Drucksache 17 / 13 311 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Franziska Becker (SPD) vom 14. Februar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. März 2014) und Antwort Teilzeitausbildung (TZBA) in Berlin: Nachfrage und Potential Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) bietet seit 2005 die Möglichkeit einer dualen Ausbildung in Teilzeit an. Gesetzliche Grundlage ist der § 8 BBiG bzw. der § 27 der Handwerksordnung. Danach hat auf gemeinsamen Antrag der Auszubildenden und Ausbildenden die zustän- dige Stelle die Ausbildungszeit zu kürzen, wenn zu erwar- ten ist, dass das Ausbildungsziel in der verkürzten Zeit – es ist auch eine tageszeitliche Verkürzung möglich- er- reicht wird. In Ausnahmefällen kann die zuständige Stel- le auf Antrag Auszubildender die Ausbildungszeit verlän- gern. Die Arbeits- und Sozialministerkonferenzen 2013 und 2013 haben sich dafür ausgesprochen, dass für die Möglichkeit der Teilzeitberufsausbildung geworben und die Information verbessert wird. Die IHK Berlin und die Handwerkskammer Berlin haben am 27.Februar 2014 eine gemeinsame Veranstaltung unter dem Titel „Teilzeitausbildung nutzen. Fachkräfte sichern“ im Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer Berlin mit Beispielen von ausbildenden Unternehmen, Auszubilden- den sowie Ausbilderinnen und Ausbildern zur Werbung bei Unternehmen durchgeführt. Das Land Berlin hat sich an der Veranstaltung aktiv beteiligt. 1. In welchem Umfang wird die seit 2005 in Berlin verankerte Möglichkeit der TZBA genutzt? - Sofern eine Datenübersicht nach Bezirken darstellbar ist, sollte diese hier bitte aufgelistet werden. Zu 1.: Die folgenden Informationen beruhen auf den Zulieferungen der zuständigen Stellen für Berufsbildung mit Stand Februar 2014 und bilden den in der zur Verfü- gung stehenden Zeit ermittelbaren Sachstand ab. Bei der IHK Berlin sind 190 Auszubildende in 24 Ausbildungsberufen in Teilzeitausbildung gemeldet - davon 109 in Sonderprogrammen (außerbetrieblich) und 81 in betrieblicher Ausbildung. Zu den Berufen gehören u.a.: Kauffrau für Bürokom- munikation und Kaufmann für Bürokommunikation, Fachinformatikerin und Fachinformatiker, Verkäuferin und Verkäufer, Buchhändlerin und Buchhändler, Hotel- fachfrau und Hotelfachmann, Bauzeichnerin und Bau- zeichner, Veranstaltungskauffrau und Veranstaltungs- kaufmann, Mediengestalterin und Mediengestalter, Hauswirtschafterin und Hauswirtschafter, Industriekauf- frau und Industriekaufmann. Bei der Handwerkskammer Berlin sind 59 Auszubil- dende – 57 weiblich und 2 männlich - in Teilzeitausbildung gemeldet. Davon befinden sich 7 Auszubildende in betrieblicher Ausbildung, 52 werden bei Bildungsträgern in Teilzeit ausgebildet. Die Ausbildung erfolgt für 20 Auszubildende als Tischlerin, 12 als Maßschneiderin, 7 als Goldschmiedin, 5 als Bootsbauerin und Bootsbauer, 4 als Friseurin und Friseur, 2 als Änderungsschneiderin, 2 als Bürokauffrau und jeweils eine Auszubildende als Gebäudereinigerin, Keramikerin, Kosmetikerin, Kraft- fahrzeugmechatronikerin, Orthopädietechnik-Mechanike- rin und Schilder- und Lichtreklameherstellerin. Im Berufsausbildungsverzeichnis der zuständigen Stelle öffentlicher Dienst sind 2 Teilzeitberufsausbildun- gen im Ausbildungsberuf Verwaltungsfachangestellte bzw. Verwaltungsfachangestellter eingetragen. Bei der Apothekerkammer Berlin wurden seit 2005 drei TZBA im Ausbildungsberuf Pharmazeutisch kauf- männische Angestellte/Angestellter (PKA) durchgeführt. Die Rechtsanwaltskammer berichtet von 5-10 Fällen jährlich im Rahmen der TZBA, die Steuerberaterkammer Berlin geht von 1-2 Verträgen im Rahmen der TZBA aus. 2. Gibt es Fälle, bei denen eine TZBA nicht bewilligt wurde? Welche zum Beispiel? 