Drucksache 17 / 13 958 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 10. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Juni 2014) und Antwort Wie viele Beamt*innen profitieren von der verfassungswidrigen GroKo-Rückwirkung im Besoldungs- und Versorgungsrecht für Lebenspartner*innen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Anmerkung: Zur Beantwortung der Fragen 1 bis 4 der Schriftlichen Anfrage wurde für die Beamtinnen und Beamten des Landes Berlin von mir eine Umfrage für den Bereich der unmittelbaren Landesverwaltung durchge- führt, da eine zentrale Führung der Personalakten im Land Berlin nicht erfolgt. Der weitaus überwiegende Teil der befragten Behörden übersandte die Auswertungsergebnis- se innerhalb der gesetzten Frist, jedoch nicht alle. Die Antworten zu den Fragen 1 bis 4 beinhalten ebenfalls die Angaben zu den Versorgungsempfängerinnen und Ver- sorgungsempfängern. 1. Wie viele „verpartnerte“ Beamt*innen im Dienst des Landes Berlin haben besoldungs- und versorgungs- rechtliche Ansprüche (z. B. Familienzuschlag) in den Jahren 2001 bis 2003 geltend gemacht, die ausschließlich verheirateten Beamt*innen vom 1. August 2001 bis zum 2. Dezember 2003 nach damals geltender Rechtslage zustanden und die nach der Rechtsprechung des Bundes- verfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 19. Juni 2012 . 2 BvR 1397/09) auch Beamt*innen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zustanden? Zu 1.: 46. 2. Wie viele „verpartnerte“ Beamt*innen hätten Anspruch auf besoldungs- und versorgungsrechtliche Leis- tungen im Sinne der Frage 1, wenn Sie im besagten Zeit- raum ihre Ansprüche geltend gemacht hätten, gehen nun aber aufgrund der vom Abgeordnetenhaus am 5. Juni 2014 beschlossenen Neuregelung (Drs. 17/1637 vom 7. Mai 2014) leer aus? Zu 2.: 45. 3. Wie viele „verpartnerte“ Beamt*innen kommen gegenwärtig in den Genuss besoldungs- und versorgungs- rechtlicher Leistungen im Sinne der Frage 1? Zu 3.: 514. 4. Wie viel „verpartnerte“ Beamt*innen haben aufgrund der Änderungen von LBesG und LBeamtVG zur Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft mit Wirkung vom 3. Dezember 2003 im Jahr 2008 rückwir- kend Leistungen im Sinne der Frage 1 geltend gemacht und erhalten? Zu 4.: 32. 5. Teilt der Senat die Einschätzung, dass die gesetzli- che Unterscheidung im LBesG und im LBeamtVG zwi- schen dem Zeitraum vom 1. September 2001 bis 2. Dezember 2003 (Rückwirkung der Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft nur, soweit im Kalenderjahr geltend gemacht) sowie vom 3. Dezember 2003 bis heute (voraussetzungslose Rückwirkung der Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft) willkürlich ist, insoweit hier zwei völlig analoge Sachverhalte in ein und derselben Rechtsmaterie und im selben „Rechtskreis“ (d. h. im Berliner Landesbeamtenversorgungs- und besoldungs- recht) ohne verfassungsrechtlich tragfähigen Grund un- gleich behandelt werden, ohne dass hierfür ein verfas- sungsrechtlich tragfähiger Sachgrund vorliegt? Zu 5.: Nein. 6. Wenn nein: Worin sieht der Senat den verfas- sungsrechtlich tragfähigen Sachgrund für die Ungleichbe- handlung? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 958 2 Zu 6.: Das Gesetz über die Gleichstellung Eingetrage- ner Lebenspartnerschaften in der Beamtenversorgung vom 3. Juli 2008, das von der Fraktion der Sozialdemo- kratischen Partei Deutschlands und der Fraktion Die Lin- ke in das Abgeordnetenhaus eingebracht wurde, sieht eine Rückwirkung zum 3. Dezember 2003 vor. Der Zeitpunkt bezieht sich auf das Auslaufen der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf - EU-Richtlinie 2000/78/EG (Amtsblatt Nr. L 303 Seite 16) mit Ablauf des 2. Dezember 2003. Mit Wirkung vom 3. Dezember 2003 galt die EU-Richtlinie 2000/78/EG in Deutschland unmittelbar, weil die Bundes- republik Deutschland die Richtlinie bis zu diesem Zeit- punkt nicht in nationales Recht umgesetzt hatte. Die EU- Richtlinie 2000/78/EG enthält keinerlei Einschränkungen im Hinblick auf eine eventuelle Rückwirkung. Das Bundesverfassungsgericht ist in seinem Urteil vom 19. Juni 2012 – 2 BvR 1397/09 – zu dem Ergebnis gekommen, die Ungleichbehandlung von verheirateten Beamtinnen und Beamten einerseits und in einer Einge- tragenen Lebenspartnerschaft lebenden Beamtinnen und Beamten anderseits hinsichtlich der Gewährung des Fami- lienzuschlags der Stufe 1 gem. § 40 Abs. 1 Bundesbesol- dungsgesetz (BBesG) sei mit Artikel 3 Abs. 1 Grundge- setz (GG) unvereinbar. Der Bundesgesetzgeber wurde verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß für in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft lebende Beam- tinnen und Beamte, die ihren Anspruch auf Auszahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 zeitnah geltend ge- macht haben, rückwirkend mit Wirkung zum 1. August 2001 zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht rekur- riert auf das Inkrafttreten des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaf- ten: Lebenspartnerschaften vom 16. Februar 2001 (Bun- desgesetzblatt I Seite 266). Der Berliner Gesetzgeber genügt mit dem Erfordernis der zeitnahen Geltendma- chung den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Berlin, den 26. Juni 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Juli 2014)