Drucksache 17 / 13 288 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (PIRATEN) vom 25. Februar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Februar 2014) und Antwort Hat die Berliner Polizei schon aufgegeben? - Umgang mit Betroffenen von politisch rechts motivierten Straftaten Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Angebote und Hilfestellungen bietet die Berliner Polizei Betroffenen von politisch rechts motivier- ten Straftaten? (Bitte eine detaillierte Einzeldarstellung der einzelnen Angebote und Hilfestellungen.) a) Welche besonderen Angebote und Hilfestellungen bietet die Berliner Polizei Betroffenen, die unmit- telbar in ihrem häuslichen Umfeld (körperliche Angriffe vor der Wohnungstür, rechte Schmiere- reien etc.) Opfer von politisch rechts motivierten Straftaten geworden sind? b) Inwieweit vernetzt sich die Berliner Polizei mit Einrichtungen, Organisationen und Beratungsstel- len, um Betroffenen in solche Situationen adäquate Hilfe und Unterstützung anzubieten? Zu 1., a) und b) Bei der Bekämpfung von Straftaten stellen der Schutz und die Unterstützung von Opfern bzw. Betroffenen einen wesentlichen Aspekt dar. Um das Ver- trauen in die Polizei nachhaltig zu stärken, hat die Polizei Berlin Hilfsangebote entwickelt, fungiert jedoch auch als Mittler für Hilfsangebote anderer Stellen. Art und Um- fang der Hilfsangebote bzw. -maßnahmen orientieren sich regelmäßig an dem konkreten Einzelfall. Betrachtet wer- den dabei neben dem bloßen Tatbestand und anderen Faktoren auch die Tatverdächtigen, bzw. das Spektrum, dem diese zugerechnet werden können. Bei der Bekämp- fung Politisch motivierter Straftaten im Allgemeinen und der Politisch motivierten Kriminalität - rechts (PMK - rechts-) im Besonderen nimmt der Opferschutz einen wichtigen Platz ein. Der Zusammenarbeit mit anerkannten Opferschutzorganisationen kommt dabei eine hervorge- hobene Bedeutung zu. Im Landeskriminalamt (LKA 53, Politisch motivierte Kriminalität - rechts), wurde deshalb ein fester Ansprechpartner für Opferschutzorganisationen implementiert. Um den möglichen Ängsten von Betroffenen/Opfern politisch rechts motivierter Kriminalität bereits vor Ort mit realistischen Schutzmöglichkeiten zu begegnen, sol- len schon in diesem Stadium die Voraussetzungen für den so genannten „Kleinen Zeugenschutz“ geprüft werden. Hierbei kann in begründeten Fällen statt der Wohnan- schrift eine andere ladungsfähige Anschrift (z.B. Ge- schäftsanschrift) angegeben werden. Mit der Aushändi- gung des „Handzettels für Zeugen/Opfer rechtsextremistischer Straftaten“ der Polizei Berlin sollen Betroffene /Opfer ermutigt werden, bei der lückenlosen Aufklä- rung der Tat mitzuhelfen, aber auch Hilfe in Anspruch zu nehmen, um das Erlebte zu bewältigen. Der Handzettel beinhaltet sowohl Kontaktstellen von Polizei und Verfas- sungsschutz als auch von Opferhilfeorganisationen. Straftaten der PMK-rechts- werden in der Polizei Ber- lin durch Fachkommissariate des Polizeilichen Staats- schutzes bearbeitet. Das mit der dortigen Phänomenexper- tise einhergehende tiefere Verständnis für die außerge- wöhnliche Situation der Betroffenen ist hilfreich bei der Unterbreitung gezielter Hilfsangebote. Regelmäßig werden Betroffenen/ Opfern von Strafta- ten der PMK -rechts- über die Polizei Anschreiben der Opferschutzorganisation „ReachOut - Opferberatung und Bildung gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Anti- semitismus“ weitergeleitet. Diesen Anschreiben wird zusätzlich Info-Material anderer anerkannter Opfer- schutzorganisationen beigefügt (z.B. Weißer Ring, Opfer- hilfe Berlin). Informationsmaterial von spezialisierten Opferschutzorganisationen und Institutionen ist darüber