Drucksache 17 / 13 312 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Silke Gebel (GRÜNE) vom 27. Februar 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. März 2014) und Antwort Welche Auswirkungen hat das EU-US Handels- und Investitionsabkommen TTIP und das EU-Kanada Handelsabkommen CETA auf den Umweltschutz in Berlin? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bringt sich der Senat in die Verhandlungen zum EU-US Handels- und Investitionsabkommen TTIP und dem EU-Kanada-Handelsabkommen CETA ein? Zu 1.: Die Verhandlungsführung über bilaterale Ab- kommen der EU mit Drittstaaten liegt als Teil der ge- meinsamen Handelspolitik gemäß Artikel 207 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union bei der Europäischen Kommission. Die Europäi- sche Kommission ist bei ihren Verhandlungen an das Mandat gebunden, das ihr vom Handelsministerrat gege- ben wurde, und das für die Europäische Kommission als Richtschnur für die Verhandlungen, aber auch als Be- schränkung der Verhandlungsfreiheit bedeutsam ist. Die Bundesregierung vertritt bei der Mandatserteilung sowie bei der die Verhandlungen begleitenden Abstimmung der Europäischen Kommission mit den Mitgliedstaaten die Interessen Deutschlands. Der Bundesrat (Drs. 463/13) hat - mit der Stimme Berlins- die Absicht begrüßt, ein Freihandelsabkommen mit den USA auszuhandeln, um wirtschaftliche Potentiale auf beiden Seiten des Atlantiks zu heben und im globalen Rahmen gemeinsame wirtschafts-, wettbewerbs- und handelspolitische Interessen noch wirkungsvoller vertre- ten zu können. Er hat aber auch eine grundsätzliche Aus- nahme für den Kultur-und Mediensektor gefordert und dies damit begründet, dass dem besonderen Charakter von Kultur- und Mediendienstleistungen als Wirtschaftsgut einerseits und als Träger von Identität und Werten ande- rerseits in angemessener und notwendiger Weise Rech- nung zu tragen ist. Seitdem mit den Verhandlungen mit Kanada zu einem Umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (Com- prehensive Economic and Trade Agreement – CETA) die Komplexität der Freihandelsabkommen zugenommen hat und ein Bedürfnis nicht nur nach informatorischer Be- rücksichtigung der Länder, sondern auch nach materiell- rechtlichen Zulieferungen besteht, werden die Länder inzwischen im Vorfeld von Verhandlungen sowie im weiteren Verlauf detaillierter und häufiger vom Bund über den Fortgang der Verhandlungen unterrichtet und bei der Festlegung von für die Länder sensiblen Verhand- lungspositionen einbezogen. Der Senat wirkt im Rahmen dieser Bund-Länder-Zusammenarbeit im Bereich Außen- wirtschaft, sowie in anlassbezogen einberufenen Informa- tions- und Beratungsrunden beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu spezifischen, sich aus dem jeweiligen Verhandlungsstand ergebenden Fragen mit. Hinsichtlich des CETA betraf dies vor allem die Erhe- bung bestehender Beschränkungen im Dienstleistungsbe- reich auf Länderebene, da in einer sogenannten Negativ- liste durch alle Mitgliedstaaten jene Ausnahmen zu be- nennen waren, in denen eine vollständige Öffnung des Marktzutritts nicht gegeben ist und die daher auch von der Marktöffnung gegenüber Kanada ausgenommen bleiben sollen. Im Rahmen dieser Besprechungen wurden auch die von der EU vorgesehenen Bereichsausnahmen - etwa für den Bereich der Daseinsvorsorge - erörtert, bzw. ent- sprechende Forderungen der Länder formuliert, wie z.B. die Ausnahme für den Bereich der überwiegend öffentlich finanzierten Bildung. Hierdurch, sowie durch die flankie- rende inhaltliche Abstimmung mit den Ländern sowohl zu den deutschen Meldungen zur Negativliste, als auch zur Beantwortung von sich hieraus ergebenden Anmerkungen und Nachfragen der Europäischen Kommission, werden die Länder im Bereich der Dienstleistungsliberalisierung hinreichend