Drucksache 17 / 13 613 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Antje Kapek (GRÜNE) vom 10. April 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. April 2014) und Antwort Tiergarten dauerhaft hinter Gittern? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie bewertet der Senat die Pläne des Bezirk- samts Mitte, den Tiergarten für Veranstaltungen auf der Straße des 17. Juni dauerhaft fest einzuzäunen? Antwort zu 1: Der Senat hält eine mobile Zaunlösung, die durch den Veranstalter der jeweiligen Veranstaltungs- form und -größe angepasst werden kann, für angemessen. Der Vorteil einer mobilen Zaunanlage ist, dass diese fle- xibel und je nach Bedarf die Parkanlage und den Veran- staltungsort sichern kann. Frage 2: Welche Bedrohungsszenarien sollen eine sol- che Einzäunung rechtfertigen? Gibt es Gutachten, welche die Wirksamkeit einer Umzäunung belegen? Antwort zu 2: Veranstaltungen auf der Straße des 17. Juni werden seit vielen Jahren großräumig eingezäunt, wobei der Umfang der Einzäunung stets veranstaltungs- bezogen festgelegt wird. Eine Einzäunung des kompletten Tiergartens östlich des Großen Sterns fand dabei nur in wenigen Fällen statt. Die mit einer Veranstaltungseinzäu- nung einher gehende Zu- und Abgangskontrolle der Be- sucherinnen und Besucher soll verhindern, dass gefährli- che Gegenstände in den Veranstaltungsraum eingebracht werden und Personen Zutritt erhalten, von denen eine Gefahr für Andere ausgeht. Durch verschiedene Zugänge können Besucherströme in verschiedene Veranstaltungs- abschnitte geleitet werden, um eine gefährliche Überfül- lung bestimmter Bereiche zu verhindern. Es gibt Erfahrungswerte, nach denen Personen die bisher verwendeten Baustellenzaunelemente umgeworfen und versucht haben, unkontrolliert in den Veranstaltungs- raum zu gelangen. Derartige Bauzäune sind relativ ein- fach aus ihrer Verankerung zu heben, können leicht überwunden oder umgestoßen werden. Im Fall einer not- wendigen Entfluchtung des Veranstaltungsraumes können Personen durch umgestoßene Zaunelemente zu Fall kommen. Damit wäre ein erhöhtes Verletzungsrisiko verbunden. Ein fester Zaun oder ein besser befestigter, mobiler Sicherheitszaun, wie er beispielsweise im Jahr 2007 zur Absicherung des G8-Gipfels in Heiligendamm verwendet wurde, wären widerstandsfähiger und somit besser geeig- net, einer Überfüllung entgegenzuwirken und Besucher- ströme, auch im Fluchtfall, zu kanalisieren. Frage 3: Gibt es konkrete Hinweise auf solche Bedro- hungsszenarien in Berlin? Antwort zu 3: Nein. Die konkrete Bewertung von Ge- fahrenlagen bei Großveranstaltungen kann immer erst erfolgen, wenn eine derartige Großveranstaltung ange- meldet worden ist und konkrete Informationen über die Veranstaltung selbst, die Teilnehmerinnen und Teilneh- mer, das Thema der Veranstaltung, ihre Wirkung nach außen sowie mögliche Einflüsse von außen bekannt sind. Grundsätzlich ergeben sich aus Großveranstaltungen wegen des Zusammenkommens einer Vielzahl von Men- schen auf einem begrenzten Veranstaltungsraum bereits hohe abstrakte Gefahrenpotentiale. Frage 4: Wurde je der Beweis erbracht, dass durch solch eine feste Einzäunung Bedrohungsszenarien erfolg- reich verhindert werden konnten? Antwort zu 4: Nein. Alternativen zum einfachen Bau- zaun wurden bisher in Berlin noch nicht eingesetzt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2. verwiesen. Frage 