Drucksache 17 / 14 002 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sabine Bangert (GRÜNE) vom 16. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 17. Juni 2014) und Antwort Wie konsequent setzt der Senat das „Maßnahmepaket zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in Berlin“ um? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie hoch wird der jährliche Schaden, der durch Schwarzarbeit entsteht für die SteuerzahlerInnen im Land Berlin innerhalb der letzten fünf Jahre beziffert und wie hoch ist der Aufklärungserfolg innerhalb der letzten fünf Jahre? Zu 1.: Es liegt im Wesen der Schwarzarbeit und ille- galen Beschäftigung, dass sie im Verborgenen stattfinden und sich deshalb einer exakten Erfassung entziehen. Ei- gene Erhebungen zur Höhe des Schadens, der den Steuer- zahlerinnen und Steuerzahlern im Land Berlin durch Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung jährlich ent- steht, kann der Senat von Berlin nicht vornehmen. Nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) und den einschlägigen Nebengesetzen (z.B. Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Arbeitnehmer- Entsendegesetz, Aufenthaltsrecht, Drittes und Viertes Buch Sozialgesetzbuch) werden die dort definierten Er- scheinungsformen von Schwarzarbeit und illegaler Be- schäftigung als Ordnungswidrigkeiten (Owi) oder – in schweren Fällen – als Straftaten verfolgt. Zur Schwarzarbeit zählen danach insbesondere Fälle des Sozialleis- tungsmissbrauchs, des Beitragsbetruges sowie der Steuer- hinterziehung jeweils im Zusammenhang mit der Erbrin- gung von Dienst- oder Werkleistungen. Zu den Erschei- nungsformen illegaler Beschäftigung zählen vor allem die illegale Ausländerbeschäftigung, die illegale Arbeitneh- merüberlassung und Zuwiderhandlungen gegen das Ar- beitnehmer-Entsendegesetz (insbesondere Mindestlohn- verstöße). Die Verfolgung von Schwarzarbeit und illegaler Be- schäftigung ist in der Hauptsache Aufgabe der bei der Bundeszollverwaltung eingerichteten Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS). Diese veröffentlicht regelmäßig auch die im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung im räumlichen Geltungsbereich des Landes Berlin festge- stellten Schadenssummen. Hierunter werden im Wesent- lichen die in Schwarzarbeitsfällen nicht gezahlten Sozial- versicherungsbeiträge und Steuern, die Schäden, die der Bundesagentur für Arbeit durch Leistungsmissbrauch entstanden sind, sowie die Arbeitnehmerinnen und Ar- beitnehmern in Mindestlohnbranchen vorenthaltene Diffe- renz zu den Mindestlöhnen zusammengefasst. Insofern werden hierbei vom Zoll u.a. auch private „Vermögenseinbußen “ erfasst, die bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – überwiegend mit deren Einwilligung – entstehen und von daher keinen Schaden öffentlicher Kassen darstellen (vgl. hierzu den am 11. Januar 2008 mit Bun- destags-Drs. 16/7727 vorgelegten „Bericht des Bundesrechnungshofes nach § 99 Bundeshaushaltsordnung über die Organisation und Arbeitsweise der Finanzkontrolle Schwarzarbeit“). Für den Zeitraum von 2009 bis einschließlich 2013 hat das Hauptzollamt Berlin zur Ermittlungstätigkeit der im räumlichen Geltungsbereich des Landes Berlin zuständi- gen FKS und zu dem von ihr in diesem Zusammenhang festgestellten Schaden die aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlichen statistischen Angaben veröffentlicht. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 002 2 2009 2010 2011 2012 2013 Personenüberprüfungen Prüfungen bei Arbeitgeber/innen Verfahren wegen Schwarzarbeit, illegaler Beschäftigung und Leistungsmissbrauch:  eingeleitete Strafverfahren  eingeleitete Owi-Verfahren  abgeschl. Strafverfahren  abgeschl. Owi-Verfahren Schadenssumme rd. 20.500 rd. 1.800 rd. 3.300 rd. 1.700 rd. 2.800 rd. 2.100 rd. 16,5 Mio. € rd. 18.000 rd. 1.600 rd. 4.300 rd. 2.350 rd. 4.200 rd. 2.700 rd. 24,3 Mio. € rd. 18.000 rd. 2.100 rd. 4.700 rd. 2.800 rd. 4.800 rd. 3.100 rd. 31,3 Mio. € rd. 20.100 rd. 2.100 rd. 4.100 rd. 1.700 rd. 4.700 rd. 2.300 rd. 45 Mio. € rd. 18.600 rd. 2.000 rd. 3.900 rd. 1.600 - - rd. 58,3 Mio. € Quelle: Hauptzollamt Berlin (Für das Jahr 2013 hat das Hauptzollamt Berlin im Hinblick auf abgeschlossene Straf- und Owi- Verfahren keine statistischen Angaben veröffentlicht.) 