Drucksache 17 / 13 701 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Susanna Kahlefeld (GRÜNE) vom 30. April 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 05. Mai 2014) und Antwort „Problemhäuser“ - was weiß, was tut der Senat? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Häuser gibt es in der Stadt, die von den Bezirksämtern als so genannte „Problemhäuser“ eingestuft werden: Überbelegt, heruntergekommen und eigent- lich unbewohnbar, vermietet ohne Mietverträge und/oder zu Wuchermieten? Bitte auflisten nach Bezirk, Eigentü- mer, Verwalter, vermuteter Anzahl der Bewohner*innen und seit wann die Problematik bekannt ist. Zu 1.: Nachfolgend genannte Bezirke haben auf die Anfrage wie folgt geantwortet: Friedrichshain-Kreuzberg: Wohnhäuser wie in der obigen Anfrage beschrieben, sind im Bezirk nicht be- kannt. Auch in der Beratung sind derartige Wohnverhält- nisse bislang nicht thematisiert worden. Lichtenberg: Im Bezirk gibt es zwei sogenannte Prob- lemhäuser, die sich in einem heruntergekommenen, stark sanierungsbedürftigen Zustand befinden. Mitte: Im Bezirk Mitte gibt es ca. 35 sogenannte Prob- lemhäuser, die sich in einem heruntergekommenen, stark sanierungsbedürftigen Zustand befinden und von bulgari- schen oder rumänischen Staatsangehörigen bewohnt wer- den. Fast alle bekannten Mieterinnen und Mieter verfügen über Mietverträge. Eine genaue Personenanzahl kann daher nicht benannt werden. Ferner ist bei der Durchsicht der vorgelegten Mietverträge festzustellen, dass zwar überhöhte Mieten, jedoch keine sogenannten Wuchermie- ten mehr vereinbart wurden. Des Weiteren gibt es Wohn- objekte, wo weder die zuständige Hausverwaltung noch die Eigentümerin oder der Eigentümer festzustellen sind, da die Mieterinnen und Mieter hier jeglichen Informati- onsfluss, meist aus Furcht andernfalls die Wohnung zu verlieren, unterbinden. Neukölln: Es gibt gewisse Datenhäufungen bei eini- gen Anschriften, nicht immer mit unzumutbaren Wohn- verhältnissen von außen, wie es den Bewohnerinnen und Bewohnern geht ist nicht immer bekannt (Wuchermieten, Wohnungszustand, etc.). Reinickendorf: Hauptsächlich in Reinickendorf West sind vier Häuser als Problemhäuser lokalisiert. Bei einem Haus handelt es sich um Wohnungen der GEWOBAG, bei den anderen Wohnungen sind die Vermieterinnen und Vermieter/Eigentümerinnen und Eigentümer bisher nicht bekannt. Die Häuser sind belegt in einem Fall mit sechs Roma-Familien, in einem anderen mit mindestens 10 bulgarischen Familien und in einem weiteren Fall mit vier bis fünf Roma-Familien. 2. In welchen dieser Häuser werden die Bewoh- nern*innen sozial betreut, wo gibt es bezirkliche oder Projekte, die durch IntMig finanziert werden? Bitte nach Adresse und Art der Betreuung auflisten. Zu 2.: Nachfolgend genannte Bezirke und die Mobile Anlaufstelle für Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter sowie Roma (Mobile Anlaufstelle) sowie Träger des be- zirksorientierten Programms zur Umsetzung des Aktions- plans zur Einbeziehung ausländischer Roma haben auf die Anfrage wie folgt geantwortet. Der Senat veröffentlicht jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht die ihm von den Bezirken oder der Mobilen Anlaufstelle übermit- telten Anschriften: Friedrichshain-Kreuzberg: Wohnhäuser wie in der obigen Anfrage beschrieben, sind im Bezirk nicht be- kannt. Auch in der Beratung sind derartige Wohnverhält- nisse nicht thematisiert worden. Lichtenberg: Zwei Häuser werden von südost Europa Kultur über die Mobile Anlaufstelle sowie über das be- zirksorientierte Programm begleitet. Mitte: Die Mobile Anlaufstelle kennt die Häuser und unterstützt die Roma-Familien. Vereinzelt gehen Meldun- gen aus der Nachbarschaft zu entsprechenden Wohnungen ein, die dann mit Hilfe der Bau- und Wohnungsaufsicht überprüft werden. Gleichzeitig werden die Betroffenen gegebenenfalls erneut motiviert, die mietrechtlichen Bera- tungsangebote der Mobilen Anlaufstelle wahrzunehmen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 701 2 Neukölln: Über das bezirksorientierte Programm wer- den drei Häuser mit unterschiedlicher Intensität betreut. Es