Drucksache 17 / 13 468 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 20. März 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. März 2014) und Antwort Sind die Schießstände der Berliner Polizei ein Fall für die Abrissbirne? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie häufig und in welchem Rahmen findet das Schießtraining für Berliner Polizeibeamtinnen und -be- amte statt? Zu 1.: Das Schießtraining der Polizeien der Länder und der Bundespolizei wird auf Grundlage der bundes- weit gültigen Polizeidienstvorschrift 211 gestaltet. Es umfasst vier Teilbereiche: 1. Im Grundlagentraining werden theoretische Grundlagen über das Schießen und über die An- wendungsmöglichkeiten von Schusswaffen im Allgemeinen sowie über Visier- und Schusstechni- ken vermittelt. Das praktische Grundlagentraining umfasst die tatsächliche Handhabung einer Schusswaffe. 2. Das schulmäßige Schießtraining ist die Vorbereitung auf das einsatzmäßige Schießen. Es dient da- zu, die zuvor erworbenen Grundfertigkeiten und die praktischen Bewegungsabläufe mit einer ech- ten Schusswaffe zu automatisieren und sicher zu beherrschen. 3. Im einsatzmäßigen Schießtraining werden unter simulierten einsatzähnlichen Bedingungen – etwa unter schlechten Lichtverhältnissen oder bei leich- ter körperlicher Anstrengung – die Handhabungssicherheit und die Schießfertigkeit trainiert. Beim einsatzmäßigen Schießen wird auch zum ers- ten Mal die Entscheidung abverlangt, ob ge- schossen werden soll oder nicht. 4. Im situativen Schießtraining werden Einsatzlagen möglichst kompakt und realitätsnah dargestellt. Dieses Training wird mit Lasersimulations- und Farbmarkierungssystemen durchgeführt. Das Schießtraining einer Dienstanfängerin bzw. eines Dienstanfängers im Vorbereitungsdienst umfasst 19 Tage in unterschiedlichen Modulen, an denen zusammen ca. 1100 Schuss abgegeben werden können. Die Fortbildung orientiert sich ebenfalls an der Poli- zeidienstvorschrift 211. Sie besteht aus einem ganzheitli- chen Einsatztraining für alle Polizeivollzugskräfte und vollzugsnahen Angestellten unter Einbeziehung des Schießtrainings in Form von Tages- bzw. Halbtagessemi- naren. Zu den Inhalten des Einsatztrainings zählt auch die konfliktmindernde Kommunikation, einsatzbezogene Selbstverteidigung und Erste Hilfe. Die Polizeibediensteten werden in drei Zielgruppen eingeordnet, an denen sich die Trainingshäufigkeit und - intensität orientiert. Die Zielgruppen werden nach der Konfliktträchtigkeit der Aufgabengebiete der Dienstkräfte gebildet. Der Zielgruppe 1 sind Dienstkräfte zugeordnet, die potenziell konfliktträchtige Aufgabengebiete wahrnehmen wie der Funkwageneinsatzdienst oder die Einsatzeinhei- ten. Diese Gruppe absolviert drei eintägige Trainingsse- minare im Jahr. Der Zielgruppe 2 sind Dienstkräfte zugeordnet, die bedingt konfliktträchtige Aufgabengebiete wahrnehmen. Davon sind sachbearbeitende Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter betroffen, die zu Ermittlungstätigkeiten in den Einsatzraum wechseln oder auch die Polizeidienstkräfte im Objektschutz. Diese Zielgruppe absolviert zwei Ein- satztrainingseinheiten pro Jahr, verbunden mit einem zweimaligen Schießtraining. Der Zielgruppe 3 sind Dienstkräfte mit wenig kon- fliktträchtigen Aufgabengebieten z.B. in Führungsstäben, Leitstellen oder nach fachbezogenen Fortbildungen zu- zuordnen. Diese müssen ein einmaliges Einsatztraining pro Jahr absolvieren. Die Schießtrainingseinheiten sind zeitlich mit ca. 40 bis 90 Minuten angelegt. Die Länge der Einheiten hängt von den trainierenden Zielgruppen, den Trainingsab- schnitten oder den individuellen Fähigkeiten der Trainie- renden und dem Nachschulungsbedarf ab. