Drucksache 17 / 13 523 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Martin Delius (PIRATEN) vom 31. März 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. März 2014) und Antwort Mittagessen in Berliner Schulen: Hält der Senat an der kontroversen Vergabe- und Aus- schreibungspraxis weiterhin fest? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Gemäß der §§ 76 und 78 SchulG hat jede Schule das Recht, bei dem Verfahren zur Auswahl des Essensan- bieters mitzuwirken. Der Mittagessensausschuss jeder Schule unterstützt die jeweilige Schulkonferenz bei ihrer Stellungnahme an das zuständige Bezirksamt. Dieses hat gemäß § 109 SchulG ebenfalls die Aufgabe, die Qualität des Mittagessens an den Schulen zu kontrollieren, kann Ersatzjurys bilden und sich über die Entscheidung einzel- ner Schulkonferenzen hinwegsetzen. Bei wie vielen und an welchen Schulen in welchen Bezirken hat das Bezirk- samt sich gegen das Votum der Schulkonferenzen gestellt und eine andere Entscheidung bezüglich der Belieferung der Schule mit Schulessen getroffen? Zu 1.: In der berlinweit erfolgten Ausschreibung der Mittagessenversorgung an Grundschulen sind 351 Schu- len als Einzellose ausgeschrieben worden. Berlinweit ist die bezirkliche Zuschlagsentscheidung bei 13 Schulen von der jeweiligen Empfehlung der Schule abgewichen. Eine Übersicht ist im Anhang (Tabelle 1.) aufgeführt. In 96,3 % der Fälle hat sich das Votum der Schulen somit durchgesetzt. 2. Weicht die Entscheidung des Bezirksamts von der Stellungnahme der Schule ab, so muss die Behörde nach § 76 Abs. 7 SchulG diese gegenüber der Schulkonferenz begründen. Welche Gründe führten die Bezirke gegen- über welchen Schulen aus? 3. Welche Möglichkeiten haben Schulen, gegen die Entscheidung des Bezirksamts Widerspruch einzulegen? 4. Wie viele und welche Schulen haben von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht? a) Wie viele und welche Schulen hatten dabei Erfolg? Zu 2., 3. und 4.: Für das Abweichen des bezirklichen Zuschlags gegenüber dem Votum der Schulkonferenz waren folgende Gründe maßgeblich: Das Angebot des erfolgreichen Bieters erhielt insgesamt mehr Bewertungs- punkte als das der von der Schule empfohlene Bieter. Das Votum der Testverkosterinnen und Testverkoster betref- fend die sensorischen Qualitätsbewertung des Mittages- sens wurde nicht gewertet, weswegen das Votum der Ersatzjury das Votum der Testverkosterinnen und Test- verkoster ersetzt hat. Das trat insbesondere dann ein, wenn der Eindruck entstand, dass sachfremde Erwägun- gen bei der Bewertung berücksichtigt wurden. Als Indi- kator dafür wurde die Punktdifferenz zwischen schuli- scher Testverkostungsjury und der bezirklichen Ersatzjury herangezogen. Hierzu ist in der Ausschreibung festgelegt: „Bei Punktabweichungen von mindestens 7,5 Punkten bei der Bewertung von mindestens zwei der vier zu bewer- tenden sensorischen Qualitätskriterien betreffend ein Gericht eines Caterers ersetzt das Votum der Ersatzjury das Votum der schulischen Testverkostungsjury für das Angebot des betreffenden Caterers.“ Hierzu ist anzumerken, dass der Ausschluss der schu- lischen Testjury nur betreffend des Bieters vorgenommen wurde, bei dem die 7,5 Punkte-Klausel griff und nicht gegenüber den anderen Bietern. Für den betreffenden Bieter wurde der gesamte Bewertungsbogen (beide Ge- richte) von der Testjury ausgeschlossen. Das Recht der Schule zu einer Stellungnahme der Umsetzungskonzepte aller Bieter bleibt davon unberührt. Die Vergabe der Schulverpflegung obliegt den Bezir- ken als Schulträgern. Der ausschreibende Bezirk fällt die Vergabeentscheidung zwar unter Berücksichtigung des Votums der Schule. Eine Festlegung im Schulgesetz, dass das Votum der Schule für die Vergabeentscheidung des Bezirks bindend ist, liegt aber nicht vor. Insofern hat die Schule bezüglich der Vergabeentscheidung des Bezirks kein Widerspruchsrecht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 523 2 5. Auf welcher konkreten Grundlage und mit welcher Begründung hat der Senat sich dafür entschieden, das Schulgesetz dahingehend zu ändern, dass zwei paral- lele Verkostungen des Schulmittagessens stattfinden? a) Hält der Senat an dieser Vergabe- und Ausschrei- bungspraxis, die offensichtlich die Grundlage für Kontro- versen war und ist, weiterhin fest? b) Wenn ja, warum? c) Wenn