Drucksache 17 / 13 967 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 10. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 12. Juni 2014) und Antwort Kontoabfragen durch Berliner Behörden Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hat sich die Gesamtzahl der Kontenabrufe durch Behörden im Land Berlin in den Jahren von 2009 bis 2013 entwickelt? (Bitte Einzelaufschlüsselung nach Jahr und Gesamtzahl.) Zu 1.: Es sind nur die Zahlen der Kontenabrufe gemäß § 93 Absätze 7 und 8 i.V.m. § 93 b der Abgabenordnung (AO) bekannt. Siehe auch Antworten zu den Fragen 6 und 7. 2005: 1642 2006: 2939 2007: 3625 2008: 3150 2009: 6069 2010: 7178 2011: 6750 2012: 6427 2013: 10290 2. Wie oft haben im Land Berlin in den Jahren von 2009 bis 2013 a) Jobcenter, b) Sozialämter, c) BAföG-Ämter und d) Wohngeld-Stellen Kontendaten nach § 93 Abs. 8 Abgabenordnung abge- fragt? (Bitte nach Jahr, Fallzahl und Finanzamt aufschlüs- seln.) Zu 2.: Die Kontenabrufe nach § 93 Absatz 8 AO wer- den seit dem 18.8.2007 nicht mehr von den Finanzämtern, sondern von den in § 93 Absatz 8 AO genannten zustän- digen Behörden durchgeführt. 2009 2010 2011 2012 2013 Jobcenter 87 111 152 153 362 Sozialämter 11 7 11 10 45 BAFöG- Ämter 8 3 2 0 0 Wohngeld- Stellen 7 4 6 3 1 3. Wie oft haben im Land Berlin in den Jahren von 2009 bis 2013 die Finanzämter Kontendaten nach § 93 Abs. 7 Abgabenordnung abgefragt? (Bitte nach Jahr, Fallzahl und abfragender Behörde aufschlüsseln.) Zu 3.: Es wurden folgende Anzahlen von Kontenabru- fen durch Berliner Finanzämter durchgeführt. Zahlen für eine Aufschlüsselung auf jedes einzelne Finanzamt liegen nicht vor. Jahr 2009 Jahr 2010 Jahr 2011 Jahr 2012 Jahr 2013 5956 Kontenabrufe 7053 Kontenabrufe 6579 Kontenabrufe 6261 Kontenabrufe 5996 Kontenabrufe 4. Wie oft haben im Land Berlin im Jahr 2013 Ge- richtsvollzieher*innen Kontendaten nach § 802l Abs. 1 der Zivilprozessordnung abgefragt? Zu 4.: Die Anzahl der Abfragen nach § 802 l Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung durch Gerichtsvollziehe- rinnen und Gerichtsvollzieher (Ersuchen an das Bundes- zentralamt für Steuern, bei den Kreditinstituten Daten abzurufen) werden erst seit Umstellung der Statistiken ab September 2013 erhoben. In der Zeit vom 1. September 2013 bis 31. Dezember 2013 wurden insgesamt 3466 Drittstellenauskünfte bei dem Bundeszentralamt für Steu- ern eingeholt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 967 2 5. Wie oft haben im Land Berlin im Jahr 2013 Unter- haltsvorschussstellen Kontendaten nach § 6 Abs. 6 des Unterhaltsvorschussgesetzes abgefragt? Zu 5.: Es sind vier Abfragen nach § 6 Abs. 6 des Un- terhaltsvorschussgesetzes durch das Bundeszentralamt für Steuern erfolgt. 6. Wie oft haben im Land Berlin in den Jahren von 2009 bis 2013 die Staatsanwaltschaft oder die Polizei Kontendaten nach § 24c Abs. 3 Nr. 2 Kreditwesengesetz abgefragt? (Bitte nach Jahr, Fallzahl und abfragender Behörde aufschlüsseln.) Zu 6.: Für die Berliner Staatsanwaltschaft liegen keine statistischen Angaben über auf § 24c Kreditwesengesetz gestützte Auskunftsersuchen vor. Eine Sonderauswertung ist mit vertretbarem Aufwand nicht leistbar. Auch die Polizei Berlin erfasst die Abfragen nicht statistisch, son- dern lediglich einzeln in den jeweiligen Ermittlungsakten. 