Drucksache 17 / 13 462 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Susanne Graf (PIRATEN) vom 20. März 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 21. März 2014) und Antwort Beitragsfreiheit in der Kindertagesbetreuung von Anfang an? Wie steht der Senat dazu? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Das sechste Gesetz zur Änderung des Tagesbetreu- ungskostenbeteiligungsgesetzes vom 19. April 2006 führ- te im Land Berlin zu einer Beitragsfreiheit im letzten Jahr der Kindertagesbetreuung vor dem Beginn der Schul- pflicht. Seit dem 01. Januar 2010 gilt die Beitragsfreiheit für die letzten drei Jahre vor der Schulpflicht (GVBl. Nr. 12/2010, S. 251). Seit dem 1. August 2014 gilt der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder ab einem Jahr (§ 24 Absatz 2 SGB VIII). Wie bewertet der Senat die Option, aus den vorliegenden Tatsachen heraus die Konsequenz zu ziehen, zukünftig auf die Kostenbeteili- gung von Eltern an der Tagesbetreuung ihrer Kinder grundsätzlich zu verzichten und auch für die Betreuung von Kindern unter 3 Jahren keine Beiträge mehr zu erhe- ben? Zu 1.: Mit dem am 1.8.2013 in Kraft getretenen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab dem 1. Lebensjahr wäre es nachvollziehbar, die derzeit geltende Regelung zur Beitragsfreiheit für Kinder in den letzten drei Jahren vor ihrer Einschulung auf die unter Dreijähri- gen auszuweiten. Eine solche Ausweitung der Beitrags- freiheit für alle Kinder wäre ein weiterer Schritt, um einen niedrigschwelligen Zugang zur Kindertagesbetreuung zu gewährleisten. Die Ausweitung der Beitragsfreiheit setzt eine Geset- zesänderung des Tagesbetreuungskostenbeteiligungsge- setzes (TKBG) voraus. 2. Wie viele Kinder unter 3 Jahren würden dieses Jahr und wie viele würden im kommenden Jahr von der Bei- tragsfreiheit profitieren? Zu 2.: Zum Stichtag 31.12.2013 haben insgesamt 60.333 Kinder zwischen 0 und 3 Jahren beitragspflichtig ein Angebot der Kindertagesbetreuung besucht (ohne Tagespflege). Da die Beitragsfreiheit erst 3 Jahre vor Schulbeginn (01.08. d. J.) beginnt, beinhaltet die Zahl auch 3-jährige Kinder. In diesem Jahr rechnet der Senat mit 66.273 und im nächsten Jahr mit 68.020 Kindern derselben Altersstufe. 3. Wie hoch ist der höchste Betrag, den Eltern zurzeit für die Betreuung ihrer Kinder zahlen müssen? 4. Wie hoch ist der geringste Betrag? Zu 3. und 4.: Gemäß Anlage 1 zum Tagesbetreuungs- kostenbeteiligungsgesetz (TKBG) beträgt der höchste Kostenbeitrag (Betreuungsanteil) 466 Euro monatlich. Diesen Kostenbeitrag zahlen Familien mit einem Kind bei einem Betreuungsbedarf von über 9 Stunden pro Tag (ganztags erweitert) und einem Jahreseinkommen von rund 81.000 €. Bei gleicher Fallkonstellation und einem Jahreseinkommen bis zu 22.500 € beträgt der Kostenbeitrag 25 € monatlich. Gemäß § 2 Abs. 2 TKBG gilt als Einkommen die Summe der im letzten Kalenderjahr vor der Kostenfestsetzung erzielten positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Der niedrigste Kostenbeitrag (Betreuungsanteil) be- trägt 15 Euro monatlich. Diesen Kostenbeitrag zahlen Familien mit einem Kind bei einem Betreuungsbedarf von 4 bis 5 Stunden pro Tag (halbtags) und einem Jahresein- kommen bis zu 22.500 €. Der höchste Kostenbeitrag beträgt bei gleicher Fallkonstellation und einem Jahres- einkommen von rund 81.000 € monatlich 203 €. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 462 2 5. Welche Möglichkeiten haben Eltern bereits jetzt schon, sich von der Kostenbeteiligung für die Betreuung ihrer Kinder unter 3 Jahren befreien zu lassen? a) Auf welchen Rechtsgrundlagen bestehen diese Möglichkeiten? b) Wie viele Eltern haben diese Möglichkeiten in den letzten fünf Jahren in Anspruch genommen? Zu 5.: a) Die Eltern haben die Möglichkeit, gemäß § 4 Abs. 1 TKBG eine Überprüfung des Kostenbeitrages (sogenann- te individuelle Berechnung) nach § 90 Abs. 3 und 4 des Achten Sozialgesetzbuches (SGB VIII) zu beantragen. Unterhalb der Einkommensgrenze des § 85 SGB XII wird die jeweils maßgebliche Mindestkostenbeteiligung festge- setzt. Eltern können darüber hinaus einen Antrag auf Anwendung der Härtefallregelung nach § 4 Abs. 4 TKBG stellen. Zur Vermeidung von Härten und zur Sicherstel- lung der weiteren Förderung des Kindes kann in Ausnah- mefällen befristet ganz oder teilweise von der Zahlung der Kostenbeteiligung abgesehen werden. b) Der folgenden Tabelle ist die Anzahl der von der Kostenbeteiligungspflicht befreiten Kita-Kinder zu ent- nehmen: Befreiung von der Kostenbeteiligungspflicht Jahr Anzahl der Kinder 2013 203 2012 213 2011 239 2010 618 2009 990 ISBJ-KiTA-Fachverfahren, 31.12.2013; Auswertungsstand: 26.03.2014 Die erhöhten Zahlen in den Jahren 2009 und 2010 er- klären sich aus der stufenweisen Einführung der Beitrags- freiheit, sodass entsprechend mehr kostenbeteiligungs- pflichtige Familien im System der Kindertagesbetreuung waren. 6. Wie hat sich die Anzahl der Kita-Kinder über 3 Jah- ren seit der Einführung der Beitragsfreiheit im Jahr 2010 entwickelt? a) Lässt sich aus dieser Entwicklung aus der Sicht des Senats schlussfolgern, dass aufgrund der Bei- tragsfreiheit mehr Eltern ihre Kinder zur Kita an- gemeldet haben? Zu 6.: Die Zahl der Kita-Kinder im Alter von 3 bis un- ter 6 Jahren ist im Zeitraum vom 31.12.2009 bis zum 31.12.2013 kontinuierlich um insgesamt rund 11.200 (ca. 14 %) auf nunmehr ca. 89.700 Kinder gestiegen. Die Betreuungsquote ist im gleichen Zeitraum von 92,8 % auf 93,7 % gestiegen. Der Senat geht davon aus, dass eine Erweiterung der Beitragsfreiheit die Betreuungsquote weiter erhöhen dürfte. 7. Wie hoch sind die Kosten, die dem Senat durch die Beitragsfreiheit für Kinder über 3 Jahren jährlich entste- hen? a) Wie haben sich die Kosten seit dem Jahr 2010 entwickelt? 8. Wie hoch wären die Kosten, die aus der Beitrags- freiheit für die Betreuung von Kindern unter 3 Jahren entstehen würden? a) Wie leitet der Senat diese Kosten her? Zu 7. und 8.: Die Festsetzung des individuellen Kos- tenbeitrags der Eltern ist vom Betreuungsumfang, der Familiensituation und dem Jahreseinkommen abhängig. In der Summe wurden im Jahr 2013 Elternbeiträge für die Betreuung von Kindern unter 3 Jahren in Höhe von rund 50 Mio. Euro entrichtet. Davon werden allein rund 50 % von Eltern mit geringem bis mittlerem Einkommen entrichtet. 20 % der Eltern entrichten derzeit aufgrund von Transferleistungsbezug bzw. Härtefallentscheidungen keine Beiträge. Weitergehende Kosten (z. B. Infrastruktur) können zum jetzigen Zeitpunkt nicht valide bestimmt werden. 9. Welche Senatsverwaltungen, welche Abteilungen und welche weiteren Stellen waren an der Beantwortung dieser Schriftlichen Anfrage beteiligt? 10. Haben Sie noch etwas hinzuzufügen? Zu 9. und 10.: Zuständig für die Bearbeitung ist der Senat, vertreten durch die federführende Senatsverwal- tung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Berlin, den 07. April 2014 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Apr. 2014)