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 468 2 Im Ergebnis trainieren Angehörige der Zielgruppe 1 damit drei Stunden im Jahr, Angehörige der Zielgruppe 2 jeweils zwei Stunden und Angehörige der Zielgruppe 3 jeweils eine Stunde im Jahr den scharfen Schuss. Die weitergehenden Zeiten des Schießtrainings (situatives Schießen, Situationstraining usw.) lassen sich nicht von den übrigen Inhalten des Einsatztrainings trennen und damit auch nicht zeitlich einzeln erheben. Aufgrund der Schießstandsituation gilt für das Jahr 2014 ein anderes System des Einsatztrainings. Dabei wird die Abgabe von scharfen Schüssen vorübergehend auf die Grundlagen- und Kontrollübungen als Mindestverpflich- tung reduziert. Die Durchführung des Ausbildungsschießens für Dienstanfängerinnen und Dienstanfänger aller Laufbahn- gruppen wird hierbei nicht reduziert und ist im vollen Umfang sichergestellt. 2. Wie viele Schießtraining-Ausbilderinnen und Ausbilder verrichten ihren Dienst insgesamt und in den jeweiligen Schießstätten? Zu 2.: Die tatsächliche Anzahl der in den Schießstät- ten Dienst verrichtenden Dienstkräfte orientiert sich an der Anzahl der Schießbahnen und den jeweiligen Übungs- inhalten. Sie ist daher nicht pauschal benennbar. Eine Zuordnung von festem Personal zu einzelnen Schießstän- den existiert nicht. Insgesamt versehen rund 145 hauptamtliche Einsatz- trainerinnen und Einsatztrainer ihren Dienst in den Direk- tionen 1 bis 6, der Direktion Zentrale Aufgaben (Dir ZA) und beim Landeskriminalamt (LKA). Diese Zahl enthält kein Führungspersonal, angestellte Sportlehrerinnen bzw. Sportlehrer und Spezialeinsatzkräfte. Von diesen 145 Dienstkräften sind rund 65 fest dem Bereich Einsatztrai- ning-Schießen zugeordnet. Hinzu kommen rund 80 nebenamtliche Einsatztrainerin- nen und Einsatztrainer der Bereitschaftspolizei und in den Referaten der Dir ZA (davon 57 Einsatztrainerinnen und Einsatztrainer Schießen) sowie 71 Einsatztrainerinnen und Einsatztrainer Schießen an der Landespolizeischule. Letztere gewährleisten die Durchführung der Schießaus- bildung für Dienstanfängerinnen und Dienstanfänger aller Laufbahngruppen (einschließlich aller Polizeiange- stellten), die Aus- und Fortbildung der Einsatz- trainerinnen und Einsatztrainer Schießen für alle Ämter und Direktionen und das Einsatztraining-Schießen für alle vollzugspolizeilichen Dienstkräfte der Landespolizei- schule und bei der Senatsverwaltung für Inneres und Sport. Die nebenamtlichen Einsatztrainerinnen und Ein- satztrainer der Dir ZA versehen ihren Dienst regulär in den dortigen Gliederungseinheiten und gewährleisten darüber hinaus u. a. Teile des Einsatztrainings-Schießen für Einsatzkräfte der Dir ZA in enger Abstimmung mit den hauptamtlichen Einsatztrainerinnen und Einsatztrai- ner auch außerhalb der werktäglichen Dienstzeiten. Da ein Großteil des Personals des Einsatztrainings in allen Direktionen und Ämtern gleichzeitig für verschie- dene Teilbereiche qualifiziert ist und multifunktional eingesetzt wird, ist eine zahlengenaue Zuordnung zum Einsatztraining-Schießen in Abgrenzung zu den anderen Bereichen des Einsatztrainings nicht möglich. 3. Über wie viele Schießstätten für das Schießtraining der Polizeibeamtinnen und -beamten verfügt die Berliner Polizei insgesamt und an welchen Standorten? 4. Wie viele der Schießstätten insgesamt und der einzelnen Schießstände in den jeweiligen Schießstätten sind aktuell und seit wann und aus welchen jeweiligen Gründen außer Betrieb? Zu 3. und 4.: Die Polizei Berlin verfügt insgesamt über 10 Schießstätten mit insgesamt 19 Schießständen an nachfolgend aufgeführten Standorten: Nr. Objekt Bahnen Nutzung Bemerkungen Eigene Objekte 1 Alemannenstraße 2 geschlossen seit 10.07.2013 Belastung mit Künstlichen Mine- ralfasern (KMF), Schallschutz- mängel 2 Friesenstraße 2 geschlossen seit 24.07.2013 KMF-Problematik 3 Eiswaldtstraße/Gallwitzallee 2 geschlossen seit 27.09.2012 Totalumbau notwendig wg. div. Mängel, Lüftung unzureichend 4 Kruppstraße 3 offen (seit Sept. 2013) vollständig saniert und moderni- siert 5 Tempelhofer Damm 2 geschlossen seit 25.07.2013 KMF-Problematik 6 Pankstraße 2 geschlossen seit 24.07.2013 KMF-Problematik 7 Radelandstraße 2 geschlossen seit 24.07.2013 KMF-Problematik 8 Charlottenburger Chaussee Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 