Drucksache 17 / 13 359 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Susanne Graf und Martin Delius (PIRATEN) vom 05. März 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. März 2014) und Antwort Datenschutzrechtliche und praktische Probleme des Sprachlerntagebuchs Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie wurde in den letzten Jahren vom Senat der Umstand bewertet, dass bei der Arbeit mit dem Sprach- lerntagebuch in den Kitas das Kind der Erzieherin oder dem Erzieher datenschutzrelevante Informationen mitteilt, obwohl diese als Teil der Privatsphäre des Kindes und der Familien zu schützen wären? 2. Wie hat der Senat auf die Kritik des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in seinem Jah- resbericht 2006 (S. 140-142) reagiert, das Sprachlerntage- buch enthalte “gravierende datenschutzrechtliche Mängel ” (S. 141) und das Sprachlerntagebuch ermögliche “eine weitgehende Ausforschung von Kindern und ihrer persönlichen und familiären Verhältnisse” (S. 141)? 3. Wie sollen aus der Sicht des Senats Erzieherinnen und Erzieher, Kita-Leitungen oder Kita-Träger auf die von Eltern vorgebrachte datenschutzrelevante Kritik am Sprachlerntagebuch reagieren? 4. Welche konkreten Angaben im Sprachlerntagebuch sind aus der Sicht des Senats privat und welche sind da- tenschutzrelevant? Zu 1. bis 4.: Kindertageseinrichtungen unterstützen nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII die Erziehung und Bil- dung eines Kindes in der Familie und leisten einen wich- tigen Beitrag für eine alters- und entwicklungsgemäße Förderung. Frühkindliche Bildungsförderung soll die Lebenswelt des Kindes einbeziehen, die zentral von der individuellen familiären Situation geprägt ist. Der Bil- dungsauftrag gemäß Kindertagesförderungsgesetz (Kita- FöG) könnte ohne Informationen zum Kind und seiner Familie nicht gewährleistet werden. Die Anmerkungen des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit haben im Jahr 2006/2007 zu einer Präzisierung der Handhabung des Sprachlerntage- buchs geführt. Hinweise zur datenschutzrechtlichen Sorg- falt bei der Nutzung wurden in die Handreichung aufge- nommen, über Fortbildungen an die pädagogischen Fach- kräfte vermittelt und in einem Schreiben an die Träger aller Kindertagesstätten durch die für Jugend zuständige Senatsverwaltung mitgeteilt. Wesentlichster Punkt dabei ist, dass jede Form der „Datenerhebung“ zur Familie des Kindes nur mit Wissen und mit Einverständnis der Eltern geschehen kann. Eltern sind frei in ihrer Entscheidung, welche Tiefe an Informationen sie den pädagogischen Fachkräften mitteilen. Eine Weitergabe des Sprachlernta- gebuchs erfolgt nur mit Einverständnis der Eltern. Zu- künftig wird – mit Einverständnis der Eltern – der Teil ‚Lerndokumentation‘ von der Kita an die Schule weitergeleitet . Darüber hinaus dürfen Informationen, die im Rahmen des Sprachlerntagebuchs erhoben wurden, nicht ohne Einwilligung der Erziehungsberechtigten an Dritte wei- tergeben werden. Der erste Teil des Sprachlerntagebuchs, der persönli- che und zum Teil vertrauliche Informationen enthält, soll in der Kita getrennt und nicht frei zugänglich aufbewahrt werden, während der zweite Teil des Sprachlerntagebuchs in Absprache mit den Eltern für die Kinder zugänglich sein soll. 5. Wird in den Sprachlerntagebüchern weiterhin direkt oder indirekt der Familienstand und die Religionszugehö- rigkeit des Kindes abgefragt? a) Wenn ja, zu welchem Zweck? Zu 5.: Pädagogische Fachkräfte können sprachliche Bildung und Förderung auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes nur dann abstimmen, wenn sie Kenntnisse zur Lebenswelt des Kindes haben. Dies kann auch Informati- onen zur Familie und zur Religion umfassen. Eltern sind frei in ihrer Entscheidung, welche Tiefe an Informationen sie den pädagogischen Fachkräften mitteilen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 359 2 6. Wird das Sprachlerntagebuch im Zuge der geplan- ten Weitergabe an Grundschulen überarbeitet und wenn ja, wie? a) Wenn ja, werden weiterhin persönliche, private o- der datenschutzrelevante Informationen der Kinder und ihrer Familien abgefragt? 7. Wird das Sprachlerntagebuch weiterhin als Ring- buch – mit der hohen Verletzungsgefahr für Kinder beim Öffnen und Schließen – erscheinen? Zu 6. und 7.: Die Überarbeitung des Sprachlerntage- buchs steht in keinem Zusammenhang mit der Weitergabe des Teils ‚Lerndokumentation‘ von der Kita an die Grundschule. Sie erfolgt verzahnt mit der Aktualisierung des Berliner Bildungsprogramms. Die technische Form des Ringbuchs ermöglicht, von den Kindern gefertigte Materialien, wie z.B. Zeichnungen hinzufügen zu können. Eine Rückfrage bei der Unfall- kasse Berlin zu Verletzungen von Kindern durch Öffnen und Schließen des Ringbuchmechanismus ergab keine Bestätigung eines erhöhten Unfallrisikos. 8. Welche Senatsverwaltungen, welche Abteilungen und welche weiteren Stellen waren an der Beantwortung dieser Schriftlichen Anfrage beteiligt? 9. Haben Sie noch etwas hinzuzufügen? Zu 8. und 9.: Zuständig für die Bearbeitung ist der Se- nat, vertreten durch die federführende Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Berlin, den 23. März 2014 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. Mrz. 2014)