Drucksache 17 / 13 771 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anja Kofbinger (GRÜNE) vom 08. Mai 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Mai 2014) und Antwort Gender Mainstreaming in der Gesundheitsaufklärung Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Welche konkreten Maßnahmen hat der Senat in die- ser Legislaturperiode im Rahmen der Umsetzung von Gender Mainstreaming im Bereich Gesundheit ergriffen, um geschlechtsspezifische Diagnosen, Vorsorge und Therapien zu fördern? Welche weiteren Maßnahmen sind bis Ende der Legislaturperiode noch geplant? Zu 1.: Geschlechtsspezifische Diagnosen sowie The- rapien bei Frauen als auch bei Männern liegen in der Hand der behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Sie unter- liegen nicht der Einflussnahme durch den Senat. Gleich- wohl fördert der Senat insbesondere über Projekte im Bereich des Integrierten Gesundheitsprogramms IGP, über die Landesgesundheitskonferenz sowie aktuell über den Stadtplan für Gesundheits-förderung die geschlechts- spezifische Gesundheitsvorsorge und Prävention. In die- sem Zusammenhang kann zusammenfassend festgestellt werden, dass sich im Bereich Gesundheit in den letzten Jahren erfreulicherweise der Blick auf geschlechtsspezifi- sche Besonderheiten geschärft hat. Das wird auch durch gezielte Weiterbildungsmaßnahmen für die Ärzteschaft sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesund- heitswesen nachhaltig befördert. Dabei ist hervorzuheben, dass sich gerade auf diesem Gebiet enge Kooperationen zwischen der Ärztekammer sowie senatsgeförderten Pro- jekten - wie beispielsweise dem Feministischen Frauen- GesundheitsZentrum e. V. Berlin (FFGZ) und dem Pro- jekt „Signal“ - entwickelt haben. Folgende geschlechtsspezifische Projekte werden durch den Senat über das Integrierte Gesundheitspro- gramm gefördert: Frauengesundheit • das FFGZ, welches insbesondere im Bereich Frauengesundheit Frauen unabhängige Information und Bera- tung zu diversen gesundheits- bzw. krankheitsbezogenen Themen bietet, damit sie in einem nach wie vor männlich dominierten Gesundheitssystem als gut informierte und selbstbestimmte Patientinnen auftreten können; • die Koordinierungs- und Interventionsstelle des SIGNAL e. V., welche eng mit dem medizinischem und pflegerischem Personal z. B. in Krankenhäusern zusam- menarbeitet, mit dem Ziel, die gesundheitlichen Folgen erlittener (häusliche/sexuelle) Gewalt, insbesondere bei Frauen, zu erkennen und adäquat zu behandeln (z. B. auch einschließlich einer rechtssicheren Dokumentation) wer- den genderspezifischen Therapieansätze verfolgt. Hervor- zuheben ist in diesem Zusammenhang, dass SIGNAL e. V. eine enge Kooperation mit der Ärztekammer zu Fragen der Fort- und Weiterbildung verbindet; • die Gesundheitsetage des Akarsu e. V., welche Frauen und Mädchen – insbesondere mit Migrationshintergrund – eine niedrigschwellige Anlaufstelle für gesundheitsbezogene Information, Aufklärung und Bewe- gungsangebote anbieten, die sowohl einer besseren In- tegration als auch einer gesundheitsbewussteren Lebens- weise dienen; • das psychosoziale Beratungszentrum der Lesbenberatung , welches sich an (lesbische) Frauen und Mäd- chen richtet und darüber hinaus auch die psychosozialen Beratungsbedarfe von transidenten/transsexuellen Men- schen in den Fokus nimmt; • das Frauennachtcafé des Wildwasser e. V., das Frauen eine Anlaufstelle bietet, die in der Regel sowohl Gewalt erfahren als auch psychische Beeinträchtigungen haben und insbesondere in Abend- und Nachtzeiten und in Krisensituationen im Frauennachtcafé ein nied- rigschwelliges Angebot finden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 771 2 Frauenspezifische Angebote der Drogen- und Sucht- hilfe werden in Berlin abgedeckt durch: • den Verein FrauSuchtZukunft – Verein zur Hilfe suchtmittelabhängiger Frauen e. V., der verschiedene Projekte anbietet, wie z. B. die Suchtberatungs- und Be- handlungsstelle „FAM“, eine Alkohol- und Medikamentenberatungsstelle für Frauen und Angehörige oder „Catch up“, eine ambulante Suchttherapie für 12- bis 18- jährige Mädchen; • die Therapeutische Wohngemeinschaft Violetta Clean, ein betreutes Wohnangebot für Frauen mit Sucht- problemen, die neun Plätze für süchtige Frauen anbietet, die in einem geschützten Rahmen auch Alltagsstrukturie- rung lernen und über weitere Angebote des Trägers auch die Möglichkeit der Arbeitserprobung nutzen können; • das Projekt Frauen-Sucht-Arbeit/Stoffbruch, welches sich an süchtige Frauen richtet und einerseits die Koordination der Frauen-Sucht-Arbeit sowie Vorberei- tung und Unterstützung zur ambulanten Therapie anbietet. Ziel des Projektes ist die Förderung der sozialen Rehabili- tation und damit der gesellschaftlichen Integration süchti- ger Frauen. Dies umfasst vorbereitende, unterstützende und begleitende Maßnahmen für die ambulante medizini- sche Rehabilitation für Abhängigkeitserkrankungen und die ambulante Nachsorgebehandlung. Die Klientinnen sollen zu einer dauerhaften Abstinenz und zu einer gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben befähigt werden; • das Projekt Unterstützung zur Qualifizierung im Café Seidenfaden, mit dem Fokus auf Frauen mit Alko- hol- und Drogenproblemen, welches als suchtmittelfreie Kontakt- und Begegnungsstätte für Frauen die Möglich- keit zur Arbeitserprobung- und Ausbildung bietet. Männergesundheit Im Rahmen männerspezifischen Projekte werden ge- fördert: • Tauwetter e. V., die Anlaufstelle für Männer, die als Junge/Jugendlicher sexuelle Gewalt erfahren haben und. allen Menschen offen steht, die sich als Mann defi- nieren. Die Verarbeitung der in der Kindheit/Jugend er- lebten sexuellen Gewalt steht dabei im Fokus; • die Schwulenberatung für schwule Männer mit einer psychischen bzw. einer Suchterkrankung, welche ein spezifisches niedrigschwelliges Kontakt-, Gesprächs- und Beratungsangebot anbietet und damit stabilisierend und sozialer Isolation entgegen wirkt; • die männerspezifische therapeutische Wohngemeinschaft NOKTA, die 14 Plätze für drogenabhängige männliche Migranten und Menschen mit Migrationshin- tergrund anbietet, welche teilweise erhebliche ausländer- rechtliche Probleme bzw. teilweise keinen Anspruch auf Kostenübernahme für eine Therapie haben. Frauen-/Männergesundheit im Bereich HIV und AIDS Im Handlungsfeld „HIV/Aids, sexuell übertragbare Infektionen (STI) und Hepatitiden“ des Integrierten Gesundheitsprogramms (IGP) gibt es mehrere Projekte, die geschlechterspezifisch ausgerichtet sind. Diese Projekte wurden in der Vergangenheit bereits über den Integrierten Gesundheitsvertrag (IGV) und davor über den Vertrag mit dem Landesverband der Berliner Aids-Selbsthilfegruppen e. V. gefördert. Es handelt sich u. a. um die nachfolgend genannten Projekte:  Hydra e. V. – Treffpunkt und Beratung für Prostituierte , ein Projekt, das sich an Sexarbeiterinnen sowie auch an Frauen richtet, die in die Prostitution einsteigen bzw. aus der Prostitution aussteigen wollen. Ziele sind präventive HIV-/Aids-/STI-Beratung, Information, Auf- klärung und Selbsthilfe;  Frauentreff Olga (Träger: Notdienst für Suchtmittelgefährdete - und abhängige e. V.), welches nied- rigschwellige medizinische Versorgung für intravenös drogenabhängige Frauen anbietet, die oftmals der Be- schaffungsprostitution nachgehen;  Mann-O-Meter e. V., welches Information, Aufklärung , Beratung, Selbsthilfe sowie Tests auf HIV und Syphilis für die Zielgruppe der Männer, die Sex mit Män- nern haben, anbietet. Ebenfalls den Gender-Mainstreaming-Ansatz unter- stützend startete im September 2011 zum Thema Diagno- se und Therapie