Drucksache 17 / 13 429 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Fabio Reinhardt (PIRATEN) vom 17. März 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. März 2014) und Antwort »A Right to Live« – Wohnberechtigungsscheine für geduldete Ausländer*innen und Asylsuchende in Berlin Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie viele asylsuchende und geduldete Ausländer*innen leben derzeit in Berlin, und wie viele von ihnen erfüllen jeweils die in der Pressemitteilung der Integrationsbeauftragten vom 10.02.2014 erläuterten aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen der Berliner „Neuregelung“ für einen Wohnberechtigungsschein (WBS) zum Bezug einer Sozialwohnung? Falls keine entsprechenden Zahlen vorliegen, bitte zumindest prozentuale Schätzwerte angeben. Antwort zu 1: Zum Stichtag am 02.01.2014 lebten in Berlin 5.553 Asylsuchende mit Aufenthaltsgestattung und 7.125 Geduldete. Weitere Zahlen, insbesondere zu den geduldeten Ausländerinnen und Ausländern, die ausnahmsweise wohnberechtigt sind, weil ihnen ein Abschiebehindernis aus Artikel 6 Grundgesetz (GG) sowie Artikel 8 Europäische Menschenrechtskommission (EMRK) zur Seite steht und die zugleich nicht mehr zur Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet sowie in der Lage sind, einen selbstständigen Haushalt zu führen, gegebenenfalls durch Übernahme der angemessenen Kosten für eine private Unterkunft nach § 2 (Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), liegen nicht vor. Frage 2: Wo sind die Voraussetzungen für den Antrag auf Ausstellung eines Wohnberechtigungsscheins veröffentlicht und in welchen Sprachen (bitte beifügen/verlinken)? Frage 3: Wo sind die aktuell gültigen Verwaltungsvorschriften des Landes Berlin für die Ausstellung eines Wohnberechtigungsscheins veröffentlicht (bitte beifügen/verlinken)? Antwort zu 2 und 3: Maßgebliche Informationen zum Wohnberechtigungsschein (WBS) sind auf der Homepage der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt verfügbar, auf die auch die Berliner Bezirksämter mittels Verlinkung verweisen. Die Daten sind abrufbar unter: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mieterfibel/d e/mf_wbs.shtml Dort sind die wesentlichen Voraussetzungen für die Wohnberechtigung, z.B. die Einkommensgrenzen, die Wohnungsgrößen und die Tatbestandsmerkmale für den „besonderen Wohnbedarf“ aufgeführt. Gleichzeitig erhalten die Besucherinnen und Besucher auf folgender Webseite wichtigte Hinweise zur WBS-Antragstellung: http://stadtentwicklung.berlin.de/service/formulare/de/wohnen.shtml#wohnwirt Hier haben WBS-Antragstellerinnen und WBS-Antragsteller zudem die Möglichkeit, online die notwendigen Antragsformulare für den WBS abzurufen, die am Bildschirm ausgefüllt und ausgedruckt werden können. Die für die Bearbeitung des WBS zuständigen Behörden (Kontaktdaten) sind ebenfalls auf der Hompage der Senatsverwaltung und Stadtentwicklung und Umwelt sowie auf den bezirklichen Webseiten bekannt gegeben, so dass die Möglichkeit besteht, Fragen zum WBS zu stellen und Auskunft zu erhalten. Anfragen zum WBS werden auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bürgertelefones 115 beantwortet sowie von denen der bezirklichen Ämter für Bürgerdienste. Die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sowie die Telefonnummern sind über den folgenden Link abrufbar: http://stadtentwicklung.berlin.de/service/formulare/de/wohnen.s html#kontakt Die Informationen sind in deutscher Sprache erhältlich. Die zentralen belegungsrechtlichen Vorschriften, die sich