3. Welche Verlängerungsgründe wurden bislang wie häufig angegeben? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 311 2 Zu 2. und 3.: Laut Auskunft der befragten zuständigen Stellen wurden bisher alle beantragten TZBA bewilligt. Die ausbildenden Unternehmen sind dazu nach allen vorliegenden Informationen gerne bereit. Verlängerungs- gründe wurden bisher keine angegeben. Der Vorstand der Steuerberaterkammer Berlin (StBK) hat im Jahr 2008 unter Berücksichtigung der Auffassung des Ausschusses 31 der Bundessteuerberaterkammer (BUKA) beschlossen, Berufsausbildung in Teilzeit grund- sätzlich nur zustimmen, wenn eine Mindestwochenausbil- dungszeit von 33 Stunden pro Woche bzw. 6,6 Stunden pro Tag nicht unterschritten wird. Des Weiteren dürfen in den Kooperationsverträgen der Gesellschaft mit Kam- mermitgliedern keine Kündigungsregelungen zu Lasten der Auszubildenden enthalten sein. Zudem vertritt der Vorstand die Auffassung, dass bei Ausbildungsverhältnis- sen in Teilzeit keine Verkürzung der Ausbildungszeit, beispielsweise von drei Jahren auf zweieinhalb oder zwei Jahre, genehmigt werden kann, da anderenfalls die Aus- bildungsinhalte nicht in dem erforderlichen Maß vermit- telt werden können. 4. Wie hoch schätzt der Senat die Nachfrage nach TZBA-Plätzen von Seiten der Zielgruppe und die Bereit- schaft zum Angebot von Seiten der Betriebe ein? Zu 4.: Entsprechend differenzierte Informationen über die potentielle Nachfrage und das Angebot an Ausbil- dungsplätzen in Teilzeit liegen dem Senat nicht vor. 5. Welche Initiativen oder Projekte wurden und werden in Berlin durchgeführt, um Betriebe für die Bereit- schaft, TZBA-Plätze anzubieten, zu gewinnen? Oder andersrum: Woran merkt die potentielle Zielgruppe, dass es ein solches Angebot gibt? Zu 5.: Aktuell gibt es im Land Berlin verschiedene Netzwerke zum Thema Teilzeitausbildung, die sich mit der Thematik auseinandersetzen und versuchen über Öf- fentlichkeitsarbeit und in Zusammenarbeit mit den Netz- werkpartnern zu erfolgreichen Ergebnissen zu kommen. Zu den Netzwerkpartnern gehören u.a. Jugendberatungs- dienste, Ausbildungsträger sowie die Abteilung Frauen. Die Zahl der Teilzeitberufsausbildungen der überbe- trieblichen Träger LiLA und MüLe, die seit 2007 durch- geführt werden, umfassen im Jahr durchschnittlich 24-30 Ausbildungsplätze. Aktuell gibt es in vier laufenden Jahr- gängen 87 weibliche Auszubildende. 2010 wurde die Webseite http://www.teilzeitberufsausbildung-berlin.de gestartet, die sehr umfangreiche Informationen über die Teilzeitbe- rufsausbildung bereitstellt. Die Umsetzung der Webseite wurde von der damaligen Senatsverwaltung für Wirt- schaft, Technologie und Frauen inhaltlich und finanziell unterstützt. Die zuständigen Stellen für die Berufsbildung infor- mieren über die Möglichkeit der Teilzeitberufsausbildung im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit in ihren Kammer- medien. 6. Hat der Senat Informationen darüber, in wie weit TZBA als Weiterbildung nach § 16 SGB II i. v. m. § 81 SGB III genutzt wird? Zu 6.: Die Regionaldirektion Berlin Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit teilt dazu folgendes mit: „Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach § 16 SGB II i. v. m. § 81 SGB III werden in Berlin von der Bildungsträgerlandschaft in Teilzeit angeboten und von den gemeinsamen Einrichtungen je nach individuellem Erfordernis des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten gefördert. In Zusammenarbeit mit den gemeinsamen Einrichtun- gen, den Agenturen für Arbeit und den Senatsverwaltun- gen – beteiligt sind die Senatsverwaltungen für Arbeit, Integration