gab bereits drei Runde Tische für Nachbarschaftsdia- loge sowie einen beim Quartiersmanagement Flughafen- straße, der nicht beim Bezirksamt angesiedelt war. Zudem wird Mietrechtsberatung durch Juristinnen und Juristen durch die Roma-Organisation Amaro Foro und durch das Nachbarschaftsheim Neukölln angeboten. Reinickendorf: In vier Häusern werden die Familien unter anderem durch Familienhelferinnen und Familien- helfer der nichtstaatlichen Organisationen Südost Europa Kultur e.V. und Aufwind gGmbH betreut. Im Westen des Bezirks arbeitet der Träger Albatros unter anderem mit den bulgarischen-, rumänischen- sowie den Roma- Familien über das bezirksorientierte Programm als Kon- takt- und Beratungsstelle. Zum 1.2.2014 wurde mit der GEWOBAG (Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Berlin), dem Träger PHINOVE e.V., der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen - Die Integrationsbeauf- tragte des Senats - und dem Bezirk ein Partnerschaftsver- trag geschlossen zur Einbeziehung von Roma-Familien als Mieter. Mobile Anlaufstelle: Die sogenannten Problemhäuser werden regelmäßig aufgesucht, um die betroffenen Miete- rinnen und Mieter über ihre rechtlichen Ansprüche aufzu- klären und ihnen bei der Bewältigung ihres Alltags und der Integration in gesellschaftliche und soziale Strukturen zu unterstützen. Nicht immer wird diese Hilfe in An- spruch genommen, vor allem fällt hierbei auf, dass miet- rechtliche Auseinandersetzungen mit der Vermieterin oder dem Vermieter aufgrund der Furcht vor Verlust der Wohnung und der fehlenden Handlungsalternativen durch den besonders erschwerten Zugang dieses Personenkrei- ses zum Wohnungsmarkt, vermieden werden. In Mitte gibt es zudem Konfliktinterventionen gegen Antiziganis- mus neben der aufsuchenden Familiensozialarbeit zwei- mal wöchentlich an mehreren Standorten und eine Erstbe- ratung einschließlich juristischer Beratung in mietrechtli- chen Angelegenheiten. 3. Wie viele Menschen waren in den letzten Jahren von der Vertreibung aus diesen Häusern betroffen und wo sind sie untergekommen bzw. wurden sie untergebracht? Bitte für die letzten drei Jahre angeben. Zu 3.: Nachfolgend genannte Bezirke und die Anlauf- stelle haben auf die Anfrage wie folgt geantwortet: Mitte 2012: ein Haus mit ca. 60 Personen. Für einen Teil der Familien konnten der Bezirk sowie mit Unter- stützung eines lokalen Sozialprojekts andere Wohnmög- lichkeiten gefunden werden. Ein weiterer Teil (ca. 15 – 20 Personen) nächtigte vorübergehend auf dem Leopold- platz. Dieser Personenkreis wurde durch die Mobile An- laufstelle unterstützt. Über den weiteren Verbleib gibt es keine Informationen. Mitte 2014: Eisfabrik Köpenicker Straße: Ca. 30 bis 50 Personen. Teilweise vorübergehende Unterbringung durch den Bezirk Mitte in Hostels. Für zwei Wöchnerin- nen konnten durch die Mobile Anlaufstelle bzw. durch den Bezirk Wohnmöglichkeiten gefunden werden. Ein Teil der Personen hat die Beratungsangebote der Mobilen Anlaufstelle angenommen. Über den Verbleib der weite- ren Personen ist hier nichts bekannt. Neukölln: Hierüber sind keine Daten bekannt. Immer wieder verzieht eine Familie, die Gründe sind oftmals nicht transparent. Reinickendorf: Mindestens vier Wohnungen in einem Haus in Reinickendorf West mussten in den letzten 18 Monaten von den dort zur Untermiete wohnenden Roma- Familien verlassen werden. Einige der Familien hatten Mietrückstände. Der ehemalige Vermieter hatte gegen die Familien geklagt. In Reinickendorf Ost wurden in den letzten 18 Monaten mindestens drei Wohnungen geräumt. Hier sind die Eigentümerinnen und Eigentümer nicht bekannt. Der Verbleib der Familien ist nicht bekannt. Mobile Anlaufstelle: Im Jahr 2011 gab es im Bezirk Mitte die Räumung eines gesamten Hauses durch den Vermieter ohne zugrunde liegenden rechtskräftigen Räumungstitel. Durch die Tätigkeit der Mobilen Anlauf- stelle sind in der Folgezeit derartige Räumungen unter- bunden worden, da die Mieterinnen und Mieter sogenann- te Problemhäuser von ihren Rechten in Kenntnis gesetzt wurden und bei Versuchen, sie ohne Räumungstitel aus ihren Wohnungen zu entfernen, sofort mit der Polizei und der Mobilen Anlaufstelle Kontakt aufnehmen. Auch im Fall rechtskräftiger Räumungstitel konnten mit Hilfe der Mobilen Anlaufstelle Ersatzwohnungen für die betroffe- nen Mieterinnen und Mieter beschafft werden, z.B. durch die Begründung neuer Mietverträge bei der privaten Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft oder es konnten Einweisungen in Notunterkünfte über das Sozial- amt erreicht werden. Auch hier ist die Angabe von Perso- nenanzahlen nicht möglich. 