auf den WBS beziehen, sind folgende: - Gesetz über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz – WoFG); grundlegende WBS-Normen: §§ 9, 18, 20 – 24, 27 WoFG - Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsgesetz – Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode - - Drucksache 17 / 13 429 WoBindG); grundlegende WBS-Normen: §§ 4 und 5 WoBindG Verordnung über die Abweichung von den Einkommensgrenzen des § 9 Absatz 2 des Wohnraumförderungsgesetzes vom 3. Dezember 2013 (Gesetz- und Verordnungsblatt [GVBl.] für Berlin 69. Jahrgang Nr. 37 vom 21. Dezember 2013) Ausführungsvorschriften zur Festlegung der Wohnungsgrößen nach § 27 Absatz 4 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz – WoFG) (AV zu § 27 Absatz 4 WoFG) vom 3. September 2013 (Amtsblatt [ABl.] Nr. 43 / 27. 09. 2013) betreffenden Person zusätzliche Unterlagen anfordern. Dazu zählen der schriftliche Nachweis, dass die geduldete Ausländerin bzw. der geduldete Ausländer zur Ausreise nicht mehr verpflichtet ist, weil ihr das Abschiebehindernisses aus Artikel 6 GG und Artikel 8 EMRK zur Seite steht; ferner die behördlichen Zustimmungen, dass die geduldete Person nicht mehr zur Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet ist und dass ggf. die Kosten für eine private Unterkunft nach § 2 AsylbLG übernommen werden. Die Entscheidung des Wohnungsamtes zur Wohnberechtigung basiert auf den zum Zeitpunkt der Antragstellung vorliegenden Verhältnissen, so dass deren schriftlicher Nachweis entscheidend für die Feststellung der beantragten Wohnberechtigung ist. Frage 4: Woher wissen asylsuchende und geduldete Ausländer*innen, dass sie antragsberechtigt sein könnten? Frage 7: Wie bewertet der Senat die kommunale Verwaltungspraxis in Potsdam, Köln und Bremen, allen geduldeten Ausländer*innen, die die Einkommensvoraussetzungen erfüllen, auf Antrag einen WBS auszustellen? Antwort zu 4: Asylsuchende und Menschen mit Duldung können von ihrer Antragsberechtigung im Rahmen der Beratung durch die Sozialämter bzw. das Landesamt für Gesundheit und Soziales, durch die Beratungsstelle bei der Integrationsbeauftragten oder die Beratungsstellen der Nichtregierungsorganisationen erfahren. Die Leistungsbehörden und die Beratungsstelle bei der Integrationsbeauftragten sind über die Verfahrensweise der Wohnungsämter aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 19.07.2013 unterrichtet worden. Frage 8: Welche Gründe sprechen nach Ansicht des Senats bislang dagegen, WBS an alle Geduldeten auszugeben, die die Einkommensvoraussetzungen erfüllen? Frage 9: Welche Gründe sprechen nach Ansicht des Senats bislang dagegen, WBS an Asylsuchende auszugeben, die die Einkommensvoraussetzungen erfüllen? Antwort zu 7, 8 und 9: Die wesentlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines WBS sind in den bundesgesetzlichen Vorschriften des § 27 Absatz 2 bis 5 WoFG definiert. Danach wird der WBS nur auf Antrag erteilt. Wer antragsberechtigte Wohnungssuchende oder antragsberechtigter Wohnungssuchender ist, bestimmt § 27 Absatz 2 WoFG. Nach dieser Bestimmung sind Wohnungssuchende antragsberechtigt, „die sich nicht nur vorübergehend im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten und die rechtlich und tatsächlich in der Lage sind, für sich und ihre Haushaltsangehörigen nach § 18 WoFG auf längere Dauer einen Wohnsitz als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu begründen und dabei einen selbständigen Haushalt zu führen.