5: Ist der Senat der Auffassung, dass die vom Bezirksamt vorgelegten Sicherheitsgutachten diesen mas- siven Eingriff in die Zugänglichkeit zum Tiergarten, einen öffentlichen Park, rechtfertigen? Antwort zu 5: Der Große Tiergarten ist das große grü- ne Herz der Stadt, das sich ohne weitere Begrenzungen in das Stadtgefüge einbindet und damit für Berlin Marken- zeichen der grünen Metropole und den hohen Erholungs- wert für die Alltagsnutzung in der Stadt geworden ist. Die Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 613 2 beabsichtigte Einzäunung eines großen Teils des Tiergar- tens mit einer 2,50 Meter hohen und massiven Zaunanla- ge und einer inneren Einzäunung entlang der Straße des 17.Juni stellt dabei eine gravierende Veränderung dar, die als bedeutender Eingriff in die wichtigste innerstädtische Erholungsanlage sowie das Gartendenkmal Großer Tier- garten gewertet wird, auch wenn vom Bezirk Mitte darge- legt wird, dass die Zugänglichkeit außerhalb von Veran- staltungen weiterhin uneingeschränkt gegeben ist. Frage 6: Wie beurteilen die Denkmalschutzbehörden die Planungen zu einem festen Zaun? Zu Frage 6: Die Denkmalschutzbehörden lehnen einen für entsprechende Sicherheitsanforderungen ausgelegten fest eingebauten Zaun aus denkmalpflegerischen Gründen als unverhältnismäßigen, dauerhaften gestalterischen Ein- griff für nur wenige Großveranstaltungen des Jahres ab. Gleiches gilt für den ebenfalls aus Sicherheitsgründen geforderten 2,40 m hohen massiven mobilen Sicherheits- zaun. Ein Einsatz in einer denkmalgeschützten, hochemp- findlichen innerstädtischen Grünanlage wird als völlig unangemessen angesehen und würde eine unvertretbare Beeinträchtigung darstellen. Frage 7: Schließt sich der Senat der Auffassung des Landesdenkmalrats an, ein Zaun würde den historischen Charakter des Tiergarten verändern und die öffentliche Zugänglichkeit des Parks beeinträchtigen? Antwort zu 7: In seiner Empfehlung aus der Sitzung vom 12.04. 2013 äußert der Landesdenkmalrat „grundsätzliche Bedenken gegenüber jeglicher Veränderung des Tiergartens und seines historischen Charakters. Der Tier- garten ist seit dem 18. Jahrhundert charakterisiert durch seine „Zaunlosigkeit“ und die daraus resultierende jederzeitige Zugänglichkeit als öffentliche Parkanlage. Wenn aus Sicherheitsgründen ein Zaun und weitere Eingriffe unerlässlich wären, dann sollten sie möglichst wenig in Erscheinung treten, eine denkmalverträgliche Gestaltung aufweisen und die angestammte Nutzung möglichst wenig einschränken.“ Der Senat teilt diese Auffassung. Bei zukünftigen denkmalrechtlichen Entscheidungen wird das Votum des Landesdenkmalrates eine wesentliche Grundlage bilden. Frage 8: Was tut der Senat, um den Bezirk, von seiner Position zu überzeugen? Antwort zu 8: Es haben mehrere Gespräche zu dieser Thematik mit Herrn Bezirksstadtrat Spallek und auf Fachebene stattgefunden. Frage 9: Welche Vorgaben der Polizei, Feuerwehr u. ä. gibt es für die Durchführung von Großveranstaltun- gen, die eine Vollumzäunung erforderlich machen? Antwort zu 9: Keine. Weder Polizei noch Feuerwehr sind Genehmigungsbehörde für die Erlaubnis von Groß- veranstaltungen. Sie bringen jedoch bei der Vorbereitung dieser Veranstaltungen ihre Expertise beratend ein. Dabei können diese Sicherheitsbehörden auf eine langjährige Einsatzerfahrung im Zusammenhang mit verschiedensten Großveranstaltungen, wie