und Frauen, für Bildung, Jugend und Wissen- schaft sowie für Wirtschaft, Technologie und Forschung sowie den Kammern, dem Deutschen Gewerkschafts- bund (DGB) Bezirk Berlin-Brandenburg und den Unter- nehmensverbänden Berlin-Brandenburg (uvb) werden jährlich im Rahmen der Berliner Bildungszielplanung die notwendigen Qualifizierungsschwerpunkte für Umschu- lungen und Weiterbildungen in Teilzeitform entsprechend der förderbedürftigen Personengruppen abgestimmt. So sieht die Bildungszielplanung 2014 unter Beach- tung des Fachkräftebedarfs vor allem einen Qualifizie- rungsschwerpunkt in Teilzeit im kaufmännischen Bereich und im Gesundheitsbereich vor, insbesondere bei Um- schulungen in die Altenpflege. Hierbei wurden besonders die Förderbedarfe von Alleinerziehenden, jungen Er- wachsenen ohne Berufsabschluss und Migrantinnen und Migranten berücksichtigt. Auch für die Zielgruppe der Langzeitarbeitslosen werden zur Heranführung an den Arbeitsmarkt bzw. zur Stabilisierung der Beschäftigungsfähigkeit Teilzeitange- bote im Bereich Bau-, Reinigungs- und Gastgewerbe, Lagerlogistik und Einzelhandel für notwendig erachtet. Die gemeinsamen Einrichtungen und die Arbeitsagen- turen in Berlin werben über die Bildungszielplanung bei den Bildungsträgern für entsprechende Angebote. Zur Schaffung von Transparenz wird die Bildungs- zielplanung 2014 im Internet der Bundesagentur für Ar- beit veröffentlicht: http://www.arbeitsagentur.de/web/wcm/idc/groups/pu blic/documents/webdatei/mdaw/mdk4/~edisp/l6019022ds tbai387779.pdf?_ba.sid=L6019022DSTBAI387782 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 311 3 Im Vorfeld werden regionale Informationsveranstal- tungen für die Bildungsträger durchgeführt. Darüber hin- aus beraten und informieren die Beauftragten für Chan- cengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) in Zusammenarbeit mit Berufsberatung und Vermittlungsfachkräften rechts- kreisübergreifend über Teilzeitberufsausbildung und bieten auch spezielle Informationsveranstaltungen für Arbeitgeber an.“ 7. Auf welche Weise wird der Berufsschulbesuch abgesichert ? Zu 7.: Die zuständige Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft teilt dazu folgendes mit: „Bisher liegen nur einzelne Erfahrungen mit Teilzeitauszubildenden vor, die häufig den vorgesehenen Berufs- schulunterricht im vollen Umfang absolvierten. Hier ka- men Teilzeitmodelle zum Tragen, bei denen die Ausbil- dungszeit auf 30 Stunden reduziert wurde. Die Organisation von deutlich reduziertem Berufs- schulunterricht in Praxismodellen der Teilzeitausbildung, wenn keine Verlängerung der Ausbildungszeit vorgese- hen ist, stellt höhere Organisationsanforderungen für die beruflichen Schulen. Weil der Berufsschulabschluss an die vollständige Absolvierung der vorgesehenen Stunden- tafel gebunden ist, sind bisher E-Learning-Modelle zum Einsatz gekommen, so dass täglich maximal sechs Unter- richtsstunden von den Auszubildenden absolviert werden müssen. Noch etwas komplexer gestaltet sich die Situation für Teilzeitausbildende, wenn in Abstimmung mit den Aus- bildungsbetrieben stundenplantechnisch der Berufsschul- unterricht in Wochenblöcken zusammengefasst wird. Hier werden momentan noch Umsetzungsmodelle für das nächste Schuljahr 2014/15 erarbeitet. 8. Welche Möglichkeiten sieht der Senat in der Öffnung vollschulischer Angebote für TZBA? Wie schätzt der Senat die Nachfrage danach ein? Zu 8.: Die zuständige Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft teilt dazu folgendes mit: „Schülerinnen und Schüler der mehrjährigen Berufsfachschulen mit Kammerprüfung oder schulischer Prü- fung haben bisher noch keine Anfragen nach Teilzeitmo- dellen gestellt." 