“ Frage 5: Welchen Inhalt hat das entsprechende Schreiben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt an die Berliner Wohnungsämter (bitte im Originalwortlaut beifügen)? Antwort zu 5: Der Inhalt kann der in Kopie beigefügten Mitteilung Nr. 1/2014 an die bezirklichen Wohnungsämter vom 24.01.2014 (Anlage) entnommen werden. Frage 6: Welche Behörde prüft auf welcher Grundlage die in der „Neuregelung“ geforderte aufenthaltsrechtliche Prognose? Verfügen die Wohnungsämter über die nötigen aufenthaltsrechtlichen Fachkenntnisse? Bescheinigt die Ausländerbehörde die aufenthaltsrechtliche Prognose? Zu den Voraussetzungen zählt hiernach, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller den Kriterien der Nachhaltigkeit genügen muss, zu denen auch die Essentialen der Dauerhaftigkeit sowie der wirtschaftlichen und sozialen Erfordernisse gehören. Antwort zu 6: Fragen des Ausländerrechtes (z. B. zur Erteilung und Versagung von Aufenthaltstiteln unter Berücksichtigung von Aufenthaltszwecken oder zur Ausreisepflicht) werden von der Ausländerbehörde geprüft und beantwortet. Angelegenheiten der sozialen Wohnraumförderung, die die Wohnberechtigung einschließt, werden von den bezirklichen Wohnungsämtern bearbeitet. Deshalb wird dort auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Antragstellung vorliegenden Verhältnisse des Wohnungssuchenden bzw. der Wohnungssuchenden entschieden, ob dieser bzw. diese wohnberechtigt ist oder nicht. Wegen der Neuregelung (Mitteilung Nr. 1/2014) wird nunmehr ergänzend geprüft, ob auch eine geduldete WBS-Antragstellerin bzw. ein geduldeter WBS-Antragsteller als wohnungssuchend im Sinne des § 27 Absatz 2 WoFG gilt. Hierfür müssen die Wohnungsämter von der Daran mangelt es grundsätzlich denjenigen, die lediglich im Besitz einer Duldung sind, da die Bescheinigung kein dauerhaftes bzw. für längere Zeit befristetes Aufenthaltsrecht begründet, sondern dazu dient, die Ausreisepflicht der Ausländerin bzw. des Ausländers zeitweilig auzusetzen und nicht zu vollstrecken. Nur in den Fällen, in denen die Duldungsbescheinigung wiederholt und über einen fortwährenden Zeitraum verlängert worden ist, weil der geduldeten Person ein dauerhaftes Abschiebehindernis aus Artikel 6 GG und Artikel 8 EMRK zur Seite steht, sie nicht mehr zur Wohnsitznahme in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet und in der Lage ist, einen selbstständigen Haushalt zu führen, gegebenenfalls durch 2 Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 429 Übernahme der angemessenen Kosten für eine private Unterkunft nach § 2 AsylbLG, kann die geduldete Person ausnahmsweise für einen WBS antragsberechtigt sein (siehe Mitteilung Nr. 1/2014 vom 24.01.2014). gung sind hingegen im Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) definiert. Hiernach hat eine Nicht-EU-Ausländerin bzw. ein Nicht-EU-Ausländer Anspruch auf einen WBS, wenn er bzw. sie über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG – befristet für mindestens ein Jahr – verfügt und zudem die maßgeblichen Einkommensgrenzen eingehalten werden. Solange die federführende Ausländerbehörde für Nicht-EU-Ausländerinnen und Nicht-EU–Ausländer nicht deren Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes für mindestens ein Jahr mittels befristeter Aufenthaltserlaubnis oder unbefristeter Niederlassungserlaubnis anerkannt hat, sieht der Senat mit Ausnahme der oben genannten Öffnungsklausel keine Legitimation dafür, ein neuwertiges Anrecht für geduldete Personen durch Anerkennung einer Zuzugsberechtigung für WBS-Wohnungen zu schaffen, da das Erfordernis des rechtmäßigen längeren Aufenthaltes bei geduldeten