Drucksache 17 / 13 394 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Turgut Altug (GRÜNE) vom 11. März 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. März 2014) und Antwort Diskriminierungen der Berliner VerbraucherInnen – kein Thema für den Senat? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche Erkenntnisse hat der Senat über Diskrimi- nierungen von VerbraucherInnen aus rassistischen Grün- den, wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Ge- schlechts, der sexuellen Identität, des Alters, der Religion und einer Behinderung insbesondere in den Bereichen Wohnungsmarkt, Einzelhandel, Sport und Freizeit sowie Banken und Versicherungen? Zu 1.: Gemäß Artikel 10 Abs. 2 der Verfassung von Berlin darf niemand „wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder seiner sexuellen Identität benachteiligt oder bevorzugt werden“. Artikel 11 Satz 1 der Verfassung von Berlin verbietet die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung. § 19 des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) enthält ein zivilrechtli- ches Benachteiligungsverbot. Verboten ist eine Benach- teiligung „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivil- rechtlicher Schuldverhältnisse“. Versicherungskonditionen, Benachteiligungen bei Kreditvergaben und Ratenverträgen, intransparente sco- ring-Verfahren, der verweigerte Zugang zu bestimmten Dienstleistungen im Freizeitbereich oder auch der Woh- nungsmarkt werden im Alltagserleben vieler Menschen wie in der Beratungsarbeit der Berliner Antidiskriminie- rungsstellen als neuralgische Diskriminierungsbereiche erlebt. Das Alter, die ethnische Herkunft, das Geschlecht, aber auch der sozioökonomische und der Familienstatus sind hierbei die zentralen Diskriminierungsmerkmale. Eine für das Bundesgebiet repräsentative Umfrage des Lehrstuhls für Valued Based Management der Universität Augsburg aus dem Jahr 2012 kommt zu dem Ergebnis, dass nahezu jede dritte Konsumentin bzw. jeder dritte Konsument beim Kauf von Produkten und Dienstleistun- gen diskriminiert wird. 2. Welche Strategien verfolgt der Senat, um Verbrau- cherInnen vor Diskriminierungen aufgrund der unter 1. genannten Gründe zu schützen? Zu 2.: Der Senat setzt sich für einen umfassenden und effizienten Schutz aller Verbraucherinnen und Verbrau- cher ein. Der Verbraucherschutz hat dabei grundsätzlich alle Bürgerinnen und Bürger sowie Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmer im Blick ohne Differenzierung nach der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Verbraucherpolitik des Berliner Senats liegt in speziellen Angeboten für Migrantinnen/Migranten, Schülerinnen/Schüler und Ju- gendliche sowie ältere Menschen im Bereich der Ver- braucherinformation und der Verbraucherbildung, was an folgenden Beispielen verdeutlicht werden soll: - Mit finanziellen Zuwendungen fördert der Senat den aufsuchenden Verbraucherschutz durch die Ver- braucherzentrale Berlin. Er beinhaltet u. a. spezielle Be- ratungsangebote für Migrantinnen und Migranten, Schu- lungen von Multiplikatoren und Mitarbeiterin- nen/Mitarbeitern von Migrantenorganisationen und im Bezirk Tempelhof-Schöneberg eine Schuldnerberatung. Darüber hinaus führt die Verbraucherzentrale aktuell das vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucher- schutz für zwei Jahre geförderte Projekt „Migranten und Verbraucherschutz in digitalen Märkten“ mit dem Ziel durch, türkisch- und russischstämmige Konsumenten mit Informationen zum Verbraucherrecht in den Bereichen Internet, Telekommunikation und Datenschutz zu errei- chen. Anlass hierfür war der Berliner Verbrauchermonitor 2013 der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucher- schutz. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 394 2 - Der Senat hat in den Jahren 2012 und 2013 in einem gemeinsamen Pilotprojekt mit dem Verein Türkischer Unternehmer und Handwerker (TUH) und der Ver- braucherzentrale Berlin Multiplikatoren und Mitarbeite- rinnen/Mitarbeiter von Migrantenorganisationen zu Ver- braucherschutzthemen weitergebildet, um sie zu ersten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern für ratsu- chende türkisch- oder arabischstämmige Menschen in ihrer Umgebung zu machen. Dabei ging es zum Beispiel um die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern bei den Themen Wohnen, Ernährung, Internetbetrug oder Handyverträge. - Der Senat unternimmt verstärkte Aktivitäten auf dem Gebiet der Verbraucherbildung an Schulen. Kinder und Jugendliche werden als Verbraucherinnen und Ver- braucher immer wichtiger, da ihre Kaufkraft steigt und sie als Zielgruppe für Werbung und Marketing besonders attraktiv sind. Die Berliner Schülerinnen und Schüler sollen frühzeitig darin unterstützt werden, kritischen Kon- sum zu erlernen. Der Unterricht in den verschiedenen Schulformen und Jahrgangsstufen der Berliner Schulen bietet Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit Fragen des Verbraucherschutzes, z. B. im Fach Wirtschaft, Arbeit und Technik (WAT). In einem gemeinsamen Projekt mit der Bildungsverwaltung wird derzeit ein Curriculum erarbeitet, das der Verbraucherbildung an Schulen mehr Raum geben soll. - Auf dem Gebiet des gesundheitlichen Verbraucherschutzes zugunsten von Kindern und Jugendlichen arbeitet der Senat intensiv an der nachhaltigen Verbesse- rung der Qualität des Schulessens. - Der Senat sieht auch Handlungsbedarf bei der Verbesserung der Information älterer Menschen. So hat die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz bei- spielsweise einen leicht verständlichen Leitfaden zu Fra- gen der Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung mit einem ausführlich formulierten Formularteil herausgegeben. 3. Wie viele VerbraucherInnen suchten 2013 eine vom Land Berlin finanzierte Beratungsstelle auf, um sich we- gen einer Diskriminierung unterstützen und beraten zu lassen? Wie viele davon die Berliner Verbraucherzent- rale? Zu 3.: Konkrete Zahlen werden diesbezüglich nicht er- fasst. Die Tätigkeit der Verbraucherzentrale Berlin deckt jedoch ein breites Beratungsspektrum ab. Diskriminierun- gen sind nach ihrem Eindruck nicht die Regel und häufig nicht das Hauptmotiv der Ratsuchenden. Sie werden da- her im Rahmen der Beratungsgespräche erörtert, jedoch statistisch nicht erfasst. Auch das bundesweite statistische Erfassungssystem der Verbraucherzentrale enthält dafür keine Eintragungsmöglichkeiten. 4. Welche Maßnahmen wurden 2013 ergriffen, um die Beratungskompetenz im Bereich Antidiskriminierung der vom Land Berlin finanzierten Verbraucherberatungsstel- len zu verbessern? Welche Maßnahmen sind 2014 ge- plant? Zu 4.: Zu den Maßnahmen wird auf die Ausführungen zur Beantwortung der Frage 2. (Projekt „Migranten und Verbraucherschutz in digitalen Märkten“, Pilotprojekt mit dem Verein TUH) hingewiesen. Die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung ist zudem bereit, die Verbraucherzentrale bei der Stärkung ihrer antidiskriminierungs- und diversitybezogenen Beratungs- kompetenz zu unterstützen, etwa durch themenbezogene Weiterbildungen. 5. Welche Maßnahmen wurden 2013 ergriffen, um die Zusammenarbeit zwischen Verbraucher-, Mieter- und Antidiskriminierungsberatungsstellen (z.B. Austausch von best practice, Weiterleitung von KlientInnen, Doku- mentation von Fällen) zu verbessern? Welche Maßnah- men sind 2014 geplant? Zu 5.: Von zentraler Bedeutung für die effektive Be- kämpfung der Diskriminierung von Verbraucherinnen und Verbrauchern ist eine bereichsübergreifende Stärkung von Kooperations- und Netzwerkstrukturen. Bei der Se- natsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz hat sich ein Runder Tisch Verbraucherrechtsschutz etabliert, der sich auch auf das Thema der Diskriminierung von Ver- braucherinnen und Verbrauchern mit Migrationshinter- grund konzentriert. Die Verbraucherzentrale ist zudem Mitglied des LADS-Netz-werkes der Projekte und Ver- bände, die von Diskriminierung betroffene Menschen beraten und unterstützen. Die bestehende Zusammenar- beit und der fachliche Austausch zwischen der Verbrau- cherzentrale und der Landesantidiskriminierungsstelle wird weiter vorangetrieben werden. 6. Im Rahmen einer Besprechung im Rechtsausschuss am 30. Oktober 2013 hat sich die Staatssekretärin für Verbraucherschutz mehrfach auf ein „Landesantidiskriminierungsgesetz “ bezogen. Welches Gesetzes war damit gemeint? Plant der Senat, die Initiative für ein solches Gesetz zu ergreifen und den Schutz der BerlinerInnen vor Diskriminierungen zu verbessern? Wenn nein, warum nicht? Zu 6.: Die Staatssekretärin für Verbraucherschutz der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz hat sich in der Besprechung im Rechtsausschuss am 30. Ok- tober 2013 auf das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) bezogen. Spezielle landesrechtliche Regelungen, die das Land Berlin verpflichten und vor Diskriminierung schützen und zu gleichwertigen Lebensbedingungen bei- tragen sollen, ergeben sich für Menschen mit Behinde- rungen aus dem Landesgleichberechtigungsgesetz und hinsichtlich der Gleichstellung von Frauen und Männern aus dem Gleichstellungsgesetz. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 394 3 Der Senat ist zwar der Auffassung, dass diese gesetz- lichen Regelungen grundsätzlich einen ausreichenden Schutz der Berlinerinnen und Berliner vor Diskriminie- rung gewährleisten. Er ist jedoch bemüht, die rechtlichen Grundlagen des Diskriminierungsschutzes zu prüfen und gegebenenfalls zu verbessern. In diesem Zusammenhang soll darauf hingewiesen werden, dass entsprechende Lan- desdiskriminierungsgesetze aus anderen Bundesländern nicht bekannt sind. Vielmehr sind dortige Antidiskrimi- nierungsstellen ebenfalls auf Basis des AGG tätig. Berlin, den 25. März 2014 In Vertretung Sabine Toepfer-Kataw Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Mrz. 2014)