7. Wie oft hat im Land Berlin in den Jahren von 2009 bis 2013 der Verfassungsschutz Kontendaten abgefragt? (Bitte nach Jahr und Fallzahl getrennt aufschlüsseln.) Zu 7.: Der Berliner Verfassungsschutz hat im ange- fragten Zeitraum im Jahr 2013 in einem Fall Finanzer- mittlungen auf der Grundlage des § 27a Abs. 1 des Berli- ner Verfassungsschutzgesetzes (VSG Bln) durchgeführt. Über die vom Senator für Inneres und Sport getroffene Anordnung ist die G 10-Kommission gemäß § 27a Abs. 5 S. 4, 6 VSG Bln vor Vollzug unterrichtet worden und hat sie gebilligt. Der Ausschuss für Verfassungsschutz ist darüber gemäß § 27a Abs. 6 VSG Bln und das Parlamen- tarische Kontrollgremium des Bundes gemäß § 27a Abs. 7 VSG Bln unterrichtet worden. 8. Wie bewertet der Senat die Anzahl und die Ent- wicklung sowie die aktuelle Praxis der Abfragen privater Konten durch Behörden im Land Berlin aus datenschutz- rechtlicher Perspektive? Zu 8.: Kontenabrufe durch die Polizei erfolgen grund- sätzlich aufgrund eines konkreten Anlasses im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen zur Beweisführung. Auch in allen übrigen Bereichen erfolgen die Abrufe ausnahmslos im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Datenschutzrecht- liche Belange werden dabei stets berücksichtigt. 9. Durch welche Maßnahmen stellt der Senat sicher, dass Kontenabfragen eine gesetzliche Ausnahme bleiben und sich nicht zu einem Routineinstrument entwickeln, weil nach Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa BVerfG-Beschluss vom 13.6.2007 – 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05 - BStBl II, S. 896) kein begründeter Verdacht vorliegt, sondern ledig- lich vorausgesetzt wird, dass aufgrund konkreter Momen- te oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen ein Kontenab- ruf angezeigt ist? Zu 9.: Siehe Antwort zu 8. 10. Wie beurteilt der Berliner Beauftragte für Daten- schutz und Informationsfreiheit die Anzahl und die Ent- wicklung sowie die aktuelle Praxis der Abfragen privater Konten durch Behörden im Land Berlin aus datenschutz- rechtlicher Perspektive? Zu 10.: Die Beantwortung obliegt dem Berliner Be- auftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. 11. Laut Aussage des ehemaligen Bundesdatenschutz- beauftragten Peter Schaar wiesen in der Vergangenheit bis zu neun von zehn Kontoabfragen rechtliche Mängel auf. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat hierzu vor? In wie vielen Fällen wiesen Kontoabfragen durch Behörden im Land Berlin in den Jahren von 2009 bis 2013 daten- schutzrechtliche Mängel auf? Zu 11.: Solche Mängel bei Kontenabrufen sind nicht bekannt. 12. Hat der Senat vor, durch eine Initiative im Bun- desrat darauf hinzuwirken, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) künftig alle Abfra- gen dokumentieren muss und die Bürger*innen (ggf. nach Abschluss von Ermittlungstätigkeiten) die im Rahmen der Ermittlungstätigkeit erhobenen Daten und ihn betreffende Informationen herausverlangen kann, um diese dann ggf. zum Gegenstand einer (personalaktenrelevanten) Dienst- aufsichtsbeschwerde machen zu können? Zu 12.: Nein. Berlin, den 25. Juni 2014 In Vertretung Dr. Margaretha Sudhof Senatsverwaltung für Finanzen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 27. Juni 2014)