Drucksache 17 / 13 294 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Daniel Buchholz (SPD) vom 26. Februar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Februar 2014) und Antwort Gefährden zu niedrige Provisionen für den Verkauf von BVG-Fahrscheinen die Existenz pri- vater Agenturen bzw. Zeitungsläden und anderer Verkaufsstellen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft teilweise Sachverhal- te, die der Senat nicht aus eigener Zuständigkeit und Kenntnis beantworten kann. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen eine Antwort auf Ihre Frage zukommen zu lassen und hat daher die BVG AöR, die Deutsche Bahn AG und die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG) um Stellung- nahme gebeten, die von dort in eigener Verantwortung erstellt und dem Senat übermittelt wurden. Sie werden nachfolgend gekennzeichnet wiedergegeben. Die Deut- schen Bahn AG hat in der vorgesehenen Frist nicht ge- antwortet. Frage 1: Welche Vertriebswege bestehen nach Kennt- nis des Senats für Fahrscheine des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) in Berlin, z.B. direkt durch die Verkehrsunternehmen bzw. über private Dienstleister, Verkaufsstellen oder Agenturen und wie unterscheiden sich diese? Antwort zu 1: Die BVG AöR teilt hierzu mit: „Der Vertrieb der Fahrausweise durch die BVG AöR erfolgt auf den nachfolgend aufgeführten Vertriebswegen. a) Direktvertrieb durch BVG AöR - Stationäre und mobile Fahrausweisautomaten - Eigene Verkaufsstellen - Fahrausweisverkauf im Omnibus - Mobiler Fahrausweisverkauf mit MDE-Geräten - Abonnement und Firmenticket - Touch and Travel - BVG Smartphone-App - Onlineshop/Versand b) Vertrieb durch Dritte - Private Agenturen/Verkaufsstellen und Hotels - Semester- und Hochschulticket - Kombiticket und City-Ticket“ Für den Vertrieb in Regionalverkehrszügen besteht zusätzlich der Vertrieb mit Handverkaufsgeräten (Ver- trieb im Zug durch Servicepersonal). Die Verkehrsunternehmen verkaufen jeweils in eige- nem Namen. Sie können jedoch einen Dienstleister (Drit- ten) beauftragen, der für sie Fahrausweise verkauft. Bei den Vertriebswegen werden unterschieden: • Bedienungsform: personalbedient oder automatisiert (Automaten, In- ternet, Mobiltelefone), • räumlicher Bezug: stationär oder mobil, • Beauftragung: in Eigenregie oder durch Vertriebsdienstleister. Frage 2: Wie viele private Verkaufsstellen oder Agen- turen vertreiben im Stadtgebiet Berlin Fahrscheine des VBB und wer ist für die Vertragsgestaltung verantwort- lich? Antwort zu 2: Für die Vertragsgestaltung sind die Verkehrsunternehmen verantwortlich. Sollte sich das jeweilige Verkehrsunternehmen eines Vertriebsdienstleis- ters bedienen, übernimmt dieser die Aufgabe der Ver- tragsgestaltung. Die BVG AöR teilt hierzu mit: „Derzeit hat die BVG AöR insgesamt 288 private Verkaufsstellen unter Vertrag. Die Kooperationsverträge werden von der BVG AöR gestaltet.“ Die ODEG hat übermittelt, dass sie in Berlin eine Agentur mit personalbedientem Vertreib beauftragt hat. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 294 2 Frage 3: Wie hat sich die Anzahl der privaten Ver- kaufsstellen bzw. Agenturen in Berlin, die VBB- Fahrkarten als Vertragspartner der Berliner Verkehrsbe- triebe (BVG) verkaufen, im Verlauf der letzten zehn Jahre entwickelt (bitte jahresweise angeben)? Wie hat sich demgegenüber die Anzahl der Verkaufsstellen der Ver- kehrsunternehmen selbst entwickelt? Antwort zu 3: Die BVG AöR teilt hierzu mit: „Da die BVG ihre Vertriebs- und Marketingaktivitäten immer am aktuellen Markt und auch aktuellem Angebot orientiert, ist eine rein zahlenmäßige Aufschlüsselung der privaten und BVG-eigenen Verkaufsstellen über einen