Drucksache 17 / 13 742 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 08. Mai 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 09. Mai 2014) und Antwort Familien mit Kindern in Notunterkünften Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat die Bilanz von Diakonie und Caritas zur Kältehilfesaison 2013/14 (Pressemeldung von 2. April 2014), wonach immer mehr Familien mit minderjährigen Kindern Obdach in Notunterkünften suchen? 2. Welche Notunterkünfte haben sich nach Kenntnis des Senats ganzjährig auf die Unterbringung von Familien mit minderjährigen Kindern eingerichtet, welche Kapazitäten haben diese und wie unterstützt der Senat diese Einrichtungen? Zu 1. und 2.: Die Berliner Wohnungslosenhilfe verfügt über ein stark differenziertes gesamtstädtisch und bezirklich aufgebautes Hilfesystem für wohnungslose Menschen, das über die Jahrzehnte ständig weiterentwickelt worden ist. Das Hilfesystem besteht im Wesentlichen aus materiellen und persönlichen Leistungen zur Überwindung der sozialen Schwierigkeiten, die mit besonderen Lebensverhältnissen verbunden sind. Bestandteile sind die Leistungsangebote nach dem SGB XII zur Realisierung personenbezogener Ansprüche sowie ein vielfältiges, niedrigschwelliges und zuwendungsgefördertes Hilfesystem von Projekten. Diese bieten in unterschiedlicher konzeptioneller Schwerpunktsetzung Beratungs- und Versorgungsleistungen zur Re-/Integration der Menschen ins Regelsystem. Die Leistungsangebote und Projekte wirken sowohl präventiv zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit als auch nach Eintritt der Wohnungslosigkeit zur Überwindung der Notlage. Die niedrigschwelligen Projekte haben dabei die vorrangige Aufgabe, hilfesuchende Menschen schnell und unbürokratisch über weiterführende Hilfen/Hilfeeinrichtungen zu informieren und sie im Beratungsprozess auf Wunsch dorthin zu vermitteln. Hilfesuchenden stehen u.a. ganzjährig zwei Notübernachtungen offen. Hierbei handelt sich um die Notübernachtung Franklinstr. in Berlin- Charlottenburg und um die Frauen-Notübernachtung in der Tieckstr. 17, in Berlin-Mitte. Beide Einrichtungen richten sich konzeptionell an alleinstehende Menschen ohne Kinder, die Notübernachtung Tieckstr. richtet sich ausschließlich an Frauen. Für die Aufnahme von Kindern sind beide Einrichtungen weder personell noch räumlich ausgerichtet. Zusätzlich zu o. g. Angeboten besteht die „Berliner Kältehilfe“, ein in Deutschland einmaliges NotProgramm, das 1989 von Berliner Kirchengemeinden und Wohlfahrtsverbänden und von der Senatsverwaltung (damals Gesundheit und Soziales) ins Leben gerufen wurde, um obdachlosen Menschen eine unbürokratische Übernachtungsmöglichkeit während der kalten Jahreszeit anzubieten. Diese Aufgabe wird seit 1995 von den Bezirken wahrgenommen. Zahlreiche Träger, d. h. Kirchengemeinden, Vereine und Initiativen beteiligen sich jeweils mit eigenen Angeboten, wie z. B. Notübernachtungen, Nachtcafés, Suppenküchen, Treffpunkten am „Kältehilfeprogramm, um zu verhindern, dass Menschen ohne Unterkunft Schaden erleiden. Bei der „Kältehilfe“ handelt es sich um eine ausschließliche Notversorgung vor Eintritt in die Regelversorgung. Die „Kältehilfe“-Notübernachtungen sind weder für die Unterbringung von Familien mit Kindern geeignet noch dafür ausgestattet. Insofern gibt es auch keine Spezialisierung einzelner Notübernachtungen für Familien mit Kindern. Hinsichtlich der Schlussbewertung der „Kältehilfe“ im Winter 2013/2014 ist der Berliner Senat erfreut, dass es den Bezirken in Zusammenarbeit mit den Verbänden und Trägern trotz der Schwierigkeiten auf dem Immobilienmarkt im Laufe des Winters gelungen ist, ein Angebot von 500 Notschlafplätzen zur Verfügung zu stellen. 