsätze und Vergütungen aller Einrichtun- gen sind für die Allgemeinheit verfügbar. Sie sind im Internet unter dem Link www.berlin.de/sen/soziales/vertraege verfügbar. Zwischen den Trägern (Leistungserbringer) und dem Land Berlin (Sozialhilfeträger) bestehen öffentlich-recht- liche Verträge, so dass der Gleichbehandlungsgrundsatz grundsätzlich zu beachten ist. Ein Wettbewerbsvorteil ergibt sich demnach nicht. 5. In welcher Höhe und wofür erhielten Einrichtungen der Bürgerhilfe Berlin (Verein, Stiftung, gGmbH etc.) in den Jahren seit 2011 Gelder des Landes Berlin (bitte nach Jahr, Einrichtung und Leistungszweck aufschlüsseln)? Zu 5.: Der Träger „Bürgerhilfe – Kultur des Helfens“ verfügt im Bereich Soziales über verschiedene Einrich- tungen mit 356 Plätzen an 50 Standorten in 6 unterschied- lichen Leistungstypen. Die Bürgerhilfe erhält von den bezirklichen Sozialämtern Entgelte für die Leistungen ihrer Einrichtungen. Die Leistungen werden mit Tagess- ätzen für jeden von der jeweiligen Einrichtung betreuten Sozialhilfeberechtigen abgerechnet. Wird eine Einrich- tung nicht belegt, fließt auch kein Geld. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 276 2 Die Preise je Betreuungstag sind aus dem Internet er- sichtlich. Sie liegen im Mittelfeld der Preise aller Träger. Die SenGesSoz reicht keine Förderung an die „Bürgerhilfe “ aus. 6. Welche Einrichtungen/Projekte der Bürgerhilfe Berlin sind in der Amtszeit des ehemaligen Staatssekre- tärs Büge in welcher Höhe jeweils neu gefördert worden? Zu 6.: Von den 50 Einrichtungen der „Bürgerhilfe“ sind bis auf eine alle vor der Amtszeit des Herrn Büge eröffnet worden. 7. War der ehemalige Sozialstaatssekretär Büge an Entscheidungen über die Vergabe von Fördermitteln beteiligt? Falls ja, waren auch Einrichtungen der Bürger- hilfe unter den Nutznießern der Förderungen, die durch Büge vergeben wurden? Zu 7.: Nein. Herr Büge war in die Entgeltverfahren unabhängig davon, ob es sich um bestehende Einrichtun- gen oder die neue Einrichtung handelte, in keinem Fall eingebunden. 8. Bestanden während der Amtszeit von Sozialstaats- sekretär Büge außerdienstliche Geschäftsbeziehungen zwischen ihm und der Bürgerhilfe und/oder anderen Sozi- alunternehmen/-verbänden und wenn ja, sind diese ange- zeigt worden? Zu 8.: Außerdienstliche Geschäftsbeziehungen wäh- rend der Amtszeit des ehemaligen Sozialstaatssekretärs Büge sind nicht bekannt. 9. Welche amtierenden und ehemaligen Senator*innen und Staatssekretär*innen engagieren sich nach Kenntnis des Senats haupt-/ehrenamtlich oder nebenberuflich für Sozialunternehmen/-verbänden oder sind Gesellschaf- ter*in, Teilhaber*in, Mitglieder, Vorsitzende etc. von Sozialunternehmen/-verbänden (bitte nach Senator*in- nen/Staatssekretär*innen, Sozialunternehmen/-verband sowie Funktion aufschlüsseln)? 10. Welche ehemaligen Senator*innen und Staatssek- retär*innen seit der 15 . Wahlperiode haben eine Erwerbs- tätigkeit oder sonstige Beschäftigung außerhalb des öf- fentlichen Dienstes bei einem Sozialunternehmen/-ver- band gemäß § 68 Landesbeamtengesetz der letzten Dienstbehörde angezeigt (bitte nach Senator*in- nen/Staatssekretär*innen, Sozialunternehmen/-verband sowie Funktion aufschlüsseln)? Zu 9. Und 10.: Die Beantwortung der Frage erfordert erhebliche Recherchen, die innerhalb der Antwortfrist nicht durchgeführt werden konnten. 