Drucksache 17 / 13 826 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Simon Weiß (PIRATEN) vom 16. Mai 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Mai 2014) und Antwort Berlin und TTIP – Wie bringt sich der Senat in die Verhandlungen ein? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. a) Wie bewertet der Senat das mögliche Zustande- kommen eines Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und den USA im Allgemeinen? Zu 1. a): Der Senat begrüßt die Absicht, ein Freihan- delsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) auszuhandeln, um wirtschaftliche Potentiale auf beiden Seiten des Atlantiks zu heben und im globalen Rahmen gemeinsame wirtschafts-, wettbewerbs- und handelspolitische Interessen noch wirkungsvoller vertre- ten zu können, wie bereits aus der Zustimmung des Senats zum Beschluss des Bundesrates (Drs. 463/13(B)) hervor geht. Der Senat geht davon aus, dass Berlin in erheblicher Weise vom Transatlantic Trade and Investment Part- nership (TTIP) profitieren wird. Die USA sind für Berlin mit Abstand der wichtigste Handelspartner. Der Anteil an den Gesamtausfuhren betrug in 2012 10,5 % und in 2013 nach vorläufigen Zahlen 9,7%. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) schöpfen derzeit die Poten- ziale des transatlantischen Handels noch nicht ausrei- chend aus. Der Senat begrüßt daher, dass sich die Ver- handlungsparteien auf die Aufnahme eines eigenen Kapi- tels für KMU im TTIP verständigt haben, da diese von Handelshemmnissen stärker betroffen sind als große Un- ternehmen. Der Wegfall noch bestehender Zölle und vor allem die Verminderung nichttarifärer Handelshemmnisse wird auch Berliner Unternehmen die Möglichkeit eröff- nen, ihre Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel weiter auszubauen. b) Wie bewertet der Senat die bisher bekannt gewor- denen möglichen Elemente, die TTIP beinhalten könnte. Bitte im Besonderen eingehen auf die kolportierten Stichworte zum Investorenschutz oder zum nicht- öffentlichen Streitbeilegungsmechanismus. Zu 1. b): Die Verhandlungen zum TTIP stehen noch am Anfang. Eine inhaltliche Bewertung ist dem Senat erst möglich, wenn von den Verhandlungspartnern erste Ver- handlungsergebnisse vorgelegt werden. Hinsichtlich des Investitionsschutzes und der Investor-Staat-Schieds- verfahren begrüßt der Senat die Haltung der Europäischen Kommission, die Verhandlungen hierzu zunächst auszu- setzen, um der Öffentlichkeit in der Europäischen Union (EU) die Gelegenheit zu geben, sich im Rahmen einer am 27. März 2014 begonnenen öffentlichen Konsultation zu äußern. Derzeit ist nicht absehbar, ob und mit welcher Haltung die Europäische Kommission (EU-Kommission) die Ver- handlungen zu diesem Themenkomplex wieder aufneh- men wird, nachdem sie den Konsultationsprozess beendet und ausgewertet hat. Der Senat stimmt mit der Bundesre- gierung überein, dass die hierzu gegebenenfalls vereinbar- ten Regelungen von großer Bedeutung für den Erfolg oder Nichterfolg der Verhandlungen insgesamt sein werden. c) Welche Auswirkungen erwartet der Senat auf das Land Berlin bei einem Zustandekommen von TTIP in der bisher bekannt gewordenen Form? Zu 1. c): Siehe oben, Antwort a). d) Teilt der Senat die Ansicht, dass Vertragswerke mit derartig weitreichenden Konsequenzen parlamentarischer Legitimation bedürfen? Wenn ja, in welcher Form würde die demokratische Legitimation nach Ansicht des Senats idealerweise gesichert – über die Parlamentsbeteiligung beim Zustandekommen des Vertragswerks hinaus? Zu 1. d): Ihre demokratische Legitimation erlangen Handelsabkommen durch die Einhaltung des verfassungs- rechtlich vorgeschriebenen Ratifizierungsprozesses. Der Senat stimmt mit der Bundesregierung darin überein, dass das TTIP voraussichtlich als gemischtes Abkommen zu klassifizieren sein wird. Das Verhandlungsergebnis steht dann nicht nur unter dem Zustimmungsvorbehalt des Europäischen Parlaments, sondern unterliegt auch den Ratifizierungsprozessen in den 28 Mitgliedstaaten der EU. Ob die Ratifizierung in Deutschland im Wege eines Gesetzes zu erfolgen hat, das der Zustimmung des Bun- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 826 2 desrates bedarf, kann durch den Senat erst eingeschätzt werden, wenn der Text des Abkommens und damit die konkreten Regelungsinhalte bekannt sind und an den Gesetzgebungskompetenzen der Länder gemessen werden können. 