Drucksache 17 / 13 983 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Harald Wolf (LINKE) vom 12. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 13. Juni 2014) und Antwort Planungen für die Berliner S-Bahn Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Hat der Senat geprüft, ob es in Hinblick auf die Kontrolle der erbrachten Verkehrsleistungen und der Tariftreue, die Steuerung von Investitionen, die Gewähr- leistung der Betriebssicherheit, die Kosten der Vertrags- kontrolle und die Wertschöpfung im Land Berlin und in der Region vorteilhaft ist, dass das Land selbst den Be- trieb der S-Bahn übernimmt? Was ist das Ergebnis der Prüfung? Frage 5: Hat der Senat eine Wirtschaftlichkeitsunter- suchung vorgenommen, ob eine Beschaffung des Wa- genmaterials durch die öffentliche Hand für das Land Berlin gegenüber einer Ausschreibung zur Beschaffung vorteilhaft ist? Was sind die Ergebnisse? Antwort zu 1 und 5: Die Länder Berlin und Branden- burg haben sich wegen der damit verbundenen Risiken dagegen entschieden, die Leistungen von einem landesei- genen Unternehmen erbringen zu lassen bzw. das Wa- genmaterial selbst zu beschaffen. Eine Fahrzeugbeschaf- fung durch die Länder hätte erfordert, dass sie bereits weit vor Betriebsaufnahme – parallel zu den Zahlungspflichten aus dem dann noch laufenden S-Bahn-Vertrag - die Fi- nanzierung der Fahrzeuge hätten übernehmen müssen. Zudem erfordert die Durchführung eines Vergabeverfah- rens zur Beschaffung und Zulassung von Eisenbahnfahr- zeugen – hier zudem von Spezialfahrzeugen - große Erfahrung bei der Beschaffung von Eisenbahnfahrzeugen. Diese liegen weder bei den Ländern noch z.B. bei der BVG als landeseigenem Unternehmen vor. Aufgrund der Pflicht des Landes Berlin bzw. eines landeseigenen Un- ternehmens, eine Fahrzeugbeschaffung zwingend euro- paweit auszuschreiben, ließe sich zudem die „Wertschöpfung im Land Berlin und in der Region“ genau so wenig absichern, wie bei dem jetzt umgesetzten Vergabekon- zept. Schließlich gilt, dass auch die Vergabe von Leistun- gen an ein landeseigenes Unternehmen den Vorgaben des europäischen Beihilfe- und Vergaberechts entsprechen müsste. Dies setzt – vergleichbar dem Abschluss des Verkehrsvertrages mit der BVG im Jahr 2007 - die Ver- handlung eines umfassenden Verkehrsvertrages mit ent- sprechenden externen Beratungsleistungen auf beiden Seiten und – wie bisher - ein sorgfältiges Vertragscontrolling durch die Länder bzw. durch die VBB GmbH wäh- rend der gesamten Vertragslaufzeit voraus. Frage 2: Wie stellt sich aus heutiger Sicht der Zeitplan zur Vergabe des Betriebs der Teilstrecken der S-Bahn dar? Antwort zu 2: Die Vergabe des Teilnetzes „Ring“ wird derzeit durchgeführt. Die Vergabe der anderen bei- den Teilnetze wird im Anschluss erfolgen und so ausge- staltet werden, dass der Betrieb unmittelbar nach Auslau- fen des Altvertrages aufgenommen werden kann. Dabei sollen in diesen Teilnetzen die vorhandenen Fahrzeuge der Baureihe 481 zum Einsatz kommen, die derzeit mit dem neuen Zugsicherungssystem ZBS ausgerüstet wer- den. Frage 3: Bis zu welchem Zeitpunkt wird nach Planung des Senats die Beschaffung des zum ausgeschriebenen Teilbetrieb erforderlichen Wagenmaterials abgeschlossen sein? Antwort zu 3: Der Senat beschafft kein Wagenmateri- al, so dass es auch keinen diesbezüglichen Zeitplan des Senats gibt. Vielmehr ist die Bereitstellung von Fahrzeu- gen Teil der Leistungen, die der künftige Betreiber des S- Bahn-Teilnetzes „Ring“ erbringen muss, um den Verkehrsvertrag zu erfüllen. Ob der künftige Betreiber Fahr- zeuge extern beschaffen muss, welchen Zeitplan er dabei zu Grunde legt oder ob er ggf. selbst Fahrzeuge herstellt ist seine unternehmerische Entscheidung. Vorgabe der Länder ist es, dass der Betreiber zugelassene Fahrzeuge zum Einsatz bringt, die die Anforderungen des Verkehrs- vertrages erfüllen und die zu den vertraglich vorgegebe- nen Zeitpunkten der gestuften Betriebsaufnahme zur Verfügung stehen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 13 983 2 Frage 4: a. Wie viele der momentan eingesetzten Wagen sol- len umgerüstet bzw. nachgerüstet werden, um nach 2018 weiter eingesetzt werden zu können? b. Wie ist der Zeitplan der Umrüstung? Wird der Zeitplan voraussichtlich einzuhalten sein? c. Wie ist der Stand des Zulassungsverfahrens durch das Eisenbahn-Bundesamt? d. Welche Einschränkungen des S-Bahn-Betriebs sind während der Umrüstung zu erwarten aufgrund der Nichtverfügbarkeit von Wagen? Antwort zu 4: Zu 4a): Aus Sicht des Senates sollen möglichst alle dafür geeigneten Fahrzeuge der Baureihen 480 und 485 