so langen Zeitraum nicht wirklich aussagekräftig. In dem angefragten Zeitraum hat es zum Beispiel, durch entspre- chende Kampagnen unterstützt, eine sehr deutliche Stär- kung des Vertriebsweges Abo gegeben. So konnte hier seit 2008 eine Steigerung von 66% erreicht werden. Auch hat in diesem Zeitraum die Akzeptanz gegenüber elektro- nischen Medien allgemein zugenommen, so dass die BVG AöR den Vertrieb über elektronische Medien, wie z. B. die BVG Smartphone-App für iOS und Android sowie den Vertrieb über die eigene Homepage stärkt. Sehr er- folgreich wurden in den letzten Jahren 5 Kundenzentren neu eröffnet. Hier wird ganz bewusst der enge Kontakt zum Kunden gepflegt, also weg vom Schalter hin zum kundenfreundlichen Gespräch. Hier ist für die nächsten Jahre ein weiterer Ausbau geplant. Derzeit stehen unseren Kunden 288 private und 12 eigene Verkaufsstellen sowie rd. 1240 Fahrausweisautomaten zur Verfügung.“ Die ODEG betreibt in Berlin von 2004 bis 2014 eine personalbediente Verkaufsstelle selbst. Frage 4: Wie hoch sind üblicherweise Provisionen, die die BVG mit privaten Verkaufsstellen, z.B. Lotto- und Zeitschriftenläden, in Berlin vertraglich festlegt? Sollten diese keine einheitliche Höhe haben, nach welchen Krite- rien bestimmt sich die Provisionshöhe jeweils und wie hoch sind die Provisionen im Vergleich zu den Provisio- nen des VBB an die direkten Verkaufsstellen der Ver- kehrsunternehmen? Antwort zu 4: Die BVG AöR teilt hierzu mit: „Die Provisionen an die privaten Verkaufsstellen variieren in Abhängigkeit vom Bruttoumsatz der privaten Verkaufsstellen.“ Der VBB zahlt keine Provisionen für Vertriebsleis- tungen. Die Vertriebsleistungen sind vielmehr Bestandteil der Verkehrsverträge mit der BVG und den Eisenbahn- verkehrsunternehmen. Für Verkehrsleistungen im Schie- nenpersonennahverkehr (S-Bahn- und Regionalverkehr) hat das Land Berlin zusammen mit dem Land Branden- burg mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen Verkehrs- verträge abgeschlossen. In den jeweils zu zahlenden Prei- sen für die Verkehrsleistungen sind die jeweiligen Ver- triebsleistungen enthalten. Den Ländern wurde jedoch bekannt, dass die DB AG beabsichtigt, tiefgreifende Änderungen bei der Höhe der Provisionssätze für den Vertrieb durch Agenturen vorzu- nehmen. Die Verkehrsministerkonferenz der Länder hat daher im November 2013 bedauert, „dass die DB AG jetzt auch im Vertrieb Kosteneinsparungen für den Bereich des eigenwirtschaftlichen Fernverkehrs zu Lasten des ge- meinwirtschaftlich organisierten Schienenpersonennah- verkehrs durchzusetzen versucht und damit den Rückzug aus der Fläche weiter forciert. … Die Verkehrsministerkonferenz sieht in dem Vertrieb von Fahrkarten ein wich- tiges Element des Schienenpersonenverkehrs, an das vergleichbare Anforderungen bezüglich eines diskriminie- rungsfreien Zugangs zu stellen sind, wie sie im Bereich der Eisenbahninfrastruktur gelten.“ Frage 5: Wie hoch sind Provisionen vergleichbarer Verkaufsstellen in Brandenburg? Antwort zu 5: Die BVG AöR teilt hierzu mit: „Zu dieser Frage kann die BVG AöR keine Aussage treffen.“ Die ODEG hat zu den Höhen der Provisionssätze ebenfalls keine Angaben gemacht. Frage 6: Sollten die Provisionen in Brandenburg grundsätzlich höher sein als in Berlin, welche Gründe sieht der Senat hierfür und wie bewertet er die Unter- schiede insbesondere in Bezug auf die Existenzgrundlage der Verkaufsstellen und die Auswirkungen auf Fahrgast- zufriedenheit (Möglichkeit, wohnortnah Fahrscheine vorab erwerben zu können) und Fahrgastzahlen? Antwort zu 6: Dem Senat ist nicht bekannt, dass die Höhe der Provisionssätze von dem Bundesland abhängig ist, in dem sich die Verkaufsstelle