2. Welche spezifischen Forderungen erhebt das Land Berlin unter Bezug auf das Zustandekommen von TTIP? Gibt es für den Senat „rote Linien", deren Überschreitung das Abstimmungsverhalten zu TTIP im Bundesrat negativ beeinflussen könnte? Wenn ja, bitte nennen Sie diese. Zu 2.: Der Senat hält es für wichtig, dass Standards in Bereichen wie Umweltschutz, Verbraucherschutz, Arbeit- nehmerschutz sowie Produktsicherheit und Finanzmarkt- regulierung durch das TTIP nicht aufgeweicht werden. Die EU-Kommission verfolgt bei den Verhandlungen das erklärte Ziel, dass es zu keiner Absenkung von in der EU und den Mitgliedstaaten geltenden Standards kommen darf. Der Senat hat gegenüber der Bundesregierung stets deutlich gemacht, dass dies gegenüber der EU- Kommission eingefordert und bei der Begleitung der weiteren Verhandlungen mit großer Sorgfalt kontrolliert wird. 3. a) Welche Stellen sind auf Landesebene bzw. Se- natsebene mit der Sammlung, Aufbereitung und Weiter- gabe von Informationen in Bezug auf TTIP bzw. die Ver- handlungsführung betraut? b) In welcher Form erfolgen Informationsweitergabe und Beratung in Bezug auf den Fortgang der Verhandlun- gen auf Senatsebene? Zu 3. a) und b): Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung ist fachlich zuständig für Fragen des Außenhandels. Die Senatskanzlei, die Berlin gegenüber der EU vertritt und für Internationales zustän- dig ist, befasst sich ebenfalls mit dem TTIP. Andere Se- natsverwaltungen werden einbezogen, sofern sie fachlich betroffen sind. 4. a) Welche Möglichkeiten zur Einflussnahme und Mitsprache nutzt das Land Berlin zur Wahrung seiner Interessen in Bezug auf TTIP (bitte spezifizieren Sie dies nach Ebenen, soweit angemessen)? Zu 4. a):Der Senat verweist auf die Beantwortung von Frage 1 in der Schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Silke Gebel (Bündnis 90/ Die Grünen) vom 27. Februar 2014 (Drucksache 17/13 312). b) Hat sich der Senat im derzeit laufenden öffentlichen Konsultationsverfahren der Kommission zu TTIP und dem Streitbeilegungsmechanismus („Public consultation on modalities for investment protection and ISDS in TTIP") beteiligt oder gedenkt er, dies bis zum Ablauf der Konsultation am 06.07.2014 zu tun? Zu 4. b): Nein. c) Wie bewertet der Senat derartige Konsultationsver- fahren und hält er diese Art von Beteiligung für ausrei- chend und angemessen, insbesondere vor dem Hinter- grund, dass andere Akteure im Rahmen einer High Level Working Group direkteren Zugang zum Verhandlungs- prozess haben? Zu 4. c): Der Senat begrüßt das von der EU-Kommis- sion eingeleitete Konsultationsverfahren. Er erachtet es als angemessen, dass die weiteren Verhandlungen zum Investitionsschutz und Investor-Staats-Schiedsverfahren bis zum Vorliegen der Konsultationsergebnisse ausgesetzt wurden. Im Übrigen begrüßt der Senat, dass die Europäi- sche Kommission durch die Veröffentlichung ihrer Ver- handlungspositionen im Vorfeld der aktuell laufenden fünften Verhandlungsrunde erneut für mehr Transparenz bei den Verhandlungen gesorgt hat. 5. Der Bundesrat hat am 7.6.2013 (Drs. 464/13) u.a. beschlossen: »Der Bundesrat ruft die Bundesregierung dazu auf, die Länder in regelmäßigen Abständen zum Fortgang der Beratungen im handelspolitischen Aus- schuss der EU umfassend und kontinuierlich zu informie- ren, insbesondere im Hinblick auf die möglicherweise tangierten Länderkompetenzen und die im Falle eines Inkrafttretens möglicherweise umzusetzenden Rechtsvor- schriften. Der Bundesrat verweist diesbezüglich auf die Verpflichtungen, die für die Bundesregierung aus dem Lindauer Abkommen erwachsen.