für einen Weiterbetrieb nach 2018 ertüchtigt werden. Dies betrifft nach derzeitigem Kenntnisstand insgesamt 150 Zwei-Wagen-Züge. Zudem werden die Fahrzeuge der Baureihe 481, insgesamt 500 Zwei-Wagen- Züge, derzeit mit dem neuen Zugsicherungssystem ZBS ausgerüstet, um auch zukünftig auf den damit ausgestatte- ten Strecken des Berliner S-Bahnnetzes eingesetzt werden zu können. Zu 4b), 4c) und 4d): Die S-Bahn Berlin GmbH hat mitgeteilt, sie plane derzeit das Fahrzeugertüchtigungs- programm für die Fahrzeuge der beiden Baureihen 480 bzw. 485 und wird die Länder Berlin und Brandenburg voraussichtlich Ende Juni 2014 über die Rahmenbedin- gungen der Ertüchtigungsmaßnahmen informieren. An- schließend werden die weiteren für die Ertüchtigung not- wendigen Schritte festgelegt und der Zeitplan vereinbart. Aktuell liegen dem Senat noch keine Erkenntnisse über den Zeitplan der Umrüstung, den Stand des Zulassungs- verfahrens und eventuelle Einschränkungen des S-Bahn- Betriebs während der Umrüstung aufgrund Nichtverfüg- barkeit von Wagen vor. Soweit die auch von der Exper- tenkommission 2013 beschriebenen Maßnahmen ausrei- chen und zügig umgesetzt wurden, ist keine Einschrän- kung des S-Bahn-Betriebs absehbar. Das Ausrüstungs- programm ZBS (Zugbeeinflussungssystem) für die Fahr- zeuge der Baureihe 481 läuft planmäßig bis Mitte 2016. Aktuell sind etwa 300 Zwei-Wagen-Züge mit ZBS ausge- rüstet. Die Ausrüstung erfolgt im Rahmen der bahnamtli- chen Untersuchungen, eine Einschränkung des S- Bahnbetriebes aus diesem Grund liegt nicht vor. Frage 6: a. Welche Struktur ist für die Koordination der Ver- kehre und Fahrpläne geplant für den Fall, dass zu- künftig mehrere Betreiber für die Berliner S-Bahn verantwortlich sind? b. Mit welchen organisatorischen Veränderungen bei der Berliner S-Bahn ist in diesem Zusammenhang zu rechnen? Antwort zu 6: Zu 6a): Für die planerische Vorberei- tung der Verkehre und Fahrpläne (Bestellprozess) ist im Auftrag der Länder der Verkehrsverbund Berlin Branden- burg GmbH (VBB) verantwortlich. Dort sind die Prozesse für die Fahrplanabstimmung zwischen verschiedenen Eisenbahnverkehrsunternehmen etabliert. Die VBB GmbH führt bereits jetzt den jährlichen Bestellprozess für den S-Bahnverkehr (derzeit ein Betreiber) und den Regi- onalverkehr, hier mit mehreren Betreibern, im Auftrag der beiden Länder durch und stimmt auch die unterjährigen Veränderungen im Verkehrsangebot durch Baumaßnah- men oder Sonderverkehre ab. Im Rahmen der operativen Verkehrsabwicklung obliegt die Verantwortung für die Koordination hingegen den Eisenbahnverkehrsunterneh- men. Zu 6b): Eventuelle organisatorische Veränderungen bei der S-Bahn Berlin GmbH in Zusammenhang mit einer möglichen Konstellation mehrerer Betreiber im Berliner S-Bahnnetz wären ausschließlich unternehmensinterne Entscheidungen der S-Bahn Berlin GmbH. Dem Senat sind derartige Planungen oder Entscheidungen nicht be- kannt. Frage 7: a. Welche Kosten sind dem Land Berlin entstanden bzw. werden entstehen durch die Ausschreibung und Vergabe von Teilstrecken der S-Bahn Berlin? b. Mit welchen Kosten für das Land Berlin ist zu rechnen für Vertrags-Controlling zur Teil-Vergabe der S-Bahn Berlin, falls der S-Bahn-Betrieb durch mehrere Betreiber erfolgt? Antwort zu 7: Zu 7a): Bei einem vom Land Berlin zu tragenden voraussichtlichen Zuschuss von ca. 3,1 Mrd. Euro ist mit Transaktionskosten von rund 0,3 % zu rech- nen. Welche Kosten mit der Vergabe der beiden weiteren Teilnetze verbunden sein werden, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Die Länder sind rechtlich verpflichtet, die Vergaben entsprechend den anspruchsvollen rechtli- chen Vorgaben des nationalen und europäischen Rechts durchzuführen – das gilt sowohl für die Vergabe von Verkehrsleistungen, bei denen der künftige Betreiber die Fahrzeuge zur Verfügung stellt, als auch für Vergabe von Aufträgen an Fahrzeughersteller, wie sie von den Ländern durchzuführen wäre, wenn die in Frage 1 und 5 zu Grun- de gelegten Modelle umgesetzt worden wären. Zu 7b): Aus der möglichen Konstellation mehrerer Betreiber im Berliner S-Bahnnetz resultiert bei strukturell im Wesentlichen gleichartigen Verkehrsverträgen keine signifikante Kostenerhöhung für das Vertragscontrolling. Kostenerhöhungen folgen allerdings aus der im Vergleich zum aktuellen Verkehrsvertrag neuen Vertragsstruktur mit höherer Regelungstiefe und –detaillierung, um das Risiko eventueller zukünftiger S-Bahnkrisen zu reduzie- ren bzw. deren Folgen möglichst gering zu halten. Berlin, den 02. Juli 2014 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Juli 2014)