hinaus auch in den Wartebereichen der Fachdienststellen ausgelegt (z.B. „ReachOut“, „Weißer Ring“, „Opferhilfe Berlin“, Infoblatt: „Härteleistung als Opferhilfe“ des Bundsamts für Justiz). Auch im Rahmen von Vernehmungen werden die Be- troffenen/Opfer sensibilisiert und noch einmal explizit auf die spezialisierten Hilfsangebote von Opferschutzor- ganisationen sowie entsprechende Informationsmateria- lien hingewiesen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 288 2 Sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen, werden Betroffene/Opfer ergänzend über weitere Hilfsangebote, wie z.B. Prozesskostenhilfe oder „Härteleistung als Opferhilfe -Soforthilfe des Staates für Opfer extremistischer Übergriffe“ des Bundesamtes für Justiz hingewiesen. In diesem Zusammenhang wird auch auf den Internet- auftritt der Polizei Berlin hingewiesen. Unter der Rubrik Prävention/Opferschutz werden Hilfsangebote aufgezeigt und es wird über allgemeine Opferrechte sowie Entschä- digungsansprüche informiert. In begründeten Einzelfällen und zur Abwendung kon- kreter Gefahren können Personen auch mit weitergehen- den polizeilichen Maßnahmen geschützt werden. 2. Bietet die Berliner Polizei Betroffenen von politisch rechts motivierten Straftaten ein sogenanntes Sensibilisie- rungstraining an? a) Wenn ja, welche Zielsetzung verfolgt dieses Trai- ning? b) Wenn ja, an welchen Personenkreis richtet es sich? c) Wenn ja, welche konkreten Inhalte hat dieses Sen- sibilisierungstraining? d) Über welchen Zeitraum geht dieses Training? e) Seit wann gibt es dieses Sensibilisierungstraining? f) Durch welche Stelle der Berliner Polizei (Abtei- lung, Dezernat) wird dieses Training angeboten und werden diese Mitarbeiter*innen besonders ge- schult? g) Wie viele Mitarbeiter*innen werden für diesen Aufgabenkreis abgestellt? h) Wie vielen Personen und Einrichtungen wurde in den Jahren seit 2010 ein solches Training angebo- ten und wie viele haben dieses angenommen? (Bit- te Einzelaufschlüsselung nach Jahr, Personenanz- ahl/Einrichtungen. Zu 2.: Die Polizei Berlin bietet kein Sensibilisierungs- training speziell für Betroffene von vorurteilsmotiviert begangenen Straftaten, somit auch nicht für solche von politisch rechts motivierten Straftaten, an. Seit Anfang der 1990er Jahre wird jedoch eine Anti- Gewalt-Veranstaltung zum Verhalten bei Gewalt und Aggression in der Öffentlichkeit angeboten. Dies ist ein so genanntes Jedermann-Seminar, zu dem sich jeder voll- jährige Bürgerinnen und Bürger anmelden können. Nähe- re Informationen bietet dazu auch der Internetauftritt der Polizei Berlin. Das Seminar findet einmal monatlich in den Räumen des LKA Berlin statt und wird über die In- ternetplattform der Polizei Berlin terminlich angekündigt. Regelmäßig werden hierbei mindestens 30 Personen aus verschiedensten Altersgruppen und sozialen wie ethni- schen Herkünften beschult (ca. 360 Personen jährlich). Darüber hinaus bietet das Anti-Gewalt-Projekt des LKA die Durchführung dieser Veranstaltung auch in den Räumlichkeiten von Institutionen, gemeinnützigen Trä- gern und bei allen daran interessierten sozialen Gruppen an, sobald die Mindestteilnehmerzahl von 15 Personen erreicht wird und seminargeeignete Räume gestellt wer- den können. Je nach Nachfrage erfolgen so aufsuchend zusätzlich noch ca. 100-120 Anti-Gewalt-Veranstaltungen jährlich, die ca. 2.500-3.000 Personen erreichen. Die Veranstaltungen dauern drei Zeitstunden und werden von zwei Mitarbeitern des Anti-Gewalt-Projektes der Polizei Berlin durchgeführt. Diese Mitarbeiter gehö- ren dem Landeskriminalamt (LKA Präv 2) an und sind besonders geschult. Ziel der Veranstaltungen ist es, Strategien zum dees- kalierenden und gewaltfreien Verhalten in Konflikt- und Bedrohungssituationen zu vermitteln oder gemeinsam zu erarbeiten, um damit die Handlungskompetenz und das subjektive Sicherheitsgefühl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Veranstaltungen zu verbessern. Hier- bei werden polizeiliche Erfahrungen und psychologische bzw. kommunikations-wissenschaftliche Erkenntnisse eingesetzt. 