beteiligt. Dies gilt grundsätzlich auch hinsichtlich der Verhand- lungen mit den USA zu der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership - TTIP). Zwar stehen die Ver- handlungen zum TTIP noch am Anfang. Auch hier infor- miert der Bund die Länder bereits über den aktuellen Verhandlungsstand, soweit dieser dem Bund bekannt ist. Die zwischen den Verhandlungsparteien bisher bewahrte strikte Geheimhaltung der Verhandlungsdokumente führt hinsichtlich der Verhandlungen zum TTIP jedoch dazu, dass auch der Bund zu wesentlichen Teilen auf die Be- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 312 2 richterstattung durch die Europäische Kommission etwa im Handelspolitischen Ausschuss angewiesen ist. Die Europäische Kommission hat angeboten, auch die Büros der deutschen Länder in Brüssel regelmäßig über den Verhandlungsstand zu informieren. Die Interessen der deutschen Bundesländer können damit direkt an die Eu- ropäische Kommission herangetragen werden. Sobald von den Länderbüros in Brüssel neue Informationen zum TTIP vorliegen, werden diese auch dem Abgeordneten- haus zur Verfügung gestellt. 2. Wie schätzt der Senat die Möglichkeiten der Ein- flussnahme über den Bundesrat ein? Wird der Bundesrat dem Abkommen zustimmen müssen? Zu 2.: Der Senat geht davon aus, dass die Abkommen CETA und TTIP als sog. gemischte Abkommen geschlos- sen werden, d.h. sowohl die EU als auch die Mitgliedstaa- ten werden unmittelbar Vertragspartner Kanadas, bzw. der USA. Eine formale Beteiligung des Bundesrates er- folgt erst im Rahmen der Ratifizierung. Ob diese im We- ge eines Gesetzes zu erfolgen hat, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, kann durch den Senat erst einge- schätzt werden, wenn der Text des jeweiligen Abkom- mens und damit die konkreten Regelungsinhalte bekannt sind und an den Gesetzgebungskompetenzen der Länder gemessen werden können. Es bleibt dem Bundesrat unbenommen, sich durch Entschließungen auch vor dem Ratifizierungsverfahren zu den Verhandlungen der Abkommen zu äußern. Der Senat hält es jedoch für zielführender, die Länderinteressen im Rahmen der inzwischen vertieften Zusammenarbeit zwi- schen Bund und Ländern unmittelbar gegenüber der Bun- desregierung geltend zu machen. 3. Wie hat der Senat bei der Bundesratsdrucksache 464/13 abgestimmt und weshalb? Zu 3.: Der Senat hat sich im Bundesrat zum Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Ba- den-Württemberg und Bremen auf Entschließung des Bundesrates zur Aufnahme von Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) (BR-Drucksache 464/13) enthalten. Da über den Entschließungsantrag kurzfristig und ohne vorherige Befassung der Ausschüsse zu entscheiden war, ließ sich die auch unter den Ländern uneinheitlich beurteilte Frage, ob es der im Entschlie- ßungsantrag geforderten Bereichsausnahmen tatsächlich bedarf oder ob bereits das Verhandlungsmandat der Euro- päischen Kommission hinreichende Beschränkungen enthält, um zu entsprechenden Ergebnissen zu gelangen, ohne pauschale Bereichsausnahmen statuieren zu müssen, nicht abschließend klären. Der Senat beschloss daher sich zu enthalten. 4. Wie werden die Länder über den Fortgang der Verhandlungen informiert? Wird der Senat sich für eine stärkere Einbeziehung einsetzen? Falls nicht, warum? Zu 4.: Siehe Antwort zu Frage 1. 5. Wie sieht der weitere Zeitplan für die Verhandlung und Ratifizierung von CETA und TTIP aus? Zu 5.: Eine detaillierte und verbindliche Zeitplanung liegt dem Senat nicht vor. Die Verhandlungen zu CETA sollen nach Auskunft der Europäischen Kommission kurz vor dem Abschluss stehen. Wann genau mit der Veröf- fentlichung des Verhandlungsergebnisses zu rechnen ist und in welchem Zeitraum die Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten erfolgen soll, ist dem Senat jedoch nicht bekannt. Auch der weitere Zeitplan des TTIP ist für den Senat noch nicht absehbar. Bisher hat es drei Verhand- lungsrunden gegeben, in denen die jeweiligen Standpunk- te ausgetauscht wurden. Die vierte Verhandlungsrunde fand vom 10. bis 14. März 2014 in Brüssel statt. Dass die Verhandlungen durch die neue Europäische Kommission fortzusetzen sein werden, gilt als sicher. 