9. Welche Erfahrungen wurden mit der Sicherung der Kinderbetreuung für TZ-Auszubildende gemacht? Zu 9.: Die zuständige Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft teilt dazu folgendes mit: „Statistische Daten liegen hierüber nicht vor. Der Anspruch auf eine Kinderbetreuung richtet sich nicht nach Ausbildungsformen.“ 10. Hat der Senat Informationen darüber, in wie fern Organisationen und Unternehmen den Wegfall von Ar- beitsstunden kompensieren? Zu 10.: Dazu liegen derzeit keine Informationen vor. 11. In wie weit ist die Wiederaufnahme einer Vollzeitausbildung geregelt? Zu 11.: Die Wiederaufnahme einer Vollzeitausbildung wird wie die Aufnahme einer Teilzeitberufsausbildung zunächst zwischen dem/der Auszubildenden und dem Ausbildungsbetrieb geregelt, die zuständige Stelle für die Berufsbildung muss dem gemäß § 8 BBiG zustimmen. Eine Verkürzung kann erfolgen, wenn zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit erreicht wird. Bei berechtigtem Interesse kann sich der Antrag auch auf die Verkürzung der täglichen oder wöchentli- chen Ausbildungszeit richten (Teilzeitberufsausbildung). In Ausnahmefällen kann die zuständige Stelle auf Antrag Auszubildender die Ausbildungszeit verlängern, wenn die Verlängerung erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Vor der Entscheidung sind die Ausbildenden zu hören. 12. Welche Unterstützungsangeboteangebote bietet Berlin für Ausbildungssuchende in Familienverantwor- tung über die TZBA hinaus? Zu 12.: Das Land Berlin bietet mit der „Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Zuschüssen zur För- derung der Berufsausbildung“ im Land Berlin einen Fördertatbestand für Unternehmen an, die eine alleinerzie- hende Person für einen betrieblichen Ausbildungsplatz einstellen. Diese Förderung in Höhe von 7.500 Euro für das Unternehmen, das einen betrieblichen Ausbildungs- platz mit einer alleinerziehenden Person besetzt, wird aktuell in 16 Fällen abgerufen. Die mit der Umsetzung und Ausreichung der Fördermittel des Landes Berlin bei der Handwerkskammer Berlin angesiedelte Stelle fbb – Förderung der Berufsbildung – informiert und berät zu allen Fördertatbeständen und führt in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen gezielte Informationen sowie öffentlichkeitswirksame Maßnahmen durch. Auf den Fördertatbestand „Förderung von Alleinerziehenden“ wird zudem bei geeigneten Veranstaltungen gezielt hingewiesen, so bei Präsentationen von BerlinArbeit durch die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen im Landesjugendhilfeausschuss oder beim Berliner Familienbeirat. Es ist darüber hinaus vorgesehen, eine weitere Inan- spruchnahme durch gezielte Zusammenarbeit mit der seit Anfang 2014 tätigen „Verbundberatung für duale Berufsausbildung “ zu erreichen. Die Verbundberatung für duale Berufsausbildung ist ein Projekt, das im Rahmen des Programms BerlinArbeit der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen durchgeführt und aus Mitteln des Landes Berlin gefördert wird. Träger ist der Verein zur Förderung der beruflichen Bildung Berlin e.V. (vfbb), dessen Mitglieder die Industrie- und Handelskammer zu Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 311 4 Berlin, die Handwerkskammer Berlin, der Verband der Freien Berufe in Berlin e.V. (VfB) sowie die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg e.V. (UVB) sind. Teilzeitberufsausbildungen bieten mittlerweile auch große Unternehmen an, so z. B. die BVG, die mit direkter Werbung für 10 duale Ausbildungsberufe wirbt. 13: Hat der Senat Ergänzungen zu dieser Anfrage? Zu 13.: Nein. Berlin, den 19. März 2014 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Mrz. 2014)