2. Wie verbindlich ist das im Koalitionsvertrag von SPD und CDU angekündigte „Maßnahmepaket zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in Berlin“? Gibt es eine zeitliche Planung für die Umsetzung und Konkretisierung der angekündigten Maßnahmen? Falls ja, wie stellt sich diese im Detail dar? Zu 2.: Nach den vom Regierenden Bürgermeister mit Abghs.-Drucksache 17/77 vorgelegten und vom Abge- ordnetenhaus am 12. Januar 2012 gebilligten Richtlinien der Regierungspolitik hat es sich der Senat u.a. zum Ziel gesetzt, seine Aktivitäten zur Eindämmung prekärer Be- schäftigung sowie von Lohn- und Sozialdumping zu ver- stärken. Hierzu gehört insbesondere auch eine unvermin- dert konsequente Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung im Zusammenwirken mit der hierfür vorrangig zuständigen FKS der Bundeszollverwal- tung. Das Ziel, die Zusammenarbeit mit anderen Instituti- onen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit, illegaler Be- schäftigung, Mindestlohnverstößen nach dem Arbeitneh- mer-Entsendegesetz, sittenwidrigen Löhnen und sonstigen Arbeitsdelikten fortzuführen, ist auch Bestandteil des Programms „BerlinArbeit“ (Ziel 2: „Gute Arbeit als Grundprinzip durchsetzen“, Handlungsfeld 5: „Stärkung des ordnungspolitischen Rahmens“). 3. Durch welche konkreten Maßnahmen und Aktivitäten ist die Unterstützung von brancheninternen Kontrol- linstrumenten wie z.B. „Baustellenläufer“ bisher erfolgt? Falls ja, wie stellen sich diese im Detail? Zu 3.:Der Senat ist sich bewusst, dass staatliche Kon- trollen zur Aufdeckung von Schwarzarbeit, illegaler Be- schäftigung und Lohndumping allein nicht ausreichend sind, um solche schattenwirtschaftlichen Aktivitäten nachhaltig zurückzudrängen. Hierzu bedarf es vielmehr der Anstrengung aller am Wirtschafts- und Arbeitsleben beteiligten Akteurinnen und Akteure. Der Senat begrüßt deshalb die Eigenanstrengungen der Sozialpartner des regionalen Baugewerbes, mit Hilfe von „Baustellenläufern “ der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e.V. bzw. „Baustellenteams“ der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt in Berlin und Brandenburg die im hiesigen Baugewerbe festgestellten Rechtsverstöße zu dokumentieren und bei den zuständigen Verfolgungsbe- hörden zur Anzeige zu bringen. Die im „Berliner und Brandenburger Bündnis für Regeln am Bau“ vertretenen Senatsverwaltungen haben bereits im Jahr 2005 geprüft, ob und ggf. inwieweit die Tätigkeit der „Baustellenläufer“ durch den Einsatz geeigneter Personalüberhangkräfte des Landes Berlin unterstützt werden kann. Im Ergebnis ha- ben die betreffenden Bündnispartner seinerzeit von der grundsätzlich gegebenen Möglichkeit, Personalüberhang- kräfte des Landes Berlin zu den Bedingungen des seiner- zeitigen Zentralen Personalüberhangmanagements einzu- setzen, allerdings keinen Gebrauch gemacht. Darüber hinaus hat die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen zuletzt im Oktober 2013 gegen- über den für die Region Berlin und Brandenburg zustän- digen Stellen des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten angeregt, die Implementierung solcher oder vergleichbarer Instru- mente ggf. auch im Hotel- und Gaststättengewerbe in Erwägung zu ziehen. Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen hat in diesem Zusammenhang angeboten, einen entsprechenden Diskussionsprozess der Sozialpartner des regionalen Hotel- und Gaststättenge- werbes zu moderieren, soweit die betroffenen Sozialpart- ner selbst gewillt sind, entsprechende Eigenanstrengungen zu ergreifen. Nach den dem Senat vorliegenden Erkennt- nissen war dies bislang nicht der Fall. 4. Wurde die Möglichkeit einer sozialversicherungsrechtlichen Anmeldung von neu begründeten Arbeitsver- hältnissen bereits vor Arbeitsaufnahme überprüft? Wenn ja, welche Ergebnisse hatte diese Prüfung? Falls nicht, warum ist die Prüfung bisher nicht erfolgt? Zu 4.: Gemäß § 28a Abs. 4 des Vierten Buches Sozi- algesetzbuch (SGB IV) gilt in den dort aufgeführten Branchen schon jetzt die sogenannte Sofortmeldepflicht. Hiernach haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber den Tag des Beginns eines Beschäftigungsverhältnisses spä- testens bei dessen Aufnahme an die Datenstelle der Trä- ger der Rentenversicherung zu melden. Aufgrund der elektronischen Übermittlung der Daten kann eine Mel- dung auch noch kurzfristig vor Aufnahme der Tätigkeit, Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 002 3 also am Tag der Arbeitsaufnahme, erfolgen. Der Bundes- rat hatte die Bundesregierung bereits 2008 im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmo- dernisierungsgesetz - UVMG) aufgefordert, eine Sofort- meldepflicht für alle Branchen und Beschäftigungsformen (ausgenommen geringfügig Beschäftigte in Privathaushal- ten) einzuführen (vgl. hierzu BR-Drs. 113/08 (Beschluss), Ziffer 4). Stand die Bundesregierung diesem Vorschlag des Bundesrates zunächst noch aufgeschlossen gegenüber (vgl. hierzu BT-Drs. 16/9154, Anlage 5), hat sie densel- ben mit dem am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Zwei- ten Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Geset- ze aus Sicht des Bundesrates jedoch nur unzureichend umgesetzt. Da eine nur für bestimmte Branchen geltende Sofortmeldepflicht nicht ausreicht, um den Problemen bei der Aufdeckung von Schwarzarbeit wirksam begegnen zu können, hat die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen den vorgenannten Vorschlag aus dem Jahr 2008 im Rahmen des von Nordrhein-Westfalen am 28. November 2011 vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der geringfügigen Beschäftigung und zur Be- kämpfung der illegalen Beschäftigung (BR-Drs. 768/11) erneut aufgegriffen. Auf entsprechenden Antrag fand der in Rede stehende Vorschlag Eingang in die Empfehlun- gen der Ausschüsse (vgl. hierzu BR-Drs. 768/1/11, Ziffer 2). Der Bundesrat hat jedoch in seiner 893. Sitzung am 2. März 2012 beschlossen, den o.g. Gesetzentwurf nicht beim Deutschen Bundestag einzubringen. 5. Welche konkreten Maßnahmen wurden bisher ergriffen , die Ahndung ordnungswidriger Schwarzarbeit in einer gemeinsamen bezirklichen Bußgeldstelle zu kon- zentrieren und durch die Erstellung eines Bußgeldleitfa- dens und ein IT-gestütztes Informationssystem zu unter- stützen? Falls ja, welche konkreten Umsetzungsschritte sind bisher erfolgt? Falls nicht, gibt es hierzu eine konkre- te Planung oder wurde das Projekt verworfen? Zu 5.: Die mit der Frage angesprochenen Maßnahmen sind Gegenstand des Projekts „Optimierung der Verfolgung und Ahndung von Schwarzarbeit im Land Berlin“, das seit Oktober 2012 unter der Leitung der Senatsverwal- tung für Arbeit, Integration und Frauen im Rahmen des Verwaltungsmodernisierungsprogramms „ServiceStadt Berlin 2016“ durchgeführt wird. Zu dem vorgenannten Verwaltungsmodernisierungsprogramm und zum Stand der einzelnen Projekte werden dem Abgeordnetenhaus regelmäßig Statusberichte vorgelegt (zuletzt im Rahmen der Abghs.-Drs. 17/1585). Darin enthalten ist u.a. auch der Statusbericht (Stand: 31. Dezember 2013) zu o.g. ServiceStadt-Berlin-Projekt (vgl. hierzu S. 68 ff. der vor- genannten Drs.). Die Projektampel des vorgenannten Projekts steht gegenwärtig auf „gelb“, da es zur Umsetzung der von der Projektgruppe abgegebenen Empfeh- lung, die Ahndung der projektrelevanten Ordnungswid- rigkeiten bei einem Bezirksamt zu konzentrieren und im Rahmen eines einjährigen Pilotversuchs beim Ordnungs- amt Pankow zu erproben, weiterer Abstimmungen bedarf. 