3. Wird dieses Sensibilisierungstraining nur Betroffe- nen von rechts motivierten Straftaten angeboten oder auch Betroffenen von links motivierten Straftaten? Wenn ja, wie hoch ist der jeweilige Prozentanteil an Betroffenen von rechts motivierten bzw. von links moti- vierten Straftaten? Zu 3.:Wie bereits in der Antwort zu Frage 2 darge- stellt, bietet die Polizei Berlin kein Sensibilisierungstrai- ning speziell für Betroffene von vorurteilsmotiviert be- gangenen Straftaten, somit auch nicht für solche von politisch rechts oder links motivierten Straftaten an. Das beschriebene Seminar erfasst auch den deeskalierenden Umgang mit vorurteilsmotiviert begangenen Straftaten. In den Veranstaltungen wird auf unterschiedliche Täterspek- tren - hervorgehoben auch auf „rechte“ (Gewalt-)Täter - eingegangen. 4. Trifft es zu, dass die Berliner Polizei Betroffenen von politisch rechts motivierten Straftaten lediglich ein Sensibilisierungstraining anbietet, wonach diese lernen sollen, wie sie Akteure der rechten Szene nicht mehr provozieren? a) Wenn ja, glaubt der Senat, dass sich Betroffene durch ein solches Angebot der Berliner Polizei ge- schützt und gestärkt fühlen? b) Wenn ja, ist der Senat davon überzeugt, dass durch ein solches Programm das Engagement derjenigen gestärkt wird, die sich gegen Rechtsextremismus zivilgesellschaftlich zur Wehr setzen? c) Kann sich der Senat vorstellen, dass das Vertrauen von Betroffenen darin, dass der Staat und seine Organe ernsthaft gegen rechtsextremistische Be- strebungen vorgehen, schweren Schaden nimmt, wenn sie erfahren müssen, dass sich der staatliche Schutz lediglich darauf reduziert, vermitteln zu wollen, wie die Empfindsamkeit von rechten Ag- gressor*innen zu achten ist? Zu 4.: Nein. Im Rahmen von durch die Polizei Berlin angebotenen Veranstaltungen/Trainings wird kein gene- rell opportunes Verhalten gegenüber rechten Akteurinnen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 288 3 und Akteuren eingeübt, so dass deren Empfindsamkeit nicht gestört wird. Nach den Rückmeldungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der zu Frage 2 beschriebenen Veranstaltun- gen, fühlen diese sich durch das Training sehr gut auf mögliche Gewaltsituationen vorbereitet und damit ge- stärkter und geschützter. Mit den Veranstaltungen soll unter anderem das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei und den Rechtsstaat gestärkt werden. Es sei noch das Präventionsprojekt „Wissen und Bildung als Schutzfaktor gegen Rechtsextremismus“ genannt. Dieses Projekt ist für Schülerinnen und Schüler der Klassenstu- fen 7-10 konzipiert und wird durch die Präventionsbeauf- tragten der Polizei Berlin durchgeführt. Durch Aufklärung über rechtsextremistisches Gedankengut und die damit einhergehende Ablehnung von Grundrechtsprinzipien einerseits sowie das Vermitteln von Errungenschaften der freiheitlich-demokratischen Grundordnung andererseits soll eine Sensibilisierung von Schülergruppen erfolgen, um einer Rekrutierung von Nachwuchs für rechtsextreme Kameradschaften und Gruppierungen wirksam vorzubeu- gen. Da, wie dargestellt, keine derartigen Trainings ent- sprechend der Fragestellung angeboten werden, entfällt eine Beantwortung der Fragen 4a)-c) durch den Senat. Berlin, den 14. März 2014 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Mrz. 2014)