4. In welchen dieser Häuser gibt es Kontakte der Äm- ter zu den Eigentümern bzw. Verwaltern? Zu 4.: Nachfolgend genannte Bezirke haben auf die Anfrage wie folgt geantwortet: Neukölln: Dies erfolgt laufend, wenn Mieterinnen und Mieter sich bei der Wohnungsaufsicht melden und die Mängel nicht behoben worden sind. Diese sind jedoch einzelne Fallakten und werden nicht als Wohnanschrift geführt und statistisch nicht ausgewertet. Reinickendorf: Mit der GEWOBAG. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 701 3 5. Welche Versuche wurden von Seiten der Bezirks- ämter oder der zuständigen Stellen des Senates unter- nommen, um die Wohnverhältnisse in diesen Häusern zu verbessern? Wo waren sie erfolgreich? Woran sind sie ggf. gescheitert? Zu 5.: Nachfolgend genannte Bezirke haben auf die Anfrage wie folgt geantwortet: Mitte: Siehe Antwort zu 1. und 2. Neukölln: Die Bau- und Wohnungsaufsicht arbeitet in ihrer Zuständigkeit und mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Oftmals fehlt es aber an der Durchsetzung durch die Mieterinnen und Mieter, da Mietrecht Privat- recht ist. Reinickendorf: Siehe Antwort zu 1. und 2. 6. Was plant der Senat, um die „Vermietung“ von Immobilien, die eigentlich unbewohnbar sind, zu unter- binden und dieses Geschäftsmodell unmöglich zu ma- chen? Zu 6.: Am 29.1.2014 hat die Senatsverwaltung für Ar- beit, Integration und Frauen im Rahmen der Abschluss- veranstaltung des Modellprojekts „Maßnahmen zur Stärkung der Roma-Community in Berlin“ das Thema Wohnen als ein Schwerpunkt behandelt und unter Beteiligung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und mehreren Wohnungsbaugesellschaften folgende Empfehlungen ent- wickelt:  Initiierung von kombinierten Wohnprojekten nach dem Muster der Harzer Straße (langfristig Mi- schung der Bewohnerinnen und Bewohner), För- derung der Zusammenarbeit mit kundigen Trägern der Familien- und Sozialarbeit  Initiierung eines runden Tischs bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt zum barrierefreien Zugang zu Wohnraum, der auch die Situation von besonders benachteiligten Gruppen berücksichtigt  Vernetzung der Vermieterinnen und Vermieter über den BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V.  Sensibilisierung der Vermieterinnen und Vermieter zur Situation von Menschen in prekären Lebensla- gen durch aktive Träger im Thema  Anreize für Vermieterinnen und Vermieter, damit auch Menschen in prekären Lebenslagen Zugang zu bezahlbarem und solidem Wohnraum erhalten (Vorbild: Anreize Arbeitgeberinnen und Arbeitge- ber für Langzeitarbeitslose über die JobCenter und Arbeitsagenturen)  Wohnraumbetreuung und Sprachmittlung  Aufklärung zu Rechten und Pflichten von Mieterinnen und Mietern sowie Vermieterinnen und Vermietern (Beispiel „Wohnführerschein“ für junge Erwachsene)  Öffentlichkeitskampagne. 7. Welche Hilfen erhalten die Bewohner*innen, um ihre Situation zu verbessern? Zu 7.: Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen - Die Integrationsbeauftragte des Senats - unterstützt zurzeit den Einsatz der Mobilen Anlaufstelle, des bezirksorientierten Programms und der Mietrechtsbe- ratung Roma-Familien. 8. Gibt es in diesem Zusammenhang Gespräche mit den Landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften? Waren diese erfolgreich? Falls nein, warum nicht? Zu 8.: Der Senat führt Gespräche mit landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Ein erstes Ergebnis ist die Partnerschaft mit der GEWOBAG zu einem kombinierten Wohnprojekt. Weitere Partnerschaften werden angestrebt. Berlin, den 20. Mai 2014 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Mai 2014)