6. Wie ist der aktuelle Planungsstand für das Pilotprojekt einer fälschungssicheren Chipkarte als Ersatz für den bisherigen Sozialversicherungsausweis in Berlin- Brandenburg? Zu 6.: Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen hat bereits Ende April 2012 das zuständige Bundesministerium der Finanzen (BMF) um Stellung- nahme gebeten, wie die Einführung einer Chipkarte als Instrument zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und ille- galer Beschäftigung von dort aus eingeschätzt werde. Hierzu hat Herr Staatssekretär Gatzer mit Schreiben vom 23. Mai 2012 mitgeteilt, dass seit dem Jahr 2004 auf Bundesebene verschiedene Möglichkeiten des Einsatzes von Chipkarten zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung geprüft worden seien. So sei hier- zu eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet wor- den, die im Januar 2008 ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Der vorgenannte Bericht steht auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Down- load zur Verfügung (http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF- Publikationen/a365-sozialkartenbericht.pdf). Danach wird die Einführung einer Chipkarte als Instrument zur Be- kämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung nach Auffassung der vorgenannten Arbeitsgruppe weder als notwendig noch als erforderlich erachtet. Sie verursa- che darüber hinaus einen vermeidbaren Mehraufwand für die Herstellung und Ausgabe der Karte. Aus Sicht des BMF stehen den Behörden der Zollverwaltung zur Wahr- nehmung ihrer auf dem Gebiet der Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung bestehenden Aufgaben mit der in § 2a SchwarzArbG geregelten Mit- führungs- und Vorlagepflicht von Ausweispapieren sowie der sich aus § 28a Abs. 4 SGB IV ergebenden Sofortmel- depflicht (für die von Schwarzarbeit besonders betroffe- nen Branchen – siehe dazu auch die Antwort zu Frage Nr. 4) bereits die erforderlichen Instrumente zur Verfügung, um entsprechende Rechtsverstöße effektiv und zeitnah feststellen zu können. Der Einführung einer Chipkarte bedarf es aus Sicht des BMF von daher nicht. Dieser Auffassung schließt sich der Senat von Berlin an. 7. Welche konkreten Maßnahmen wurden bezüglich einer engeren Kooperation mit dem Hauptzollamt (Fi- nanzkontrolle Schwarzarbeit) unternommen, um stärker gegen Schwarzarbeit vorgehen zu können? Zu 7.: Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen steht im fortwährenden Dialog sowohl mit der beim Hauptzollamt Berlin eingerichteten FKS als auch mit der für die FKS Berlin zuständigen Rechts- und Fach- aufsicht bei der Bundesfinanzdirektion Mitte. Darüber hinaus kooperiert die FKS Berlin anlassbezogen auf bila- teraler Ebene mit den im Land Berlin zuständigen Zu- sammenarbeitsbehörden im Sinne von § 2 Abs. 2 SchwarzArbG (Landesamt für Arbeitsschutz, Gesund- heitsschutz und technische Sicherheit, Finanzamt für Fahndung und Strafsachen, Landeskriminalamt, Auslän- derbehörde usw.). In diesem Zusammenhang besteht zudem die Möglichkeit, sich im Rahmen der bestehenden länderübergreifenden Arbeitsgruppe „Bekämpfung von Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 002 4 Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung in den Ländern Berlin und Brandenburg“, in der alle in den Ländern Berlin und Brandenburg mit der Bekämpfung von Schwarz- arbeit und illegaler Beschäftigung befassten Stellen min- destens einmal jährlich auf Einladung der Senatsverwal- tung für Arbeit, Integration und Frauen beratend zusam- menkommen, entsprechend auszutauschen (im November dieses Jahres findet bereits die 25. Koordinierungsbera- tung dieser Arbeitsgruppe statt). Für den räumlichen Gel- tungsbereich des Landes Berlin ist darüber hinaus vorge- sehen, im September dieses Jahres einen zusätzlichen Arbeitskreis einzurichten, um die Zusammenarbeit zwi- schen der FKS Berlin und den im Land Berlin zuständi- gen Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörden (Landeskrimi- nalamt, Ordnungsämter) noch weiter auszubauen. Im Ergebnis der vorgenannten Gespräche sind beispielhaft folgende Maßnahmen verabredet worden, um gemeinsam stärker gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung vorgehen zu können:  Zusammenarbeit FKS-Arbeitsgerichte Werden in arbeitsgerichtlichen Streitverfahren z.B. Mindestlohnverstöße, Fälle von Leistungsmissbrauch oder illegaler Ausländerbeschäftigung bekannt, so können Richterinnen und Richter der Gerichte für Arbeitssachen in Berlin von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch machen, die zuständigen Verfolgungsbehörden über den Verdacht auf Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung zu unterrichten (gem. der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen). Für die Zollbehörden stellen Mitteilungen der Berliner Arbeitsgerichte eine wichtige Erkenntnis- quelle dar, die bundesweit beispielgebend ist. Die gemel- deten Verdachtsfälle führen regelmäßig zur Verhängung von Bußgeldern und Einleitung strafprozessualer Maß- nahmen.  