nein, welche Änderungen des SchulG und weiterer Gesetze oder Verordnungen hält der Senat inzwi- schen für notwendig? Zu 5.: Die parallele Verkostung hat keinen schulge- setzlichen, sondern einen vergaberechtlichen Hintergrund. Das Bilden einer bezirklichen Ersatzjury ist in der berlin- weit empfohlenen Musterausschreibung vorab be- schrieben und festgelegt worden. In der Vergangenheit gab es Fälle im Land Berlin, in denen die Schulen offen- sichtlich willkürlich und sachfremd bei Testverkostungen bewertet haben. Eine Zuschlags-entscheidung auf der Basis einer willkürlichen Bewertung ist vergaberechts- widrig und ohne weiteres angreifbar. Die parallele Ver- kostung von Schule und Bezirk sichert somit die vergabe- rechtskonforme sensorische Qualitätsbewertung der Test- verkostung ab. Das Verfahren zur Auswahl der Essensanbieter wurde berlinweit fristgerecht ohne Nachprüfungsverfahren zum Umstellungsdatum 1. Februar 2014 abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass sich die Praxis der Vergabe- und Ausschreibungspraxis in seiner Ge- samtheit sehr bewährt hat. Insofern gibt es keine Planun- gen, hierzu weiter Gesetzes- oder Verordnungsänderun- gen einzuleiten. 6. Welche Rückmeldungen erhielt der Senat von welchen Bezirken bzgl. der Änderungen der §§ 76 und 78 SchulG, bzgl. der geänderten Vergabe- und Ausschrei- bungspraxis und ihrer Auswirkungen? a) Welche Bezirke schilderten welche Probleme? b) Welche Lösungsvorschläge boten die Bezirke und bot der Senat an? Zu 6.: Dem Senat liegen keine diesbezüglichen Rückmeldungen vor. 7. Welche Mittel stehen in den Jahren 2014 und 2015 welchen Bezirken zur Bereitstellung von angemes- senen Räumen und Plätzen zur Einnahme des Mittages- sens, insb. zum Bau und zur Sanierung von Mensen zur Verfügung? a) Wie viele Mittel hat jeder Bezirk in seinem Haus- halt jeweils für die Sanierung oder für den Bau von Men- sen eingeplant und wo sind diese Mittel jeweils in den Bezirkshaushalten etatisiert? 8. An welchen Schulstandorten in welchen Bezirken werden zur Zeit Mensen saniert oder neu gebaut? a) Wie hoch sind die Mittel, die hierfür jeweils einge- setzt wurden? 9. Welche Schulen in welchen Bezirken haben eine eigene Küche und kochen selbst? a) Wie unterstützt der Senat diese Schulen? Zu 7., 8. und 9.: Gemäß § 109 Schulgesetz obliegt den Bezirken die Verwaltung und Unterhaltung der äußeren Angelegenheiten der allgemein bildenden Schulen. Hierzu zählen die Maßnahmen zur Schaffung der äußeren Vo- raussetzungen für das Lehren und Lernen in der Schule, insbesondere der Bau, die Ausstattung und die Unterhal- tung der Schulen. Dies beinhaltet auch den Bau und die Sanierung von Mensen und die Bereitstellung von ange- messenen Räumen und Plätzen zur Einnahme des Mitta- gessens und auch die Entscheidung über die Mittel, die dafür jeweils eingesetzt wurden. Der Senat hat keine diesbezügliche Zuständigkeit; entsprechende aktuelle Informationen der Bezirke liegen nicht vor. 10. Welche Rückmeldungen hat der Senat und haben die Bezirke bisher zur Steigerung der Qualität des Mitta- gessens erhalten? Zu 10.: Die Qualitätskontrolle des schulischen Mitta- gessens obliegt den Bezirken als Schulträger. Insofern liegen dem Senat keine Rückmeldungen vor. Der Senat geht davon aus, dass durch das berlinweit einheitliche Ausschreibungsverfahren ein qualitativ hochwertiges Schulessen sichergestellt ist. 11. Welche Senatsverwaltungen, welche Abteilungen und welche weiteren Stellen waren an der Beantwortung dieser Schriftlichen Anfrage beteiligt? 12. Haben Sie noch etwas hinzuzufügen? Zu 11. und 12.: Zuständig für die Bearbeitung ist der Senat, vertreten durch die federführende Senatsverwal- tung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Berlin, den 14. April 2014 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Apr. 2014) Anhang: Kleine Anfrage Nr. 17/13 523 Zusammenfassende Übersicht: Tabelle 1. Bezirk Anzahl der ausgeschriebenen Lose/Schulen im Bezirk Anzahl der Schulen mit Differenz zwischen schulischer Empfehlung und bezirklichen Zuschlagserteilung Mitte 35 2 Friedrichshain-Kreuzberg 29 0 Pankow 46 2 Charlottenburg 19 4 Spandau 18 2 Steglitz-Zehlendorf 29 3 Tempelhof-Schöneberg 20 0 Neukölln 37 0 Treptow-Köpenick 31 1 Marzahn-Hellersdorf 32 1 Lichtenberg 31 1 Reinickendorf 24 0 Summe 351 13 S17-13523 ka17-13523Anl