Drucksache 17 / 13 945 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (PIRATEN) vom 05. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 06. Juni 2014) und Antwort Was hat die Berliner Polizei gegen „NSU: Staat und Nazis Hand in Hand“? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Aus welchen Gründen und auf welcher Rechts- grundlage stellte die Berliner Polizei am 3. Juni 2014 – kurz nachdem das Wandbild mit der Zeile „NSU-Terror: Nazis und Staat Hand in Hand“ anlässlich des zehnten Jahrestages des Nagelbombenanschlags auf der Keupstra- ße mit – auf eine Hauswand an der Ecke Manteuffelstraße /Oranienstraße angebracht worden war, die Personalien der Anwesenden fest? Zu 1.: Am 3. Juni 2014 stellten Beamtinnen und Be- amte einer Einsatzhundertschaft gegen 12:00 Uhr im Rahmen ihres Einsatzes wegen eines Aufzuges mit dem Thema „Refugee-School-Kreuzberg“ am Eckhaus Oranienstraße und Manteuffelstraße an dessen Fassade ein Plakat fest, das unter anderem den Satz »NSU: Staat und Nazis Hand in Hand« enthielt. Zu klären war, ob die anwesenden Personen sich widerrechtlich Zugang zum Haus verschafft und gegen den Willen des Hauseigentü- mers bzw. der Hausverwaltung das Plakat angebracht hatten. Weiter wurde ein Teil des Plakatinhaltes als mög- licherweise strafrechtlich relevant bewertet. Die sich der Anbringung bekennenden Personen wurden als Tatver- dächtige zum Tatvorwurf der Verunglimpfung des Staates nach § 90a Strafgesetzbuch (StGB) erfasst. 2. Welche konkrete Polizeieinheit war vor Ort im Einsatz und mit wie vielen Kräften war diese vor Ort? War die betreffende Polizeieinheit selbständig tätig oder wurde sie vom LKA 5 (Polizeilicher Staatsschutz) beauf- tragt? Zu 2.: Vor Ort eingesetzt waren 11 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der 14. Einsatzhundertschaft. Die eingesetzten Kräfte wurden zunächst selbstständig tätig, die weitergehenden Maßnahmen wurden nach tele- fonischer Rücksprache mit der Fachdienststelle in der Abteilung Polizeilicher Staatsschutz des Landeskriminal- amts (LKA) getroffen. 3. Warum haben die Polizeibeamt*innen vor Ort zu- nächst behauptet, das Wandbild sei ohne Erlaubnis der Hauseigentümerin angebracht worden? Worauf stützte sie diese Aussage und wann musste sie ihre diesbezügliche Aussage revidieren? Hat die offensichtlich falsche Tatsa- chenbehauptung dienstrechtliche Konsequenzen für die jeweiligen Polizeibeamt*innen? Wenn nein, warum nicht? Zu 3.: Eine derartige Aussage erfolgte durch einge- setzte Polizeikräfte nach hiesigem Kenntnisstand nicht. Die betroffenen Personen wurden nach Verlassen des leerstehenden Grundstücks sowohl in Bezug auf das Be- treten des Hauses, das Abseilen vom Dach als auch das Anbringen eines Plakates an der Hauswand angesprochen. Eine Person äußerte, dass eine Genehmigung durch die Hausverwaltung vorliege und sie deshalb legitimiert sei- en, das Grundstück zu betreten und das Wandplakat an- zubringen. 4. Warum haben die Polizeibeamt*innen vor Ort von einem anwesenden Pressefotografen die Identität festge- stellt und die Herausgabe seiner Fotos verlangt? Wenn ja, aus welchen Gründen und auf welcher Rechtsgrundlage? Zu 4.: Eine männliche Person hat aus kürzester Dis- tanz (ca. ein Meter Abstand) Portraitaufnahmen von den eingesetzten Polizeikräften gefertigt. Da es sich hierbei nicht um allgemeine Aufnahmen der polizeilichen Tätig- keiten gehandelt hat, bestand zur Verhinderung einer Straftat gem. § 1 Absatz 3 Allgemeines Sicherheits – und Ordnungsgesetz Berlin (ASOG) i.V.m. §§ 33, 22 Kun- sturhebergesetz (KUG) die Möglichkeit einer Identitäts- feststellung gem. § 21 Absatz 1 ASOG. Der Fotograf gab sich erst zum Zeitpunkt der Ansprache durch die einge- setzten Polizeikräfte als Pressefotograf zu erkennen, so dass es beim Hinweis verblieb, dass seitens der Polizei- kräfte keine Einwilligung zur Veröffentlichung der Por- traitaufnahmen vorliegt und eine Veröffentlichung der Portraitaufnahmen einen Verstoß gegen das KUG darstel- len würde. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 935 2 5. In welcher Höhe sind im Rahmen des Polizei- und Feuerwehreinsatzes Kosten entstanden und wer hat diese zu tragen? Zu 5.: Ausgaben für Polizei- und Feuerwehreinsätze sind grundsätzlich durch die im Haushaltsplan von Berlin eingestellten Haushaltsmittel gedeckt; gesonderte einzel- fallbezogene Daten werden dazu statistisch grundsätzlich nicht erfasst. 6. Wie viele Verfahren nach § 90a StGB (Verun- glimpfung des Staates und seiner Symbole) wurden in den Jahren seit 2011 eingeleitet und mit welchem Ergebnis? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.) Zu 6.: Im Zeitraum 01.01.2011 bis heute wurden ins- gesamt 51 Ermittlungsverfahren nach § 90a StGB einge- leitet. Diese verteilen sich wie folgt: 2011 = 11 Fälle 2012 = 29 Fälle 2013 = 3 Fälle 2014 = 8 Fälle. Alle Ermittlungsverfahren wurden abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft Berlin abgegeben. Seit dem Jahr 2011 sind in dem bei der Staatsanwalt- schaft Berlin genutzten Aktenverwaltungssystem folgende Verfahren zu § 90a StGB erfasst worden: Dass die bei der Staatsanwaltschaft Berlin erfassten Verfahren von den Verfahrenszahlen der Berliner Polizei abweichen, liegt daran, dass auch aufgrund von direkt bei der Staatsanwaltschaft erstatteten Strafanzeigen Verfahren eingeleitet werden, Verfahren von auswärtigen Staatsan- waltschaften übernommen werden oder bereits bei der Auszeichnung der Verfahren gesehen wird, dass es sich nicht um einen Fall des § 90a StGB handelt und die Vor- schrift daher nicht im hiesigen System erfasst wird. Die erfassten Verfahren gegen bekannte Beschuldigte sind wie folgt abgeschlossen worden: Erledigungsart 2011 2012 2013 2014 Anklage - Jugendrichter 0 1 0 0 Strafbefehl ohne Freiheitsstrafe 2 0 0 0 Einstellung - § 153 I Strafprozessordnung (StPO) 1 1 0 0 § 154 StPO 1 0 0 0 Einstellung - § 20 StGB 0 1 0 0 Einstellung - § 170 II StPO 12 4 1 0 Einstellung. - § 170 II StPO Objektiv keine Straftat 0 5 1 0 Einstellung - § 170 II StPO Privatklage 0 1 0 0 Verbindung mit anderer Sache 7 8 0 0 Summe 23 21 2 0 Die Differenz der erfassten Bekannteingänge zu den abgeschlossenen Verfahren für das Jahr 2012 lässt sich dadurch erklären, dass in Verfahren mit mehreren Be- schuldigten, wobei ggf. einer Jugendlicher oder Heran- wachsender war, die Abtrennung einzelner Beschuldigter erfolgte. Sofern eine Anklage erhoben oder ein Strafbefehl be- antragt wurde, sind folgende Ergebnisse erreicht worden: Entscheidungsart 2011 2012 2013 2014 Geldstrafe 1 0 0 0 Erledigung – Auflage mit/ohne Verwarnung, § 13 II Jugendgerichtsgesetz 0 0 1 0 Summe 1 0 1 0 7. In wie vielen Fällen hat der Polizeiliche Staats- schutz in den Jahren seit 2011 Gliederungseinheiten der Polizei damit beauftragt, Transparente, Wandbilder, Pla- kate etc. mit NSU-Bezug zu entfernen? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.) Zu 7.: Bei der Polizei Berlin existieren weder eine ent- sprechende Statistik noch entsprechende Recherchemög- lichkeiten zur Beantwortung der Frage. Berlin, den 19. Juni 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Juni 2014) Jahr Eingänge Justizsache (Js) Eingänge Unbe- kannte Justizsache (UJs) Summe 2011 23 4 27 2012 18 17 35 2013 8 2 10 2014 6 1 7