Zusammenarbeit FKS-Vergabestellen Die Vergabestellen können bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit von Bieterinnen und Bietern bzw. Bewer- berinnen und Bewerbern um öffentliche Aufträge des Landes Berlin auf das Unternehmer- und Lieferantenver- zeichnis für öffentliche Aufträge Berlin und Brandenburg (ULV) zurückgreifen. Sie haben hierbei aber auch die Möglichkeiten zum Ausschluss von der Vergabe öffentli- cher Aufträge gemäß § 21 SchwarzArbG und § 21 Ar- beitnehmer-Entsendegesetz zu beachten. Durch Vorlage von Eigenerklärungen bzw. durch Einholung von Aus- künften aus dem Gewerbezentralregister kann die Verga- bestelle Informationen über rechtskräftige Verurteilungen bzw. bestandskräftige Bußgeldentscheidungen in Erfah- rung bringen. Um bei der Vergabeentscheidung auch aktuelle Verstöße oder anstehende Bußgeldbescheide berücksichtigen zu können, besteht die Möglichkeit, in begründeten Einzelfällen ein Auskunftsersuchen an die FKS Berlin zu richten (vgl. hierzu Rundschreiben Sen- Stadt VI A Nr. 01 / 2011).  Zusammenarbeit FKS-Jobcenter Die Durchführung von Strafverfahren wegen der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Sozialleistungen im Zusammenhang mit Schwarzarbeit setzt vor allem die Erstellung qualifizierter Schadensberechnungen durch die geschädigten Sozialleistungsträger voraus. Nach Auffas- sung der FKS Berlin und der hiesigen Staatsanwaltschaft konnte eine zeitnahe Bearbeitung entsprechender Fälle im Rechtskreis des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) durch die Berliner Jobcenter oftmals nicht sicherge- stellt werden. Die Staatsanwaltschaft Berlin, die Regio- naldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit und die Bundesfinanzdirektion Mitte (Rechts- und Fachaufsicht über die FKS Berlin) haben daraufhin im März 2013 das sogenannte Eskalationsstufenverfahren vereinbart, mit dem die fristgerechte Erledigung von Auskunftsersuchen der FKS gewährleistet werden soll. Den Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern der Ber- liner Jobcenter ist dieses Verfahren bereits im Rahmen des Geschäftsführerforums am 26. März 2013 vorgestellt worden. Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen hat den Geschäftsführerinnen und Geschäftsfüh- rern der Berliner Jobcenter mit Schreiben vom 15. No- vember 2013 empfohlen, die Zusammenarbeit mit der FKS auf der Basis des zwischenzeitlich auf Bundesebene vereinbarten „Leitfadens über die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen der FKS der Zollverwaltung und den Jobcentern im Rechtskreis des SGB II“ zu organisieren . Dies schließt ausdrücklich auch die weitere Anwen- dung des in Rede stehenden Eskalationsstufenverfahrens mit ein.  Zusammenarbeit FKS-Gewerbebehörden Gemäß § 14 Abs. 8 Nr. 7 Gewerbeordnung zählen die Behörden der Zollverwaltung zum Kreis derjenigen Be- hörden, denen die Gewerbebehörden Daten aus der Ge- werbeanzeige übermitteln dürfen. Auf der Grundlage der zwischen dem BMF und den zuständigen Ressorts der Länder getroffenen „Vereinbarung über die Grundsätze der Zusammenarbeit der FKS mit den Gewerbebehörden und den Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörden der Län- der“ übermitteln die Gewerbebehörden grundsätzlich nur dann Daten aus der Gewerbeanzeige an die FKS, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen von Scheinselbständig- keit gegeben sind. Entsprechende Anhaltspunkte liegen u.a. dann vor, wenn unter einer Anschrift mehrere Perso- nen - u.U. zum gleichen Zeitpunkt - ein Gewerbe mit den gleichen zulassungsfreien oder handwerksähnlichen Ge- werbegegenständen angemeldet haben bzw. anmelden wollen. Um die Scheinselbständigkeit im räumlichen Geltungsbereich des Landes Berlin noch intensiver be- kämpfen zu können, wurde mit dem Hauptzollamt Berlin und der Bundesfinanzdirektion Mitte kürzlich vereinbart, dass die in den zwölf Berliner Bezirken zuständigen Ge- werbebehörden der FKS Berlin je Bezirk jene fünf Be- triebsadressen bekanntgeben, an denen die meisten Ge- werbebetriebe angemeldet wurden (exklusive Shopping- Center o.