z. B. Love-Parade oder Fußball Weltmeisterschaft 2006 zurückgreifen. Zur Frage der Einzäunung des Tiergartens um die Veranstaltungsflächen auf der Straße des 17. Juni haben Polizei und Feuerwehr die Errichtung eines festen Zaunes empfohlen, weil damit die Einfriedung des Veranstaltungsraumes auf bestmögli- che Weise gewährleistet sei und dies zu einem hohen Sicherheitsstandard beitragen würde. Eine Position von Polizei und Feuerwehr zum Einsatz eines besser befestig- ten mobilen Sicherheitszauns steht noch aus. Frage 10: Welche Sicherheitsmaßnahmen hat das Land Berlin bereits mit den Veranstaltern oder Organisa- toren von Großveranstaltungen vereinbart? (z.B. mit dem Deutschen Fußball-Bund für den Umfang der Sicherheits- anforderungen an die Durchführung der Fanmeile)? Antwort zu 10: Die erforderlichen Sicherheitsmaß- nahmen werden veranstaltungsbezogen vom Veranstalter in einem Sicherheitskonzept erarbeitet. Dieses wird durch die Behörden der öffentlichen Sicherheit und Ordnung innerhalb der jeweiligen behördlichen Zuständigkeitsbe- reiche geprüft und gegebenenfalls durch den Veranstalter entsprechend ergänzt. Es ist dann Bestandteil der behörd- lichen Antrags- und Genehmigungsunterlagen. Das Land Berlin tritt nicht als Veranstalter der Fan- meile zur Fußball Weltmeisterschaft 2014 in Erscheinung. Vorgaben und Absprachen zwischen dem zuständigen Fußballverband und dem Veranstalter sind daher nicht bekannt. Das Genehmigungsverfahren befindet sich in der Abstimmung und ist noch nicht abgeschlossen. Zurzeit ist daher keine Aussage zu Sicherheitsaspekten möglich. Frage 11: Was kostet eine Umzäunung des Tiergartens und wer zahlt diese? Antwort zu 11: Eine stationäre Einzäunung des östli- chen Tiergartens würde circa 4,1 Millionen Euro kosten. Diese Kosten sind Bestandteil eines Förderantrages des Bezirksamts Mitte von Berlin, der bei der Senatsverwal- tung für Wirtschaft, Technologie und Forschung einge- reicht wurde. Frage 12: Welche Alternativen zur Umzäunung sieht der Senat, um die Sicherheit vor Ort zu gewährleisten? Welche Unterstützung leistet hierzu das Land Berlin, das diese Veranstaltungen ausdrücklich wünscht? Antwort zu 12: Ob und wenn ja, wie und in welchem Umfang eine Veranstaltung aus Sicherheitsgründen eine Einzäunung erforderlich macht, ist stets veranstaltungsbe- zogen zu prüfen und festzulegen. Wenn eine Einzäunung für erforderlich erachtet wird, sind als Alternativen zu Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 613 3 einem baulich angelegten festen Zaun rings um den Tier- garten auch mobile Umzäunungen oder ein Sicherheits- zaun zu prüfen. Die mobilen Zaunvarianten haben den Vorteil, dass mit ihnen flexibel auf die jeweilige Veran- staltungsfläche und die jeweiligen Sicherheitsbedürfnisse reagiert werden kann. Große Veranstaltungen im Freien bedeuten für die Si- cherheitskräfte von Feuerwehr und insbesondere Polizei immer einen hohen zusätzlich Arbeitsaufwand - auch vor Ort. Dieser Aufwand und Einsatz ist ein maßgeblicher Beitrag des Landes Berlin zu den hiesigen Großveranstal- tungen. Frage 13: Wen sieht der Senat - insbesondere vor dem Hintergrund der personellen und finanziellen Ausstattung der Bezirksämter - in der Pflicht, solche Großveranstal- tungen zu betreuen und zu koordinieren? Antwort zu 13: Da Großveranstaltungen in der Regel auf Straßen des übergeordneten Straßennetzes