Drucksache 17 / 13 332 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 05. März 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. März 2014) und Antwort Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Berlin (III) – Berliner Landesprogramm Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen haben zum aktuellen Stichtag gemäß Erlass der Senatsverwaltung für Inneres vom 25.09.2013 bei der Berliner Ausländerbehörde einen Antrag auf Visumserteilung für ihre Angehörigen gestellt, die infolge des syrischen Bürgerkriegs aus ihrem Wohnort flüchten mussten (erweiterter Verwandtennachzug)? 2. Für wie viele nachzugswillige Angehörige wurden Anträge gestellt (bitte absolute Personenzahl nennen)? Zu 1. u. 2.: Dazu können keine genauen Angaben ge- macht werden, weil die Anträge in der Ausländerbehörde nicht sofort nach Eingang erfasst werden und mit einem Antrag regelmäßig die Vorabzustimmung zur Visumser- teilung für eine Vielzahl von Personen - bis zu 22 - be- gehrt wird. 3. Wie viele Anträge wurden abgelehnt a. aufgrund zu geringer Einkünfte der hier lebenden Angehörigen? b. aufgrund fehlender Nachweise der Verwandt- schaftsverhältnisse? c. aufgrund nicht legalisierter Nachweise der Ver- wandtschaftsverhältnisse? d. aufgrund fehlender oder nicht legalisierter Identi- tätsdokumente der geflohenen Angehörigen? e. weil sich der/die Antragstellende noch nicht seit 1. Januar 2013 im Bundesgebiet aufhält? f. aus sonstigen Gründen? 4. Wie viele Anträge auf erweiterten Verwandten- nachzug wurden bis zum aktuellen Stichtag positiv be- schieden und dabei eine Vorabzustimmung für die Visaer- teilung gegeben? Zu 3. u. 4.:Derzeit wurden für 345 Personen die Be- gehren abschließend geprüft. In 198 Fällen wurden Vor- abzustimmungen zur Visumserteilung an die deutschen Botschaften übersandt. In 147 Fällen konnte keine Vorab- zustimmung gegeben werden. Zu den Gründen für eine nicht zu gebende Vorabzu- stimmung kann statistisch keine genaue Aussage getrof- fen werden. Als Haupthindernisse sind hier aber zu nen- nen das mangelnde Einkommen und damit die fehlende Lebensunterhaltssicherung bzw. ein fehlendes (enges) Verwandtschaftsverhältnis. "3.c. und d." stellen nie einen Hinderungsgrund dar, da die Legalisation bzw. der Ver- zicht hierauf in die Prüfungskompetenz der Botschaften als der sachnäheren Behörde fällt. Kopien von Nachwei- sen zum Verwandtschaftsverhältnis und der Identität werden verlangt und tatsächlich auch erbracht. 5. Für welchen Zeitraum wurde die Vorabzustim- mung jeweils erteilt und werden hier Unterschiede je nach Belastung der jeweiligen deutschen Auslandsvertretung gemacht? Zu 5.: Die Ausländerbehörde erklärt die Vorabzu- stimmung zur Visumserteilung für sechs Monate. Es werden keine Unterschiede je nach Belastung der Bot- schaften gemacht. 6. In wie vielen Fällen der Vorabzustimmung ver- zichtet die Ausländerbehörde auf den regulären vorlegali- sierten Verwandtschaftsnachweis (Urkunden), wie es im Merkblatt der deutschen Botschaft Beirut „Hinweise zur Legalisation syrischer Dokumente“ ermöglicht wird (danach kann die Ausländerbehörde z. B. bei Vorlage von eidesstattlichen Aussagen, Fotos etc. die Vorabzustim- mung erteilen, obwohl der Verwandtschaftsgrad nicht durch vorlegalisierte Dokumente nachgewiesen wird.)? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 332 2 Zu 6.: Wie bereits zu 4. u. 5. ausgeführt, fällt die Le- galisation bzw. der Verzicht darauf in die Prüfungskom- petenz der Botschaften als der sachnäheren Behörde. Kopien von Nachweisen zum Verwandtschaftsverhältnis und der Identität werden verlangt und tatsächlich auch erbracht. 7. Wie viele Anträge auf erweiterten Verwandten- nachzug befinden sich noch in Bearbeitung? Zu 7.: Genaue Zahlen liegen nicht vor, da sich in den noch nicht gesichteten Ersuchen um Aufnahme nach dem zweiten 5.000er Kontingent noch Vorgänge befinden, die ggf. auch im Rahmen der Verwandtenaufnahme nach der Berliner Verwandtenregelung begünstigt werden können. Ca. 20 Ersuchen sind derzeit konkret in der Bearbeitung. Von mindestens weiteren 80 mit einer Vielzahl von Per- sonen ist auszugehen. 