11. Plant der Senat eine Karenzzeit einzuführen, in- nerhalb derer ehemalige Senator*innen und Staatssekre- tär*innen nicht in Privatunternehmen ihres Fachgebiets arbeiten dürfen? Zu 11.: Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Senatorengesetzes sowie des Landesbeamtengesetzes erarbeitet. Der Fraktionsan- trag „Für eine neue politische Kultur (II): Karenzzeit für Senatorinnen und Senatoren und Staatssekretärinnen und Staatssekretären (Gesetz zur Änderung des Senatorenge- setzes und des Landesbeamtengesetzes)“ – Drs. Nr. 17/1412 vom 21.01.2014 – verfolgt das Ziel, mit der Einführung einer Karenzzeit zu verhindern, dass aus dem Amt ausgeschiedene Senatorinnen und Senatoren sowie Staatssekretärinnen und Staatssekretäre durch eine inner- halb von zwei Jahren nach Beendigung des Amtes erfol- gende Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit bei Unter- nehmen diesen Kontakte und Kenntnisse aus dem zuvor wahrgenommenen Ressort vermitteln könnten. Eine mög- liche Beeinflussung von politischen Entscheidungen durch die Unternehmen soll dadurch vermieden werden. Die vorgeschlagenen Rechtsänderungen begegnen teilweise verfassungsrechtlichen und beamtenrechtlichen Bedenken. Der Senat beabsichtigt, zunächst die Entwick- lung auf Bundesebene abzuwarten, wo derzeit eine ge- setzliche Regelung für den Wechsel ausgeschiedener Regierungsmitglieder in die Wirtschaft mit einer deutlich kürzeren Karenzzeit von etwa 12 Monaten geprüft wird. 12. Ist der Gründer und Vereinsvorsitzende der Bür- gerhilfe, H. G., bei einer Senatsverwaltung angestellt? Wenn ja, in welcher Senatsverwaltung und in welcher Funktion war er in den Jahren seit Gründung des Vereins Bürgerhilfe angestellt? Zu 12.: Herr H. G. ist Beamter bei der Senatsverwal- tung für Arbeit, Integration und Frauen. Seit Gründung des Vereins Bürgerhilfe e. V. im Jahre 1989 war er wie folgt beschäftigt: - bis 31.03.1991 bei der Senatsverwaltung für Inneres, - vom 01.04.1991 bis 04.06.2000 bei der Senatsver- waltung für Arbeit und Frauen, seit dem 25.01.1996 bei der Senatsverwaltung für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen und seit dem 09.12.1999 bei der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen im Wesentlichen mit den Aufgaben „Umsetzung der Berliner Arbeitsmarktprogramme , Förderinstrumente der Berliner Arbeitsmarktpo- litik, Haushaltskoordination“ betraut, Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 276 3 - vom 05.06.2000 bis laufend bei der Senatsverwal- tung für Arbeit, Soziales und Frauen, seit dem 17.01.2002 bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frau- en, seit dem 23.11.2006 bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und seit dem 01.12.2011 bei der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen im Wesentlichen mit den Aufgaben „Koordinierung und Erstellung des Haushaltsplans für das Kapitel Arbeit sowie Mitwirkung bei der Erstellung des Einzel- plans einschl. Finanz- und Investitionsplanung, Haus- haltswirtschaft, grundsätzliche Angelegenheiten der ar- beitsmarkt- und berufsbildungspolitischen Förderinstru- mente“ betraut. 13. Hat H. G. je für die für Soziales zuständige Se- natsverwaltung gearbeitet, während er Vereinsvorsitzen- der der Bürgerhilfe war? Zu 13.: Herr H. G. war zwar, wie aus der Antwort zu Frage 12 folgt, auch in der für Soziales zuständigen Se- natsverwaltung tätig. Allerdings war er dort zu keinem Zeitpunkt in der für das Politikfeld Soziales zuständigen Abteilung, sondern stets in der für das Politikfeld Arbeit und Berufliche Bildung zuständigen Abteilung tätig. 14. Haben Einrichtungen der Bürgerhilfe seit 2010 von Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung profitiert? Wenn ja, welche und in welcher Anzahl? Zu 14.: Der Verein „Bürgerhilfe“ erhielt keine Zuwendungen für Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung. Bei der Bürgerhilfe Kultur des Helfens gGmbH wurde über einen Dienstleister (Beliehener nach § 44 LHO) von 2009 bis 2010 im Rahmen von zwei Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung nach § 16 e SGB II, je Maßnahme, eine Stelle für 12 Monate gefördert. Darüber hinaus wurde im arbeitsmarkt- lichen Instrument „Bürgerarbeit“, einem vom Land Berlin kofinanzierten Modellprojekt des Bundesministeriums für Arbeit, ein Projekt mit einer Stelle gefördert. Derzeit sind keine weiteren Förderfälle bekannt. Berlin, den 12. März 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Mrz. 2014)