Personen nicht gegeben ist. Frage 11: Ist der Senat angesichts der zunehmend prekären Unterbringungssituation von Flüchtlingen in Massenunterkünften in Berlin dazu bereit, seine Auffassung hinsichtlich der Ausgabe von Wohnberechtigungsscheine an Asylsuchende und Geduldete noch einmal zu überdenken? Wenn nein, warum nicht? Antwort zu 11: Sowohl geduldete Personen als auch diejenigen, die zur Durchführung eines Asylverfahrens über eine Aufenthaltsgestattung verfügen, erfüllen die Tatbestandsmerkmale der Wohnberechtigung im Sinne des § 27 Absatz 2 WoFG grundsätzlich nicht (siehe Antwort zur Fragen 7, 8 und 9). Der Aufenthalt der Personen wird zwar vorläufig zugestanden, er genügt allein jedoch nicht, um daraus eine langfristige Aufenthaltserlaubnis abzuleiten, welche die Voraussetzung für den Zuzug in eine Sozialwohnung ist. Bekanntermaßen ist in Berlin die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen gefährdet, was nicht nur die unlängst zugezogenen Bewohnerinnen und Bewohner Berlins, sondern auch die hier langjährig lebenden Mieterinnen und Mieter erfahren müssen, so dass es aufgrund der Knappheit der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Sozialwohnungen dem öffentlichen Interesse entspricht, nur solche Wohnungssuchenden mit Wohnraum zu versorgen, die die geförderten Wohnungen auf längere Zeit auch werden nutzen können. Diese Voraussetzungen erfüllen geduldete Personen aufgrund ihres vorläufigen Aufenthaltsstatus generell nicht. Der Senat hat angesichts der Situation der in Berlin ohne Aufenthaltserlaubnis lebenden Nicht-EU-Ausländerinnen und Nicht-EU-Ausländern die Zugangsvoraussetzungen für den Bezug einer Sozialwohnung mittels WBS bereits ausgeweitet. Weitere Ergänzungen sind aufgrund der oben stehenden Ausführungen nicht vertretbar. Entscheidend für die Wohnberechtigung ausländischer Personen ist deren rechtmäßiger Aufenthaltsstatus, der nicht nur vorübergehender Natur sein darf. Wer im Zeitpunkt der WBS-Antragstellung zwar die Einkommensvoraussetzungen, aber nicht die ausländerrechtlichen Erfordernisse für einen rechtmäßigen sowie nicht nur vorübergehenden Aufenthalt erfüllt, hat weiterhin keinen Anspruch auf die Erteilung eines WBS. Geduldete Personen sind grundsätzlich – ungeachtet der ausgesetzten Abschiebung – weiterhin ausreisepflichtig, womit es im Sinne des § 27 Absatz 2 WoFG an der rechtlichen Möglichkeit der längeren Wohnsitzbegründung fehlt. Berlin, den 31. März 2014 In Vertretung Frage 10: Stimmt der Senat der Auffassung zu, dass bei Vorliegen der in der Pressemitteilung der Integrationsbeauftragten vom 10.02.2014 genannten aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für einen WBS für geduldete Ausländer*innen, nämlich einer langjährigen Duldung aufgrund eines dauerhaften Abschiebungshindernisses gemäß Artikel 8 EMRK und Artikel 6 GG, aus rechtlichen und integrationspolitischen Gründen regelmäßig eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen ist, woraus dann auch ein eindeutiger Anspruch auf einen WBS resultiert, sodass in der Praxis für die Neuregelung kein realer Anwendungsbereich mehr verbleibt? Ephraim Gothe ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Apr. 2014) Antwort zu 10: Der Aufenthalt aus humanitären Gründen beurteilt sich nach den Vorschriften des § 25 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Intengration von Ausländerinnen und Ausländern (AufenthG). Nur wenn die darin ausgewiesenen Tatbestandsmerkmale vorliegen, ist eine Aufenthaltserlaubnis begründet. Die Voraussetzungen für die Wohnberechti3