befindet. Sie hängen offensichtlich von anderen Kriterien der Verkehrsunter- nehmen ab, die dem Senat nicht bekannt sind. Entsprechend dem Beschluss der Verkehrsminister- konferenz sieht sich der Senat in seinem Bestreben bestä- tigt, sich für einen gegenüber Eisenbahnverkehrsunter- nehmen und Vertriebsdienstleistern diskriminierungsfrei- en Vertrieb durch den DB-Konzern einzusetzen. Hier sind Regelungen erforderlich, die nur von dem Bundesgesetz- geber geschaffen werden können. Diese wurden vom Land Berlin eingefordert aber bisher leider nicht umge- setzt. Frage 7: Inwieweit sind die Provisionshöhen in Berlin vom Umsatz der Agenturen oder anderen Faktoren ab- hängig? Antwort zu 7: Die BVG AöR teilt hierzu mit: „Die Provisionen der privaten Agenturen als Vertragspartner der BVG AöR sind ausschließlich umsatzab- hängig.“ Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 294 3 Die ODEG teilt hierzu mit, dass die Provisionshöhen von den „Verhandlungen mit den Agenturisten bzw. dem Vertriebsdienstleister“ abhängig sind. Frage 8: Entstehen privaten Verkaufsstellen in Berlin weitere Kosten durch den Fahrkartenverkauf, ähnlich der Kosten für die Nutzung des elektronischen Buchungssys- tems der Deutschen Bahn im Fall Brandenburger Ver- kaufsstellen? Wenn ja, welche und in welcher Höhe? Antwort zu 8: Die BVG AöR teilt hierzu mit: „Den privaten Agenturen als Vertragspartner der BVG AöR entstehen grundsätzlich keine weiteren Kosten. Als Ausgleich für die Nutzung des elektronischen Verkaufs- systems PVS erhalten die Vertragspartner eine jährliche Stromkostenpauschale i. H. v. 100 EUR. Weiterhin erhal- ten die Vertragspartner jährlich 50 EUR für die durch die BVG AöR bereitgestellte und installierte Außenwer- bung.“ Die ODEG hat hierzu keine Angaben gemacht. Frage 9: Hält der Senat die Höhe der Provisionen (vgl. Frage 4) den privaten Verkaufsstellenbetreibern gegen- über zumutbar, insbesondere hinsichtlich ihrer wirtschaft- lichen Existenzfähigkeit, einer tarifgerechten Entlohnung sowie unter dem Gesichtspunkt, dass von diesen umfas- sende Tarifkenntnisse erwartet werden, um Fahrgäste hinsichtlich der richtigen Fahrscheinwahl zu beraten? Antwort zu 9: Die Höhe der von den Verkehrsunter- nehmen gezahlten Provisionssätze ist dem Senat nicht bekannt. Es wird auf die Beantwortung der Fragen 4 und 6 verwiesen. Frage 10: Sieht der Senat die Gefahr von sinkenden Fahrgastzahlen des ÖPNV in Berlin, wenn zunehmend private Verkaufsstellen aus wirtschaftlichen Gründen den Verkauf einstellen und sich insbesondere in Randgebieten der Stadt Berlin die Möglichkeit verschlechtert, Fahr- scheine wohnortnah zu erwerben? Antwort zu 10: Der Senat hält zur attraktiven Gestal- tung des ÖPNV ein ausreichend großes Netz von Ver- triebsstellen für notwendig. In den Verkehrsverträgen sind daher entsprechende Vorgaben enthalten. Die BVG ist im Rahmen des Verkehrsvertrages vertraglich verpflichtet, in jedem Stadtteil- und übergeordneten Zentrum mindestens eine personalbediente Verkaufsstelle anzubieten. Für die S-Bahn Berlin GmbH und die Eisenbahnverkehrsunter- nehmen im Regionalverkehr sind jeweils die konkreten Vertriebsstandorte für den personalbedienten Vertrieb vorgegeben. Frage 11: Welche Möglichkeiten sieht der Senat, in die Provisionsgestaltung einzugreifen bzw. auf die betref- fenden Verkehrsunternehmen einzuwirken, das bisherige Serviceangebot durch wohnortnahen Fahrkartenverkauf zu erhalten bzw. sogar auszubauen? Antwort zu 11: Es wird auf die Beantwortung der Fra- gen 4 und 10 verwiesen. Berlin, den 11. März 2014 In Vertretung Christian G a e b l e r ...................................... Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Mrz. 2014)