Drucksache 17 / 13 402 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Albers (LINKE) vom 12. März 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. März 2014) und Antwort Zur Hebammenproblematik: Der Senat kreißt - und was kommt dann dabei raus? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Die Schriftliche Anfrage betrifft teilweise Sachverhal- te, die der Senat nicht allein aus eigener Kenntnis beant- worten kann oder deren Recherche im Rahmen der Be- antwortung einer Schriftlichen Anfrage nicht leistbar ist. Er ist gleichwohl bemüht, Ihnen Antwort auf Ihre Fragen zukommen zu lassen und hat daher die Ärztekammer Berlin um Stellungnahme bzw. Auskunft zur Frage 11 gebeten. 1. Unterstützt der Senat die Auffassung, dass es aus Gründen der Qualitätssicherung und des Notfallmanage- ments im Rahmen einer sicheren Geburtshilfe zur übli- chen Praxis gehören sollte, außerklinische Geburten von zwei Hebammen vornehmen zu lassen? Wenn nein, wie begründet er dies? Zu 1.: Die Berufstätigkeit der Hebammen wird durch das Hebammengesetz sowie durch die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung geregelt. Für die Berufsausübung der Hebamme gelten neben landesrechtlichen Bestimmungen, wie die Berufsordnung für Hebammen und Entbindungs- pfleger, das SGB V, hier insbesondere § 134a SGB V, der die Vergütung von Hebammenleistungen in der Gesetzli- chen Krankenversicherung (GKV) für die selbständig tätigen Hebammen regelt. In der landesrechtlich geregelten Berufsordnung für Hebammen und Entbindungs-pfleger werden die wich- tigsten Befugnisse und Berufspflichten der Hebammen normiert. Entsprechend § 7 Nr.3 der Berufsordnung wird u. a. festgelegt, dass freiberuflich tätige Hebammen ver- pflichtet sind, sich an Maßnahmen der externen Qualitäts- sicherung für außerklinische Geburtshilfe zu beteiligen. Der GKV-Spitzenverband hat im Rahmen des Vertrages über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SBG V u. a. auch die Aufgabe, gemeinsam mit den maß- geblichen Berufsverbänden der Hebammen auf Bundes- ebene, wie dem Deutschen Hebammenverband e. V., Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands e. V. und den Verbänden der von Hebammen geleiteten Einrichtun- gen unter Einbeziehung der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe e. V., die Anforderungen an die Qualitätssicherung in der außerklinischen Geburts- hilfe zu definieren und diese im Ergänzungsvertrag des Vertrages über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134 SBG V festzulegen. 2. Trifft es zu, dass dieses Zwei-Hebammen-Prinzip bei den 260 Hausgeburten in Berlin im Jahr 2011 bei fast der Hälfte der Entbindungen nicht eingehalten wurde? Zu 2.:Nach den dem Senat vorliegenden Daten wur- den im Jahr 2011 von den in der Wohnung durchgeführ- ten Entbindungen tatsächlich nur 53,8 % von zwei Heb- ammen durchgeführt. Von den außerklinischen Entbin- dungen (Wohnung, Hebammenpraxis, Geburtshaus) wur- den 81 % von zwei Hebammen durchgeführt. Die Daten aus dem Jahr 2012, welche noch nicht ver- öffentlicht sind, zeigen zu den außerklinischen Entbin- dungen bereits höhere Anteile. Hier wurden in der Woh- nung 61,2 %, in Hebammengeleiteten Einrichtungen 88,2 % und insgesamt 83,3 % der außerklinischen Ent- bindungen von zwei Hebammen durchgeführt. 3. Sind dem Senat die Gründe dafür bekannt und wie beurteilt er diesen Sachverhalt? Zu 3.: Die Gründe sind dem Senat nicht bekannt. Fer- ner wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 4. Wann greift eine Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen und Geburtshelfer und wird dies von den Versicherungen unterschiedlich gehandhabt? Zu 4.: Eine Berufshaftpflichtversicherung dient zur Regulierung von möglichen Schadensersatzansprüchen wegen etwaiger Behandlungsfehler. In § 7 Nr. 2 der Be- rufsordnung für Hebammen und Entbindungspfleger sind Hebammen und Entbindungspfleger im Rahmen ihrer Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 402 2 beruflichen Tätigkeit, insbesondere in der außerkli- nischen Geburtshilfe, dazu verpflichtet, eine ausreichende leistungsbezogene Haftpflichtversicherung abschließen. Der Senat hat auf die Tarifgestaltung und Prämienkal- kulation privater Versicherungsunternehmen keinen Ein- fluss. 5. Unterstützt der Senat Forderungen nach einer öf- fentlichen oder staatlichen Subvention der Haftpflichtver- sicherungsprämien für freiberufliche Hebammen? 6. Wenn ja, wie wäre diese Bevorzugung einer ein- zelnen Berufsgruppe mit der Gleichbehandlung anderer Berufsgruppen, die ihre Haftpflichtversicherungsprämien selber tragen müssen, vereinbar? 7. Wenn nein, wie verträgt sich diese Haltung dann mit der öffentlich angekündigten Unterstützung der Bun- desratsinitiative Schleswig-Holsteins, die durch die Schaf- fung einer erweiterten Trägerhaftung oder die Absiche- rung des Haftungsrisikos in der Geburtshilfe durch die Schaffung eines steuerfinanzierten Haftungsfonds genau eine solche Bevorzugung politisch einfordert? 