8. Wie viele Personen sind im Rahmen dieses erwei- terten Verwandtennachzugs bereits eingereist? Zu 8.: Die gewünschten Zahlen werden statistisch nicht erfasst. Die Frage kann daher nicht beantwortet werden. 9. Woran liegt es nach Kenntnis des Senats, dass nachzugswillige Angehörige, für die die Ausländerbehör- de Berlin bereits die Vorab-Zustimmung zur Visumsertei- lung gegeben hat, nicht zeitnah einreisen können (bitte die wichtigsten Gründe nennen und Gewichtung der folgen- den Gründe vornehmen): a. nachzugswillige Angehörige haben keine Identi- tätsdokumente, b. Unmöglichkeit der Vorlegalisierung der syrischen Dokumente, c. lange Wartezeiten für einen Termin oder schlechte telefonische Erreichbarkeit bei den deutschen Aus- landsvertretungen in den Erstzufluchtsländern, d. Unmöglichkeit der Vorlegalisierung der syrischen Dokumente, e. sonstige Gründe? Zu 9.: Die genauen Gründe sind dem Senat nicht be- kannt und können vermutlich nur durch die Bundesregie- rung genannt werden. 10. Auf der Internetseite der Berliner Ausländerbehör- de wird als Voraussetzung für eine Aufnahme eines al- leinstehenden Angehörigen als Flüchtling im Rahmen des erweiterten Familiennachzugs folgendes Mindestein- kommen für die hier lebenden Verwandten genannt: 2.140 Euro Nettogehalt für Ledige bei der Verpflichtung für eine Person, 2.970 Euro Nettogehalt für Verheiratete bei der Verpflichtung für eine Person, 3.348 Euro Verheirate- te mit einem Kind bei der Verpflichtung für eine Person. a. Welches Mindesteinkommen fordert die Auslän- derbehörde von hier lebenden syrischen Familien, die zwei, drei, vier oder fünf Kinder haben, und die einen alleinstehenden Angehörigen als Flüchtlinge im Rahmen des erweiterten Familiennachzugs aufnehmen wollen? b. Welches Mindesteinkommen fordert die Auslän- derbehörde von hier lebenden syrischen Alleinstehenden, von Paaren und von Familien mit ein bis fünf Kindern, die hier eine Familie mit zwei bis sieben Angehörigen als Flüchtlinge im Rahmen des erweiterten Familiennachzugs aufnehmen wollen? Bitte in der Antwort die jeweiligen Mindesteinkom- men in Tabellenform darstellen. 11. Was sind jeweils die tatsächlichen, rechtlichen und rechnerischen Grundlagen für die genaue Ermittlung der Beträge des von der Ausländerbehörde Berlin geforderten Mindesteinkommens (bitte für alle Fallkonstellationen genau aufschlüsseln)? Zu 10. u. 11.: Die zitierten Aussagen sollen den Be- troffenen nur eine erste Vorstellung geben, da sich die jeweils erforderliche Summe für alle Fallvarianten nicht darstellen lässt. Allein für die Beantwortung der Frage 10 a und b wären mehr als 300 Varianten, das heißt 300 Summen zu nennen. Im Einzelnen ergeben sich die Rechtsgrundlagen aus den Verfahrenshinweisen der Aus- länderbehörde Berlin (A.23.s.6.2.3.2.; A.2.3.1.14), die auf ihrer Homepage öffentlich einsehbar sind. 12. Sind in diesen Beträgen jeweils auch der Unter- haltsbedarf für die Anmietung einer eigenen Wohnung durch die nachzugswilligen Familienangehörigen enthal- ten und wie wird die Höhe des Unterkunftsbedarfs ermit- telt, wenn in Berlin noch keine Wohnung vorhanden ist? Zu 12.: In diesen Beträgen ist jeweils auch der Unter- haltsbedarf für die Anmietung einer eigenen Wohnung durch die nachzugswilligen Familienangehörigen enthal- ten. Der Maßstab für die Angemessenheit einer Miete ist gem. § 22 a Sozialgesetzbuch (SGB) II, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 05.12.2012, die im Land Berlin erlassene Wohnaufwendungenverordnung (WAV), die seit dem 01.05.2012 Anwendung findet. Auf Grund verschiedener sozialgerichtlicher Urteile wurden die So- zialträger verpflichtet, die angemessene Miete nicht pau- schal sondern individuell festzustellen. Daher werden diese Mieten unter Berücksichtigung des Miet- und Heiz- kostenspiegels sowie des Heizenergieträgers ermittelt. Um ein langwieriges und komplexes Verfahren zu ver- meiden, werden zu Gunsten der Betroffenen die jeweils günstigsten Werte der Anlage zur WAV zu Grunde ge- legt. 13. Wenn die hier lebenden Angehörigen ihre nach- zugswilligen Verwandten selbst unterbringen können, reduzieren sich dann die Anforderungen hinsichtlich ihrer Einkommenshöhe entsprechend? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 332 3 Zu 13.: Nein, die Anforderungen hinsichtlich ihrer Einkommenshöhe reduzieren sich nicht. 14. Ist neben einer Mindesthöhe auch die Nachhaltig- keit des Einkommens gefordert und muss das Einkommen aus unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen stammen? Zu 14.: Das Einkommen muss nachhaltig sein, muss aber nicht aus unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen stammen 15. Weshalb wird die zugrundeliegende Erlasslage nicht in vollständiger Form mitsamt Berechnungsgrund- lage auf den Internetseiten der Ausländerbehörde Berlin bzw. in den Verfahrenshinweisen der Ausländerbehörde (VAB) veröffentlicht? Zu 15.: Die Erlasslage ist vollständig veröffentlicht (vgl. Verfahrenshinweise der Ausländerbehörde Berlin - A.23.s.6.). 16. Für wie realistisch hält es der Senat, dass hier le- bende syrische Familien, die ihre Angehörige als Flücht- linge aufnehmen wollen, über das von der Berliner Aus- länderbehörde geforderte Einkommen verfügen? Zu 16.: Nach den zu 3. und 4. genannten Zahlen ge- lingt es ca. 57 % der Personen die Voraussetzungen zu erfüllen. 17. Warum setzt die Berliner Ausländerbehörde so viel höhere Anforderungen bei der Bonitätsprüfung der hier lebenden Angehörigen als die übrigen Bundesländer wie z.B. NRW (pfändungsfreier Grundfreibetrag plus Beträge nach jeweiliger Bedarfsstufe nach § 3 AsylbLG) oder Niedersachsen (Einkommen oberhalb der Pfändungsfrei- grenze ausreichend)? Zu 17.: Die hiesige Berechnung entspricht der bei der Abgabe einer Verpflichtungserklärung üblichen Berech- nung für eine Bonität mit Ausnahme der Kosten für eine angemessene Kranken- und Pflegeversicherung. Ob und wenn ja, warum und wie in anderen Bundesländern die Berechnung der Bonität erfolgt, ist hier nicht bekannt. 18. Plant der Senat, die Regelungen des erweiterten Verwandtennachzugs auf entferntere Familienmitglieder (z.B. Tante/Onkel oder Cousine/Cousin) auszuweiten? Wenn nein, warum nicht? 19. Plant der Senat, die Regelungen zum erweiterten Verwandtennachzug um eine Härtefallklausel zu erwei- tern, wonach in besonders gelagerten Fällen von der Bo- nitätsprüfung der hierlebenden Angehörigen abgesehen werden kann? Zu 18. u. 19.: Die Berliner Aufnahmeanordnung gem. § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ist im Einver- nehmen mit den übrigen Bundesländern und mit Zustim- mung des Bundesministerium des Innern erlassen worden. Ein erweiterter Verwandtennachzug auf entferntere Ver- wandte oder die weitere Lockerung der Bonitätsprüfung ist dort nicht beabsichtigt und wird von Berlin auch nicht geplant. In diesem Zusammenhang wird darauf aufmerksam gemacht, dass zur Erleichterung der Abgabe einer belast- baren Verpflichtungserklärung davon abgesehen wurde, dass für die aufzunehmenden Personen verpflichtend eine Krankenversicherung abgeschlossen werden muss. Dar- über hinaus wurde am 6.12.2013 entschieden, dass auch Dritte eine Verpflichtungserklärung abgeben können. 20. Plant der Senat, die Regelung zum erweiterten Verwandtennachzug auf Palästinenser und andere Staa- tenlose aus Syrien auszuweiten und wenn nein, warum nicht? Zu 20.: Es ist beabsichtigt, die bereits am 28.02.2014 ausgelaufene Aufnahmeanordnung gem. § 23 Abs. 1 AufenthG bis zum Ende des Jahres zu verlängern und diese auch auf palästinensische und andere staatenlose Flüchtlinge aus Syrien zu erweitern. Berlin, den 20. März 2014 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Mrz. 2014)