468 3 Haus 4 2 offen (seit Aug. 2013) Geschossfang erneuert Haus 18/1 4 geschlossen seit 24.07.2013 KMF-Problematik Haus 18/2 2 geschlossen seit 24.07.2013 KMF-Problematik Haus 18/3 6 offen Gemietete Objekte 9 Stahnsdorfer Damm Stand E 3 offen Stand F 3 offen Stand H 7 offen Stand I 3 offen 10 Bernauer Straße Halle 5 5 offen Halle 6 6 offen (bedingt) Lüftungsmängel, eingeschränkte Nutzung seit 15.04.2013 Halle 7 4 offen (bedingt) Lüftungsmängel, eingeschränkte Nutzung seit 15.04.2013 Halle 8 6 offen Bahnen gesamt: 66 5. Wann plant der Senat welche Schießstätten und einzelne Schießstände in den jeweiligen Schießstätten wieder in Betrieb zu nehmen? Zu 5.: Es ist eine schnellstmögliche Sanierung diver- ser Schießstätten geplant, damit auch die zurzeit geschlos- senen Schießstände wieder für das Schießtraining zur Verfügung stehen. Wegen des zum Teil sehr hohen Kos- tenaufwands müssen Prioritäten gesetzt werden. Nach derzeitigem Stand sollen in diesem Jahr Finanzmittel aus dem Polizeihaushalt vorrangig für die Sanierung der Schießstände Charlottenburger Chaussee Haus 18/1 und 18/2 bereitgestellt werden. 6. Wie hoch ist das Sanierungsvolumen aller Schießstände und wie und wann gedenkt das für Inneres und Sport zuständige Senatsmitglied diesem Sanierungs- volumen beizukommen? 7. Seit wann sind dem für Inneres und Sport zuständigen Senatsmitglied die einzelnen Sanierungsvolumina der jeweiligen Schießstätten und der Schießständen in den Schießstätten bekannt und wann wurde das Abgeordne- tenhaus von Berlin das letzte Mal über diesen Sachstand in Kenntnis gesetzt? Zu 6. und 7.: Das insgesamt erforderliche Sanierungs- volumen für alle Schießstände wurde durch die Polizeibe- hörde bislang noch nicht detailliert ermittelt. Für die not- wendigsten Teilsanierungsmaßnahmen an einigen der zurzeit geschlossenen Schießstände beläuft sich der Kos- tenaufwand auf rd. 400.000 €. Totalsanierungen verursachen je nach Größe und Besonderheiten des jeweiligen Objekts und Ausmaß der vorhandenen Mängel deutlich höhere Kosten. Erste – allerdings sehr grobe - Schätzungen gehen von einem hohen einstelligen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrag aus. Ein Sanierungskonzept kann nur in Abstimmung mit der Berliner Immobilienma- nagement GmbH entwickelt und umgesetzt werden. Die Schießstandsanierung kann nicht vollkommen losgelöst von der Gebäudesanierung betrachtet werden. Generell gilt auch hier, dass Prioritäten zu setzen sind. Konkrete Aussagen sind zum jetzigen Zeitpunkt daher noch nicht möglich. Die Frage einer Sanierung angemieteter Objekte muss gesondert geprüft werden. Im Rahmen der 35. Sitzung des Ausschusses für Inne- res, Sicherheit und Ordnung (TOP 5 – Schießausbildung bei der Polizei) vom 18. November 2013 wurde zu dieser Thematik informiert. Diverse Informationen zur Thematik Schießstände erfolgten auch im Rahmen der letzten Be- ratungen zum Doppelhaushalt 2014/2015 und zur Finanz- planung bis 2017. 8. Zu welchen (Zwischen-)Ergebnissen ist die Projektgruppe „Strategische Neuausrichtung des Schießtrainings “ gekommen? Zu 8.: Die Projektgruppe „Strategische Neuausrichtung des Schießtrainings und effizienter Betrieb der be- hördlichen Schießstätten“ hat der Behördenleitung der Polizei Berlin bereits erste Ergebnisse vorgelegt. Weitere Prüfungen wurden erforderlich. Hierzu hat die Projekt- gruppe am 23. September 2013 einen Anschlussauftrag erhalten. Ein Ergebnis wird in Kürze erwartet. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 468 4 9. Plant der Senat einzelne Schießstände zu schließen und wenn ja, welche und wann und plant der Senat Schießstände auszubauen und wenn ja, welche und wann und plant der Senat ein großes Schießausbildungszentrum zu bauen und wenn ja, wann und wo? Zu 9.: Eine abschließende Entscheidung bezüglich der weiteren Planung wird nach Vorliegen des vollständigen Projektberichts getroffen werden. Berlin, den 4. April 2014 Frank Henkel Senator für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Apr. 2014)