stattfinden, ist für diese regelmäßig die Verkehrslenkung Berlin als zentrale Straßenverkehrsbehörde die Erlaubnisbehörde für die Erlaubnis nach § 29 Absatz 2 Straßenverkehrs- Ordnung in Verbindung mit § 13 Berliner Straßengesetz bzw. § 8 Absatz 6 Bundesfernstraßengesetz. Als solche kommt ihr eine steuernde und koordinierende Funktion bei der Schaffung der Voraussetzungen für die Erlaubnis zu. Den Regelungen des Straßenrechts und der Allgemei- nen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) entsprechend sind die Polizei, der Straßen- baulastträger und ggf. weitere Behörden (Feuerwehr, BVG etc.) einzubeziehen, soweit ihr Zuständigkeitsbe- reich berührt ist. Frage 14: Ist der Senat grundsätzlich der Auffassung dass sich die Straße des 17. Juni als zentrale Veranstal- tungsfläche gut eignet? Warum?/warum nicht? Antwort zu 14: Die Straße des 17. Juni ist durchaus zur Aufnahme und Ausrichtung von Großveranstaltungen, wie sie in europäischen Großstädten stattfinden, geeignet, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Der Veranstaltungsort bietet nicht nur Vorteile für die Veranstalter, sondern auch für die Sicherheitsbehörden (im Kern bewährte Si- cherheitskonzepte, Fläche, Entfluchtung, Erfahrung) und die Besucher, die eine gute Anbindung an den ÖPNV vorfinden. Gleichwohl handelt es sich aber um eine Bun- desstraße mit einer erheblichen Verkehrsbelastung, die eine wesentliche Bedeutung für den Ost-West-Verkehr in der Innenstadt hat. Der Senat ist sich dieser Problematik bewusst. Des- halb wurden in Abstimmung mit dem Bezirk die "Zulas- sungskriterien für Veranstaltungen auf der Straße des 17. Juni" festgelegt, nach denen im Straßenzug Straße des 17. Juni/ Brandenburger Tor maximal 20 Veranstaltungen pro Jahr erlaubt werden sollen. Hierbei werden Veranstal- tungen, die nicht von internationaler oder herausragender nationaler Bedeutung sind und keinen Imagegewinn für Berlin darstellen bzw. keine wirtschaftliche Bedeutung für Berlin haben und an denen somit kein gesamtstädti- sches Interesse besteht, grundsätzlich nicht erlaubt. Dies hat der Senat in seiner Sitzung bereits am 19. Juni 2007 zustimmend zur Kenntnis genommen. Zusätzlich hat der Bezirk im Jahr 2009 einen sogenannten Positiv-Negativ- Katalog herausgebracht, der u.a. Kriterien beinhaltet, die die Bedeutung des Ortes berücksichtigen. Frage 15: Welche innerstädtischen alternativen Stand- orte für Großveranstaltungen stehen zur Verfügung? Antwort zu 15: In erster Linie werden für Großveran- staltungen die dazu errichteten Veranstaltungsstätten genutzt. Je nach Lage des Einzelfalls sind verschiedene Flächen im Freien durchaus auch für Veranstaltungen nutzbar. Es hat sich gezeigt, dass Alternativflächen wie z.B. das Tempelhofer Feld, der Alexanderplatz, der Platz vor dem Olympiastadion, der Platz am Gendarmenmarkt oder am Beispiel des Berliner Halbmarathon die Karl- Marx-Allee in Berlin Mitte für ähnliche Veranstaltungen unter Umständen zur Verfügung stehen können, wenn dies mit dem Veranstaltungskonzept vereinbar und der Standort unter verkehrlichen Gesichtspunkten und in sicherheitspolizeilicher Hinsicht geeignet ist. Frage 16: Welche Auswirkungen hätte eine dauerhafte Einzäunung auf die im Tiergarten lebenden Wildtiere? Antwort zu 16: Keine. Berlin, den 24. April 2014 In Vertretung Christian Gaebler ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Mai 2014)