Drucksache 17 / 13 485 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Claudia Hämmerling (GRÜNE) vom 24. März 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. März 2014) und Antwort Merkwürdiges Selbstverständnis über Tierversuchskontrollen in Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat eine Umfrage aus Kreisen der Tierexperimentatoren an der Charité, die die Geneh- migungs- und Prüfpraxis des LAGeSo bewerten soll mit dem Ziel, eine weniger „restriktive Prüf- und Genehmigungspraxis “ herbeizuführen? 2. Wie bewertet der Senat die Intention dieser Um- frage, auf diesem Weg politischen Einfluss zugunsten einer laxeren Prüf- und Genehmigungspraxis geltend zu machen? Zu 1. und 2.: Dem Senat liegen zu einer solchen, in- ternen Umfrage innerhalb der Charité keine näheren In- formationen vor, so dass eine Bewertung nicht möglich ist. 3. Kann der Senat die Aussage des Initiators der Um- frage bestätigen, dass MitarbeiterInnen einer Senatsver- waltung des Landes Berlin diese Umfrage unterstützt haben, wenn ja, wie bewertet er diesen Sachverhalt? Zu 3.: Der Senat kann diese ihm nicht bekannte Aus- sage nicht bestätigen. 4. Ist der Senat der Auffassung, dass eine Änderung der behördlichen Praxis entsprechend des Ansinnens der Umfrage „eine serviceorientierte Umsetzung des Tierschutzgesetzes im Sinne der Berliner Forschung“ notwendig ist? Zu 4.: Nach Auffassung des Senats ist eine Änderung der behördlichen Praxis bei der Genehmigung und Über- wachung von Tierversuchen im Sinne einer „serviceorientierten Umsetzung des Tierschutzgesetzes“ nicht notwendig . Das für diesen Aufgabenbereich zuständige Landes- amt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) arbeitet stets serviceorientiert, muss jedoch dabei die Vorgaben des Tierschutzgesetzes und die Belange der Forschung gemäß dem gesetzlichen Auftrag ausgewogen berücksichtigen. 5. Teilt der Senat die Auffassung, dass Fragestellun- gen in einem Rundschreiben aus der Charité wie; „Welche Schwierigkeiten haben Sie mit dem LAGeSo erlebt und wie häufig - Verzögerung durch nicht fachgerechte oder unge- rechtfertigt viele Rückfragen? - Überschreitung des gesetzlichen Auftrages durch die Behörde? - Nicht fachgerecht oder ungerechtfertigt restriktive Auflagen? - Ungerechtfertigt restriktive Prüfung von Aufzeich- nungen und Haltungsbedingungen“ völlig unangemessen und diskreditierend sind? Zu 5.: Nach Kenntnis des Senats hat es kein offizielles Rundschreiben in der Charité zu dieser Thematik gege- ben. Erfahrungen und Einschätzungen im Kollegenkreis intern zu hinterfragen ist weder unangemessen noch zwangsläufig diskreditierend. 6. Ist dem Senat das Ergebnis der Umfrage an der Charité bekannt und wenn ja, wie bewertete er es? Zu 6.: Nein. 7. Sind dem Senat Fälle bekannt, in denen das LA- GeSo seinen gesetzlichen Auftrag überschritten hat, wenn ja, bitte auflisten? Zu 7.: Fälle, in denen das LAGeSo seinen gesetzlichen Auftrag überschritten hat, sind dem Senat nicht bekannt. 8. Wie häufig wurden in den letzten fünf Jahren Kon- trollen von Tierversuchen an der Charité vorgenommen? Zu 8.: Im besagten Zeitraum führte das LAGeSo 212 Kontrollen von Tierversuchen durch. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 485 2 9. Erfolgten die Kontrollen in der Charité angemeldet oder unangemeldet? Zu 9.: Es handelte sich um angemeldete und unange- meldete Kontrollen. 10. Teilt der Senat die Auffassung, dass die Überwa- chung der Tierversuche durch das LAGeSo gerade auch an der Charité dringend erforderlich ist, u.a. vor dem Hintergrund, dass entsprechend meiner Akteneinsicht in mindestens einem Fall bei einer unangemeldeten Kontrol- le feststellt werden musste, dass die Anzahl der gemelde- ten Versuchstiere falsch und die Aufzeichnung des wis- senschaftlichen Tierversuchs schlampig durchgeführt worden war? Zu 10.: Der Senat ist der Auffassung, dass die Durch- führung von Tierversuchen der behördlichen Überwa- chung bedarf. Eine besondere Dringlichkeit zur Überwa- chung von Tierversuchen an der Charité besteht nach Ansicht des zuständigen LAGeSo jedoch nicht. 11. Wie bewertet der Senat die Auffassung, dass eine genaue Dokumentation von Tierversuchen nicht nur ge- setzlich vorgeschrieben, sondern dass diese grundsätzlich auch die Voraussetzung für die wissenschaftliche Aussa- gekraft von Tierversuchsergebnisse ist? Zu 11.: Die Dokumentation von Tierversuchen in der gesetzlich vorgeschriebenen Form dient den Anforderun- gen des Tierschutzes. Weitere Dokumentationen zur Ab- sicherung der wissenschaftlichen Aussage können davon unabhängig bestehen. 12. Wie viele Tierversuchsvorhaben wurden im ver- gangenen Jahr an der Charité durchgeführt? Zu 12.: Im vergangenen Jahr wurde an der Charité an 979 Projekten unter Verwendung von Versuchstieren gearbeitet (genehmigte oder angezeigte Versuche, einschl. Tötungsanzeigen). 13. Wie viele Tiere wurden dafür „verbraucht“? Zu 13.: Aufgrund der bis 31.03.2014 eingegangenen Versuchstiermeldungen wurden dafür 103.711 Tiere ver- wendet (Nachmeldungen sind noch zu erwarten). 14. An welchen Tierarten wurde experimentiert? Zu 14.: In den Vorhaben wurden Mäuse, Ratten, Meerschweinchen, Schweine, Kaninchen, Fische und Schafe verwendet. 15. Wie groß war die Zahl der Versuchstiere die ge- züchtet werden mussten, um die für Tierversuche erfor- derlichen Individuen zu gewinnen? Zu 15.: Hierzu liegen keine Daten vor. 16. Was geschah mit den nicht geeigneten Zuchttie- ren? Zu 16.: Unbehandelte, nicht geeignete Zuchttiere wer- den im Rahmen einer Erlaubnis schmerzfrei getötet und dann zu Futterzwecken kostenfrei an Tierparks und Greifvogelstationen oder ähnliche Einrichtungen abgege- ben. 17. Wie häufig werden Anlagen kontrolliert, in denen die Versuchstiere gezüchtet werden? Zu 17.: Einrichtungen zur Zucht und Haltung von Versuchstieren werden vom LAGeSo durchschnittlich alle zwei Jahre überprüft. 18. Welche Maßnahmen will der Senat ergreifen, um MitarbeiterInnen des LAGeSo vor MitarbeiterInnen einer anderen Senatsverwaltung und vor ehrabschneidender Kritik durch Tierexperimentatoren der Charité in Schutz zu nehmen? Zu 18.: Der Senat sieht zurzeit keinen Anlass, der be- sondere Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LAGeSo erforderlich macht. Berlin, den 07. April 2014 In Vertretung Sabine Toepfer-Kataw Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 14. Apr. 2014)