3. Wie viele Familien mit minderjährigen Kindern sind nach Kenntnis des Senats in Berlin wohnungslos und auf Obdach in Notunterkünften angewiesen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 742 4. Welche Kenntnis hat der Senat über die Herkunft dieser obdachlosen Familien mit minderjährigen Kindern? Zu 7. bis 9.: Die Fachkräfte der Sozialeinrichtungen im Integrierten Sozialprogramm (ISP) sind zum Thema Familien mit minderjährigen Kinder hoch sensibilisiert und verfügen als staatlich anerkannter Sozialarbeiter / anerkannte Sozialarbeiterin über die Qualifikation sowie die notwendigen Infrastrukturkenntnisse in den unterschiedlichen Berliner Hilfesystemen, um auch Familien mit Kindern qualifiziert weiterzuvermitteln. Hierin besteht das Kerngeschäft dieser Einrichtungen und Dienste, die seit Jahren intensiv mit allen wichtigen Stellen kooperieren. Zu 3. und 4.: Dazu liegen dem Berliner Senat keine validen Daten vor. Wegen der besonderen Niedrigschwelligkeit der „Kältehilfe“ haben die Bezirke im Konsens mit den Verbänden und Kirchengemeinden auf eine Implementierung einer Statistik verzichtet. Die Datenerhebung könnte dazu führen, dass Menschen eine Notübernachtung nicht aufsuchen und somit erheblichen Schaden an ihrer Gesundheit erleiden. 10. Wie viele Wohnungen hält der Senat vor, um im Bedarfsfall Familien sehr kurzfristig kind- und familiengerecht unterzubringen? 5. Welche Ursachen sieht der Senat für die Obdachlosigkeit von Familien mit minderjährigen Kindern? Zu 10.: Bei Vorliegen der Voraussetzungen werden wohnungslose Menschen von den Bezirken nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) untergebracht. Zu 5.: Die Ursachen von Wohnungslosigkeit sind nicht monokausal zu erklären. Hierzu besteht in der Fachwelt ein breiter Konsens. In der Regel liegt ein Zusammenwirken von mehreren Faktoren vor, die sowohl Ursachen als auch Folge von Wohnungs-losigkeit sein können. Das sind äußere Faktoren wie ein angespannter Wohnungsmarkt im unteren Preissegment, kritische Lebensereignisse von Menschen wie Arbeitslosigkeit/Mittellosigkeit, Partnerverlust, Suchtproblematiken oder andere Krankheiten. Besteht ein weitergehender Bedarf können Leistungsberechtigte auch Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern erhalten. In diesem Zusammenhang besteht in den verschiedenen Hilfesystemen das Angebot des „Betreuten Wohnens“. Die Träger als Leistungserbringer halten so genannte Maßnahmewohnungen vor, die von den Leistungsberechtigten genutzt werden können. Auch diese Leistung wird in Absprache mit dem Land Berlin subsidiär von der Freien Wohlfahrtspflege erbracht. 6. Wie bewertet der Senat unter dem Aspekt der Kindeswohlgefährdung das Leben von Familien mit minderjährigen Kindern auf der Straße? Eine eigene Wohnungsvorhaltung durch den Senat erfolgt nicht. Zu 6.: Das Kindeswohl ist aus Sicht des Berliner Senats ein besonders schützenwürdiges Gut. Der ungeschützte Aufenthalt auf der Straße von Familien mit Kindern ist nicht hinnehmbar. Der Berliner Senat fördert deswegen in mehreren Bereichen - Jugend, Wohnungslosenhilfe - Projekte mit aufsuchender Straßen-sozialarbeit, um die Betroffenen anzusprechen, Hilfemöglichkeiten aufzuzeigen und sie zur Annahme der Angebote zu motivieren. 11. Welchen Handlungsbedarf leitet der Senat aus den Feststellungen der Caritasdirektorin, Frau Prof. Dr. Ulrike Kostka, ab, die Kältehilfe werde mehr und mehr zum Auffangbecken all derjenigen, die vom eigentlichen Hilfesystem nicht erreicht werden und die Politik sei aufgefordert, Lösungen zu finden? Was bedeutet das für den Senat im Hinblick auf die Gewährleistung des Kindeswohls bei wohnungslosen Familien mit minderjährigen Kindern? Was wird der Senat tun? 7. Welche besonderen Hilfsangebote hält der Senat vor, um Familien mit minderjährigen Kindern ein dauerhaftes Obdach und eine Perspektive für ein Leben jenseits der Straße zu geben? Zu 11.: Weder die Wohnungslosenhilfe noch die „Kältehilfe“ ist ein Auffangbecken für Menschen, deren Bedarfe in vorrangigen Hilfesystemen nicht gedeckt werden. Der Berliner Senat und die Bezirke betreiben deswegen stark ausdifferenzierte Hilfe-systeme, die ständig bedarfsgerecht weiterentwickelt werden. 8. Wie sind die Mitarbeiter/innen und Helfer/innen in den Notunterkünften für wohnungslose Menschen durch die für Jugend und Familie zuständige Senatsverwaltung informiert und befähigt, insbesondere Familien mit minderjährigen Kindern in weiterführende Hilfen zu vermitteln? Berlin, den 23. Mai 2014 In Vertretung Dirk G e r s t l e 9. Welche weiterführenden Hilfen stehen seitens des Senats und der Bezirksämter zur Verfügung, um wohnungslosen Familien mit minderjährigen Kindern nachhaltige Unterstützung zu bieten und Wege aus ihrer schwierigen Situation aufzuzeigen? Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Mai 2014) 2