sexuell übertragbarer Infektionen und damit auch präventiv unterstützend auf Initiative der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung unter Feder- führung des PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverbandes Landesverband Berlin e. V., die „Berliner Kampagne für ein trägerübergreifendes Beratungs- und Testangebot zu HIV/Aids, Syphilis und Hepatitis C“. Mit dieser niedrigschwellig angelegten Kampagne sollten als Hauptzielgruppe Männer, die Sex mit Männern haben, ermutigt werden, sich auf HIV und sexuell über- tragbare Infektionen testen zu lassen, um im Falle einer Infektion deren Weitergabe zu verhindern und ggf. eine Behandlung der Infektion einleiten zu können. Die vier an der Berliner Testkampagne beteiligten freien Träger bie- ten zu unterschiedlichen Zeiten an insgesamt fünf Tagen in der Woche eine anonyme Beratung und verschiedene Tests auf HIV, Syphilis und Hepatitis C an. 2. Welche konkreten Maßnahmen hat der Senat in die- ser Legislaturperiode im Rahmen der Umsetzung von Gender Mainstreaming im Bereich Gesundheitsaufklä- rung ergriffen, um das Gesundheitsbewusstsein und - verhalten von Männern zu fördern? Welche weiteren Maßnahmen sind bis Ende der Legislaturperiode noch geplant? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 771 3 Zu 2.: Mit der Landesgesundheitskonferenz (LGK) und seinen Akteurinnen Akteuren aus den Bereichen Politik, Gesundheit und Verwaltung hat der Senat ein Instrument geschaffen, die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung in seiner Vielschichtigkeit u. a. auch unter dem Gesichtspunkt des Gender Mainstreaming zu beleuchten und gesundheitsbezogene Empfehlungen an den Senat und das Abgeordnetenhaus zu geben. Aktuell gibt es Vorbereitungen für ein Gesundheitsforum im Rahmen der LGK mit dem Themenschwerpunkt Männer- gesundheit. Im Rahmen der grundsätzlichen Förderung von medi- zinisch-gesundheitlichen Präventionsmaßnahmen hat der Senat vor kurzem auf seiner Homepage den Stadtplan Ge- sundheitsförderung online gestellt (http://www.berlin.de/stadtplan-gesundheits-foerderung/). Dort kann in Abhängigkeit von bestimmten Angebotska- tegorien zu den ausgesuchten Themenbereichen, u. a. auch medizinische Vorsorge und Prävention, unter einem großen Angebot von verschiedensten Maßnahmen ge- wählt werden, angefangen von Angeboten im Gesund- heitssport, zur gesunden Ernährung, zur Prävention oder Rehabilitation. Auch speziell für Männer gibt es Hinweise zu Präventionsangeboten, Selbsthilfegruppen oder Bera- tungsstellen, z. B. für suchtkranke Männer oder zur Schwulenberatung. 2.1 Welche konkreten Maßnahmen hat der Senat in dieser Legislaturperiode im Rahmen der Umsetzung von Gender Mainstreaming in den Bereichen Prävention von Tabak- und Alkoholkonsum sowie von Übergewicht (bitte differenziert darstellen) bei Männern umgesetzt? Welche weiteren Maßnahmen sind bis Ende der Legislaturperiode noch geplant? Zu 2.1.: Die Fachstelle für Suchtprävention hat 2012 die Broschüre „Suchtprävention und Beratung gender- und diversitygerecht gestalten – Empfehlungen zum Handeln “ herausgegeben. Diese Handlungsempfehlungen sind ein Handwerkszeug für die gender- und diversitygerechte Planung und Durchführung von Projekten zu allen The- men der Suchtprävention. Die Fachstelle für Suchtpräven- tion berücksichtigt sie bei allen laufenden und künftigen Maßnahmen. Zum Beispiel werden zum Weltnicht- rauchertag 2014 zwei Karten für rauchende Eltern mit Informationen über die Risiken des Tabakrauchs für ihre Kinder herausgegeben – je eine Karte, die Mütter bzw. Väter anspricht. Auf den Stadtplan Gesundheitsförderung wird verwie- sen. Berlin, den 28. Mai 2014 In Vertretung Emine D e m i r b ü k e n - W e g n e r _____________________________ Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Jun. 2014)