6. Macht sich der Senat stark, dass die öffentliche Daseinsvorsorge aus den Verhandlungen zu TTIP und CETA ausgenommen werden? 7. Teilt der Senat meine Ansicht, dass die Wasserver- und -entsorgung nicht Bestandteil der Verhandlungen zu CETA und TTIP sein darf? 8. Wie setzt sich der Senat dafür ein, dass es eine weitreichende Bereichsausnahme der Wasserent- und - versorgung bei CETA und TTIP gibt? Zu 6. bis 8.: Der Senat, wie auch die anderen Bundes- länder, vertritt die Auffassung, dass die öffentliche Da- seinsvorsorge einschließlich der Wasserver- und –entsorgung durch die Abkommen nicht berührt werden darf. Diese Ausnahme war bereits im General Agreement on Trade in Services (GATS) von 1995 enthalten und sollte nach Auffassung des Senats durch die Abkommen nicht in Frage gestellt werden. Die Bundesregierung hat den Ländern mitgeteilt, dass auch das CETA-Verhandlungs- angebot der EU eine entsprechende Ausnahme im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und explizit auch für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Wasserver- sorgung, -entsorgung und -reinigung enthalte. Auch der Europäischen Kommission ist bewusst, dass die öffentli- che Daseinsvorsorge und der Bereich der Wasserver- und -entsorgung für Deutschland und zahlreiche andere Mit- gliedstaaten nicht zur Disposition stehen. „Hier wird nicht eine Privatisierung über ein Freihandelsabkommen er- zwungen werden können“, versprach der zuständige EUKommissions -Direktor Schlegelmilch dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages im Gespräch am 10. Februar 2014 (Prot. 18/3. S. 12). Ein detaillierteres Bekenntnis der Europäischen Kommission hierzu findet sich in der Pressemitteilung der Europäi- schen Kommission vom 20. Dezember 2013 „Wasserver- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 312 3 sorgung – kein Bestandteil der TTIP-Verhandlungen“ (http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2013/december/trad oc_152029.pdf). 9. Wird sich der Senat dafür stark machen, dass die Grenzwerte für Schadstoffemissionen im Rahmen der CETA und TTIP-Verhandlungen mindestens beibehalten werden und die Berliner Luft zumindest nicht schlechter wird? 10. Wird sich der Senat dafür stark machen, dass Lärm-Grenzwerte mindestens auf dem jetzigen Stand bleiben und auch ein Nachtflugverbot an den Berliner Flughäfen nicht durch das CETA und/oder TTIP unmög- lich gemacht wird? 11. Wie setzt sich der Senat dafür ein, dass die ange- strebte Beseitigung von nichttarifären Handelshemmnis- sen nicht zu einer ökologischen Verschlechterung der geltenden Chemikaliengesetzgebung führen wird? 12. In welchen Bereichen des deutschen und des euro- päischen Umweltschutz sieht der Senat Gefahren für eine Schwächung der Umweltschutzstandards und daher keine Möglichkeit einer Harmonisierung durch CETA und/oder TTIP? 13. Welche Länderkompetenzen sieht der Senat im Bereich Umweltpolitik durch CETA und/oder TTIP tan- giert, so dass ein Eingreifen erforderlich wäre? Zu 9. bis 13.: Dem Senat liegen keine Informationen vor, dass durch CETA oder TTIP Schadstoff- oder Lärm- grenzwerte abgesenkt, die Chemikaliengesetzgebung ökologisch verschlechtert, deutsche oder europäische Umweltschutzstandards gefährdet oder umweltpolitische Landeskompetenzen tangiert werden sollen. Berlin, den 20. März 2014 In Vertretung Guido B e e r m a n n ......................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Mrz. 2014)