Drucksache 17 / 13 944 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 05. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juni 2014) und Antwort Ermittlungen des LKA gegen NW Berlin und S. S. Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie bewertet der Senat das Urteil des Amtsge- richts Tiergarten gegen den Berliner NPD-Vorsitzenden S. S. vom 19. Mai 2014, in welchem dieser der falschen eidesstattlichen Versicherung schuldig gesprochen sowie festgestellt wurde, dass S. an der Organisationsstruktur des Netzwerks „Nationaler Widerstand Berlin“ (NW Berlin) und dessen Internetseite nw-berlin.net beteiligt war? Zu 1.: Der Senat stellt fest, dass die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft Berlin zu einer Verurtei- lung gegen den Berliner Landesvorsitzenden der National Demokratischen Partei Deutschlands (NPD) geführt ha- ben. 2. Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass dem Mitglied des Abgeordnetenhauses, welches die Strafan- zeige gegen S. S. erstattet hatte, von Seiten der Berliner Polizei bei der Zeugenvernehmung signalisiert wurde, dass ein Ermittlungsverfahren keine Erfolgsaussichten habe, weil man S. S. keine Beteiligung an NW Berlin nachweisen könne? Zu 2.: Laut Aktenlage wurde durch den Rechtsanwalt eines Mitglieds des Abgeordnetenhauses Anfang des Jahres 2013 bei der Staatsanwaltschaft Berlin Strafanzei- ge wegen falscher Versicherung an Eides Statt gegen den Berliner Landesvorsitzenden der NPD erstattet. Bei der Bearbeitung der diesbezüglichen staatsanwaltschaftlichen Akte durch die Polizei Berlin wurde festgestellt, dass für erfolgreiche Ermittlungen im Sinne einer beweiskräftigen Klärung des Strafvorwurfs die Beibringung weiterer Be- weismittel durch den Anzeigenden für erforderlich gehal- ten wurde. Im Vorgespräch der polizeilichen Zeugenver- nehmung wurde der Abgeordnete auf diesen Umstand hingewiesen. Durch ihn wurden daraufhin entsprechende beweiserhebliche Unterlagen im Rahmen der Zeugenver- nehmung übergeben bzw. nachgereicht, die letztlich die Beweiskraft der Vorwürfe verbesserten. 3. Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass die ent- scheidenden Beweise, die in diesem Fall zur Verurteilung geführt haben (wie etwa eine private Telefonnummer S., die mehrfach im Internet im Zusammenhang mit De- monstrationsaufrufen des NW Berlin genannt wurde), nicht von der Berliner Polizei, sondern von zivilgesell- schaftlichen Organisationen bzw. dem Anzeigenden er- mittelt wurden? Zu 3.: Eine Gewichtung, welche Beweismittel ent- scheidend für die Urteilsfindung waren, kann vom Senat nicht vorgenommen werden. Dem Ermittlungsergebnis lagen umfangreiche und komplexe polizeiliche Ermittlun- gen zu Grunde. Zuarbeiten und Hinweise nicht der Polizei Berlin zugehöriger Personen und Organisationen haben die Ermittlungen gefördert. Die Unterstützung polizeilicher Aufklärungsmaßnah- men zu begangenen Straftaten sämtlicher Deliktsbereiche durch Hinweise aus der Bevölkerung ist ein stetes Anlie- gen der Polizei Berlin und wird täglich vielfach in An- spruch genommen. Der Zeugenbeweis ist ein etabliertes Mittel der Strafverfolgung. Selbstverständlich wird auch bei der Bekämpfung von Straftaten aus dem rechtsextremistischen Milieu von diesem Grundsatz nicht abgerückt. Sachdienliche Hinwei- se von Privatpersonen oder zivilgesellschaftlichen Orga- nisationen, deren Ziel die Bekämpfung rechtsextremisti- scher Bestrebungen ist, sind jederzeit erwünscht. Anders ist ein seitens der Polizei Berlin angestrebter ganzheitli- cher Ansatz gerade zur Bekämpfung des Rechtsextremis- mus nicht zu verwirklichen. Bei den von Dritten der Poli- zei Berlin zur Verfügung gestellten beweiserheblichen Unterlagen handelt es sich u.a. um Screenshots von Kon- taktdaten der nw-berlin.net – Seite aus den Jahren 2007, 2009 und 2010, die von diesen seinerzeit abgespeichert und der Polizei im späteren Ermittlungsverfahren zur Verfügung gestellt wurden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 944 2 Private Stellen sind nicht in gleicher Weise wie bei- spielsweise die Polizei Berlin an die gesetzlichen Rege- lungen zur Datenerhebung, -speicherung und -verarbei- tung gebunden. Dies gilt auch für die Erhebung und Spei- cherung von Daten im Vorfeld strafrechtlich bzw. gefah- renabwehrrechtlich relevanter Sachverhalte. Nachdem ab 2011 vermehrt inkriminierte Inhalte fest- stellbar waren, die den Verantwortlichen der nw- berlin.net - Seite angelastet werden konnten, wurden die von Dritten teils im Vorgriff gesicherten Informationen Ende 2012 / Anfang 2013 der Polizei Berlin im Rahmen zeugenschaftlicher Vernehmungen übergeben. Diese Be- weismittel bzw. Kontaktdaten lagen der Polizei vor die- sem Zeitpunkt nicht vor. Ihre Beibringung war daher ermittlungsfördernd. 4. Stellt den Senat die Ermittlungsarbeit der Berliner Polizei in diesem Fall insbesondere vor dem Hintergrund zufrieden, dass der Innensenator nach dem Bekanntwer- den des NSU-Skandals in Berlin eine erhebliche personel- le und fachliche Stärkung des Staatsschutzes beim LKA in der Arbeit gegen rechte Straftaten ankündigte? Zu 4.: Die durch die Polizei Berlin geführten Ermitt- lungen haben schlussendlich zu einer Verurteilung ge- führt. Dieser Erfolg wäre ohne das fachliche Wissen der Ermittlungsbeamtinnen und Ermittlungsbeamten und die Unterstützung von Privatpersonen und zivilgesellschaftli- chen Organisationen vermutlich nicht eingetreten. Die Stärkung des Polizeilichen Staatsschutzes ist in diesem Kontext nicht zu betrachten, da die entsprechenden Struk- turmaßnahmen hauptsächlich erst nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen im vorliegenden Fall gegriffen haben. 5. Ist die Ermittlungsarbeit des Staatsschutzes in die- sem Fall geeignet, das verlorene Vertrauen des Innensena- tors in das LKA (so Frank Henkel im Innenausschuss am 13.5.2014) wieder herzustellen? Zu 5.: Die Polizei Berlin hat alle erforderlichen Er- mittlungen getätigt und ist offensiv insbesondere an das Mitglied des Abgeordnetenhauses herangetreten, um weiteres Beweismaterial, das dem Betreffenden vorlag, zu erlangen. Der Senat hat Vertrauen in die Ermittlungsarbeit des Landeskriminalamtes (LKA). 6. Stellt den Senat die Ermittlungsarbeit des LKA vor dem Hintergrund zufrieden, dass sowohl der Innen- als auch der Justizsenator gegenüber dem Abgeordnetenhaus versprochen haben, man werde alles tun, um die Verant- wortlichen hinter der rechtsextremen Internetseite nw- berlin.net zu ermitteln? Zu 6.: Der Senat macht grundsätzlich keine inhaltli- chen Angaben zu noch laufenden Ermittlungsverfahren. Berlin, den 19. Juni 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Juni 2014)