Drucksache 17 / 13 393 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Canan Bayram (GRÜNE) vom 05. März 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. März 2014) und Antwort Überstellung in den Berliner Abschiebegewahrsam – Durch wen, woher, warum und wie? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Personen aus anderen Bundesländern sitzen aktuell im Berliner Abschiebegewahrsam? Zu 1.: Am 16. März 2014 waren 30 Personen für die Bundespolizei und eine Person für die Ausländerbehörde (ABH) Görlitz im Abschiebungsgewahrsam Berlin unter- gebracht. ABH Görlitz 1 Bundespolizeidirektion (BPOLD) Bad Bramstedt 4 BPOLD Pirna 26 2. Wie viele Personen wurden in den letzten 5 Jahren aus anderen Bundesländern (entweder auf Initiative des jeweiligen Bundeslandes oder der Bundespolizei) in den Abschiebegewahrsam nach Berlin Köpenick gebracht? Zu 2.: In den letzten fünf Jahren wurden 658 Personen auf Initiative anderer Bundesländer oder der Bundespoli- zei im Abschiebungsgewahrsam Berlin untergebracht. 2009 2010 2011 2012 2013 2014* 152 137 102 91 109 67 *Stand 16. März 2014 3. In wie vielen dieser Fälle wurde die Inhaftierung von der Bundespolizei beantragt und wo wurden die in- haftierten Personen in diesen Fällen jeweils von der Bun- despolizei aufgegriffen? (Bitte tabellarisch für die letzten fünf Jahre nach Ort des Aufgreifens auflisten) Zu 3.: 2009 2010 2011 2012 2013 2014* 124 47 13 21 86 63 *Stand 16. März 2014 Die Aufgriffsorte sind durch die Polizei Berlin nicht recherchierbar. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 393 2 4. In wie vielen Fällen ging die Initiative zur Überstellung nach Berlin von einem anderen Bundesland aus? Welche Bundesländer waren das jeweils? (Bitte tabella- risch für die letzten 5 Jahre nach Bundeländern auflisten.) Zu 4.: In allen Fällen ging die Initiative von einem an- deren Bundesland aus. 2009 2010 2011 2012 2013 2014* Bayern 7 16 19 13 3 1 Hessen 2 8 9 9 5 1 Nordrhein-Westfalen 0 40 40 41 11 1 Sachsen 8 2 0 0 1 1 Baden-Württemberg 0 6 11 5 2 0 Saarland 5 5 0 0 1 0 Rheinland-Pfalz 4 4 5 2 0 0 Schleswig-Holstein 0 3 3 0 0 0 Brandenburg 1 0 2 0 0 0 Sachsen-Anhalt 0 4 0 0 0 0 Niedersachsen 0 2 0 0 0 0 Bremen 1 0 0 0 0 0 * Stand 16.03.2014 5. Unterstützt der Senat die Unterbringung von Personen aus anderen Bundesländern oder durch die Bundes- polizei im Berliner Abschiebegewahrsam? Wenn ja, aus welchen Gründen? 6. Auf welcher gesetzlichen und/oder vertraglichen Grundlage werden Menschen aus anderen Bundesländern in den Berliner Abschiebegewahrsam überstellt? Gibt es eine Vereinbarung zwischen den Bundesländern - bezie- hungsweise dem Bund - und dem Land Berlin? Zu 5. und 6.: Amtshilfeersuchen anderer Bundesländer oder der Bundespolizei wird in diesen Fällen grundsätz- lich entsprochen. Die rechtlichen Gründe ergeben sich aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz. Darüber hinausgehen- de Vereinbarungen bestehen nicht. 7. Wer ist für den Transport der Gefangenen nach Berlin zuständig? Zu 7.: Für den Transport ist die ersuchende Behörde zuständig. 8. Wer trägt die Transportkosten? Zu 8.: Die Transportkosten trägt die ersuchende Be- hörde. 9. Welchen Einfluss nimmt das Land Berlin auf die Modalitäten der Überführungen? Gibt es hierzu Regelun- gen oder Standards? Zu 9.: Das Land Berlin nimmt keinen Einfluss auf die Modalitäten der Überführung. Die Regelungslage anderer Länder ist, sofern keine bundeseinheitlichen Gesetze, Vorschriften oder Leitfäden zu berücksichtigen sind, nicht bekannt. 10. Ist dem Senat bewusst, dass den Überführten beispielsweise Fußfesseln angelegt werden? Hält der Senat diese Vorgehensweise für verhältnismäßig? Zu 10.: Die Fesselung ist unter Beachtung des Grund- satzes der Verhältnismäßigkeit zulässig, wenn - durch die Betroffene bzw. den Betroffenen oder andere Personen beim Transport in die polizeili- chen Verwahrräume Widerstand entgegengesetzt oder erwartet wird, - die Gefahr des Angriffs auf Dritte oder der Beschädigung von Sachen besteht, - der Verdacht besteht, dass Dritte versuchen, Gefangene zu befreien, - die Gefahr der Selbsttötung oder der Selbstbeschädigung besteht. 