8. Wie ist die weitere Forderung dieser Bundesrats- initiative zu verstehen, dass mit einer auch aus Gründen der Patientinnensicherheit sinnvollen Mindestzahl von Geburten die jährliche Berufshaftpflicht für die Geburts- hilfe zu erwirtschaften sein sollte und unterstützt der Senat diese Forderung? 9. Welche Mindestanzahl von Geburten hält der Se- nat aus Gründen der Patientinnensicherheit für sinnvoll? 10. Wie hoch muss dann, die von den Krankenkassen zu zahlende Vergütung pro Geburt sein, um, wie in der Bundesratsinitiative gefordert, die jährliche Berufshaft- pflicht für die Geburtshilfe zu erwirtschaften? Zu 5. bis 10.: Die 23. Plenarsitzung des Deutschen Bundestages vom 20.03.2014 hat sich mit dieser Thema- tik im TOP 5 zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Geburtshilfe heute und in der Zukunft sichern - Haftpflichtproblematik bei Hebammen und anderen Ge- sundheitsberufen entschlossen anpacken“ (Drs. 18/850) beschäftigt. Nach Aussage des Bundesgesundheitsministers, Herrn Gröhe, werden im Abschlusspapier der interministeriellen Arbeitsgruppe „Versorgung mit Hebammenhilfe“ zu der Gesamtproblematik erste Aussagen/Lösungsmöglich- keiten vorgestellt. Der erste Bericht wird im April 2014 erwartet. Die interministerielle Arbeitsgruppe wurde seitens des Bundesministeriums für Gesundheit unter Beteiligung des Bundeskanzleramtes, des Bundesministe- riums der Justiz, des Bundesministeriums der Finanzen, des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, des Bundesministeriums für Arbeit und Sozi- ales sowie der maßgeblichen Hebammenverbände auf Bundesebene (Bund freiberuflicher Hebammen Deutsch- lands, Deutscher Hebammenverband, Deutscher Fachver- band für Hausgeburtshilfe), das Netzwerk der Geburts- häuser e. V. und dem GKV-Spitzenverband im Jahr 2013 eingerichtet. Der Senat nimmt die Sorgen der in der Geburtshilfe tätigen Hebammen sehr ernst, da diese einen wesentlichen und unverzichtbaren Beitrag für die medizinische Versor- gung Schwangerer, junger Mütter und Familien leisten. Das Land Berlin war Mitantragsteller der Bundesrats- initiative zur Absicherung der Geburtshilfesituation (Drs. 95/14 vom 07.03.2014), welche gemeinsam mit den Län- dern Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Branden- burg, Hamburg und Rheinland-Pfalz verabschiedet wurde. Der Gesetzgeber hat bereits mit der Änderung des § 134a SGB V im Rahmen des am 01.01.2012 in Kraft getretenen GKV-Versorgungsstrukturgesetzes klarge- stellt, dass bei den Vergütungsverhandlungen (zwischen den maßgeblichen Berufsverbänden der Hebammen auf Bundesebene und dem GKV-Spitzenverband) in der Heb- ammenhilfe insbesondere auch die steigenden Kosten für die Berufshaftpflichtversicherung zu berücksichtigen sind. Gemäß § 134a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) schließt der GKV-Spitzenverband Bund mit den Heb- ammenverbänden auf Bundesebene Vergütungsvereinba- rungen mit bindender Wirkung für die gesetzlichen Kran- kenkassen ab. Auf diese Vergütungsvereinbarungen ha- ben die Länder keinen Einfluss. 11. Hat der Senat Kenntnis darüber, wie hoch entspre- chende Haftpflichtversicherungsprämien für in freier Praxis geburtshilflich tätige Fachärztinnen und Fachärzte für Gynäkologie sind, die Entbindungen an Belegkliniken durchführen? Zu 11.: Zur Beantwortung der Frage wurde die Ärzte- kammer Berlin um Stellungnahme gebeten. Diese teilte mit, dass ihr derzeit keine aktuellen Informationen zu den entsprechenden Haftpflichtversicherungsprämien vorlie- gen. 12. Wie steht der Senat zu den Vorschlägen, das Haf- tungsproblem für alle Heilberufe über eine Eingliederung in die gesetzliche Unfallversicherung zu lösen? Zu 12.: Der Senat geht nicht davon aus, dass derartige Überlegungen geeignet sind, das Finanzierungsproblem für die notwendige Berufshaftpflichtversicherung der Heilberufe zu lösen. Es würden sich dadurch nicht auto- matisch sinkende Beiträge ergeben, weil die Kosten der gesetzlichen Unfallversicherung nicht einheitlich auf die Versicherten insgesamt verteilt werden sondern risikoge- recht innerhalb unter-schiedlicher Risikogemeinschaften zu tragen sind. Außerdem hat die Haftung für Fehler bei der Berufsausübung keine Sachnähe zu der von der ge- setzlichen Unfall-versicherung übernommenen Haftung der Arbeitgeberin oder des Arbeitgebers für Unfälle sei- ner Beschäftigten bei der Arbeit. Die systemfremde Absi- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 402 3 cherung der Berufshaftpflicht als völlig neues Betäti- gungsfeld der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen würde wettbewerbs- und europarechtliche Fragen aufwer- fen. Der Senat verweist hierzu auf die Lösungsmöglichkei- ten des Abschlusspapieres der interministeriellen Arbeits- gruppe. Berlin, den 27. März 2014 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Mrz. 2014)