« a) In welcher Weise ist die Bundesregierung dieser Aufforderung nachgekommen, die Landesregierung zu informieren? b) Wie bewertet der Senat die Informationspolitik der Bundesregierung in Bezug auf den Fortgang der Verhand- lungen zu TTIP? Zu 5. a) und b): Der Senat verweist auf die Beantwor- tung von Frage 1 in der Schriftlichen Anfrage des Abge- ordneten Carsten Schatz (Die Linke) vom 22. April 2014 (Drucksache 17/13 670). c) Welche Informationskanäle werden in Bezug auf TTIP und den Verhandlungsverlauf durch das Land Ber- lin genutzt und wie bewertet der Senat diese Informati- onskanäle hinsichtlich Qualität und Vollständigkeit der übermittelten Informationen? Zu 5. c): Der Senat verweist auf die Beantwortung von Frage 1 in der Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Carsten Schatz (Die Linke) vom 22. April 2014 (Druck- sache 17/13 670). d) Der Bundesrat hat am 7.6.2013 ferner beschlossen »Der Bundesrat fordert angesichts der Tragweite und Bedeutung des zu verhandelnden Abkommens die Bundes- regierung auf, sich für die Veröffentlichung der Verhand- lungsmandate sowie eine transparente Verhandlungsfüh- rung einzusetzen.« Bisher wurde eine Reihe von Doku- menten jedoch auf inoffiziellem Wege veröffentlicht, darunter: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 826 3 • das Verhandlungsmandat des Rates an die Kommission auf der Webseite der für TTIP zuständigen Sprecherin der Liberalen Fraktion im EP, Marietje Schaake • der Vorschlag der Kommission für Investitionsschutz in TTIP auf der Webseite der ZEIT • die PR-Strategie der Kommission zu TTIP, die am 22.11.2013 mit den Vertretern der Mitgliedsstaaten diskutiert wurde und die das Ziel hat, »Möglich- keiten für die stärkere Kooperation und Koordinie- rung der entsprechenden Kommunikationsaktivitä- ten auszuloten« Wurde der Senat von der Bundesregierung auf diese Dokumente aufmerksam gemacht? Zu 5. d): Der Senat verweist auf die Beantwortung von Frage 3 in der Schriftlichen Anfrage des Abgeordne- ten Carsten Schatz (Die Linke) vom 22. April 2014 (Drucksache 17/13 670). Im Übrigen begrüßt der Senat, dass die EU-Kommission durch die Veröffentlichung ihrer Verhandlungspositionen im Vorfeld der aktuell laufenden fünften Verhandlungsrunde für mehr Transpa- renz bei den Verhandlungen gesorgt hat. 6. Gibt es vonseiten des Senats Vorschläge oder Kon- zepte, die Informationspolitik und die Beteiligung ver- schiedener Akteure und Ebenen in derartigen Verfahren zu verbessern? Wenn ja, in welcher Form setzt sich der Senat für entsprechende Vorschläge ein? Wenn nein, ist der Senat der Ansicht, dass das bestehende Verfahren sowie die damit verbundene Informationspolitik seitens Kommission und Bundesregierung keiner Verbesserung bedarf? Zu 6.: Der Senat begrüßt, dass sich die Bundesregie- rung entschieden für mehr Transparenz der Verhandlun- gen eingesetzt hat und weiterhin einsetzt. Der Senat er- kennt an, dass die Verhandlungen zum TTIP bereits jetzt transparenter geführt werden als alle bisherigen Verhand- lungen zu Freihandelsabkommen und ermutigt die Öffent- lichkeit, die zahlreichen und vielfältigen Veröffentlichun- gen der Verhandlungsparteien, insbesondere der EU- Kommission, aber auch der Bundesregierung zu nutzen, um sich umfassend zum Verhandlungsstand zu informie- ren und sich an öffentlichen Konsultationen zu beteiligen. Berlin, den 27. Mai 2014 In Vertretung Guido B e e r m a n n ......................................................... Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Juni 2014)