11. Welche Staatsangehörigkeiten besitzen die in den Berliner Abschiebegewahrsam überstellten Personen? Handelt es sich auch um Schutzsuchende aus Syrien? (Bitte tabellarisch nach Anzahl der überstellten Personen und Staatsangehörigkeit auflisten) Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 393 3 Zu 11.: 2014* Syrien 12 Georgien 10 Serbien 10 Afghanistan 3 Kamerun 3 Togo 3 Eritrea 2 Guinea 2 Mauretanien 2 Mazedonien 2 Nigeria 2 Tunesien 2 Äthiopien 1 Bangladesch 1 Bulgarien 1 Côte d’ Ivoire 1 Ghana 1 Guinea-Bissau 1 Iran 1 Kongo 1 Mali 1 Pakistan 1 Russland 1 Sierra Leone 1 Tansania 1 Vietnam 1 *Stand 16.03.2014 12. Gibt es zwischen dem Land Berlin und den jeweiligen anderen Bundesländern Vereinbarungen über einen Ausgleich der Haftkosten und gegebenenfalls der weite- ren mit der Haft im Zusammenhang stehenden Kosten, die für die aus anderen Bundesländern nach Berlin über- stellten Personen anfallen? Wo ist dieser Kostenausgleich geregelt? Wie hoch ist der Ausgleich durch das jeweilige andere Bundesland? (Falls hier länderspezifische Unter- schiede bestehen, bitte tabellarisch nach dem jeweiligen Bundesland auflisten.) Zu 12.: Zwischen den Bundesländern besteht die Ver- einbarung, den vom Abschiebungshäftling zu fordernden Tageskostensatz in Rechnung zu stellen. Der Tageskos- tensatz beträgt in Berlin im Moment 65,26 € und wird derzeit neu berechnet. Die Tageskostensätze anderer Bundesländer sind hier nicht bekannt. 13. Gibt es zwischen dem Land Berlin und dem Bund Vereinbarungen über einen Ausgleich der Haftkosten und gegebenenfalls der weiteren mit der Haft im Zusammen- hang stehenden Kosten, die für die auf Antrag der Bun- despolizei Inhaftierte anfallen? Wo ist dieser Kostenaus- gleich geregelt? Wie hoch ist der Ausgleich durch den Bund? Zu 13.: Es erfolgt keine Erstattung der Kosten durch den Bund. Alle anfallenden Kosten werden in die Kosten- aufstellung aufgenommen und der Bundespolizei über- sandt, welche die angefallenen Kosten bei der Kosten- schuldnerin bzw. beim Kostenschuldner einfordert. So- fern eine Zahlung durch die Kostenschuldnerin bzw. den Kostenschuldner erfolgt, wird der für das Land Berlin geltend gemachte Betrag vom Bund überwiesen. 14. Ändert sich durch die Überstellung das für die Überprüfung der Maßnahme zuständige Amtsgericht? Zu 14.: Nach § 416 Satz 1 des Gesetzes über das Ver- fahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG – ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Person, der die Freiheit entzogen werden soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sonst das Gericht, in dessen Bezirk das Bedürfnis für die Freiheitsentziehung entsteht. Wird eine Ausländerin oder ein Ausländer festgenommen und aufgrund eines durch das Amtsgericht des Aufgriffsortes erlassenen Haftbe- schlusses in das Berliner Abschiebungsgewahrsam ver- bracht, ändert sich die Zuständigkeit des Amtsgerichts durch die Überstellung grundsätzlich nicht. Befindet sich eine Person bereits in Gewahrsam in ei- ner abgeschlossenen Einrichtung, ist nach § 416 Satz 2 FamFG das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Ein- richtung liegt. Daher wird im Falle eines erforderlichen Haftverlängerungsbeschlusses für eine im Berliner Ab- schiebungsgewahrsam inhaftierte Person - nach einem entsprechenden Abgabebeschluss des bislang zuständigen Amtsgerichts - das Amtsgericht Tiergarten zuständig. 15. Inwieweit hält der Senat den mit der Verlegung nach Berlin verbundenen Wechsel in der Zuständigkeit des Amtsgerichts für problematisch? Zu 15.: Der in der Antwort zu 14. beschriebene Wech- sel der Zuständigkeit des Amtsgerichts ist gesetzlich vor- geschrieben. Ein Anlass für eine Gesetzesänderung wird nicht gesehen, da der zu gewährleistende Rechtsschutz durch den Zuständigkeitswechsel nicht beeinträchtigt wird. Berlin, den 24. März 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Mrz. 2014)