ä.). Über die Beibehaltung dieses zunächst auf Probe durchgeführten Verfahrens wird im Einvernehmen mit dem Hauptzollamt Berlin im Herbst dieses Jahres entschieden.  Gestellung von Gemeindebeamten durch die Berliner Bezirksämter als Durchsuchungszeugen nach § 105 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) Dem Hauptzollamt Berlin werden für die von ihm durchgeführten strafprozessualen Maßnahmen, wie z.B. die zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung erforderlichen Durchsuchungen und Be- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 002 5 schlagnahmungen, von den Berliner Bezirksämtern ge- genwärtig zunehmend keine Gemeindebeamtinnen und Gemeindebeamte mehr als Durchsuchungszeuginnen und Durchsuchungszeugen nach § 105 Abs. 2 StPO zur Ver- fügung gestellt. Nach Auffassung des Senats gehört es allerdings zu den Pflichtaufgaben der Bezirke, Gemein- debeamtinnen bzw. Gemeindebeamte als Durchsuchungs- zeuginnen bzw. Durchsuchungszeugen u.a. auch für den Zoll zur Verfügung zu stellen. 8. Welche Strategien und konkreten Maßnahmen organisiert das Land Berlin zusätzlich zu den in den Fragen drei bis sieben Genannten im Kampf gegen die Schwarz- arbeit und wie wirksam sind diese innerhalb der letzten fünf Jahre gewesen? Zu 8.: Flankierend zu den bereits unter Ziffer 3 bis 7 dargestellten Maßnahmen und Initiativen, die der Senat zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Be- schäftigung ergriffen hat, sind beispielhaft noch folgende weitere Aktivitäten zu benennen:  Zentrale Informations- und Anlaufstelle zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäf- tigung im Land Berlin Bei der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen besteht die Zentrale Informations- und Anlaufstel- le zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Be- schäftigung im Land Berlin, die Bürgerinnen und Bür- gern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anderer Verwal- tungen inner- und außerhalb Berlins sowie Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden und Gewerkschaften oder sonstigen Institutionen aus dem In- und Ausland die Mög- lichkeit bietet, sich über die Bekämpfung von Schwarzar- beit und illegaler Beschäftigung in Berlin zu informieren und in Problemfällen Rat zu erhalten. Zusätzlich zu dem breitgefächerten Informationsangebot, das auf den Web- seiten der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen zu diesem Thema zur Verfügung gestellt wird (http://www.berlin.de/sen/arbeit/schwarzarbeit/index.html ), besteht die Möglichkeit, der vorgenannten Stelle Ver- dachtsmomente, die auf das Vorliegen von Schwarzarbeit, illegaler Beschäftigung oder auch Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft hindeuten, u.a. auch mit Hilfe eines Online-Formulars mitzuteilen (http://www.berlin.de/sen/arbeit/schwarzarbeit/anzeigen/f ormular.php).  Berliner und Brandenburger Bündnis für Regeln am Bau Ein Hauptbetätigungsfeld für Schwarzarbeit und ille- gale Beschäftigung liegt nach wie vor im Baugewerbe. Der Berliner Senat unterstützt deshalb das „Berliner und Brandenburger Bündnis für Regeln am Bau“. In diesem Bündnis arbeiten die Tarifvertragsparteien des regionalen Baugewerbes, die FKS des Zolls, der Berliner Senat und die Brandenburger Landesregierung zusammen, um Schwarzarbeit im Berliner und Brandenburger Baugewer- be einzudämmen. Ziel des Bündnisses ist es, die Tarifver- tragsparteien des regionalen Baugewerbes bei ihren Ei- genanstrengungen zur Eindämmung von Schwarzarbeit zu unterstützen, damit reguläre Arbeitsplätze erhalten blei- ben und die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Bauwirt- schaft erhöht wird. Die Bündnispartner haben anlässlich ihres letzten Bündnistreffens am 14. November 2013 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Vorschläge für gesetzgebe- rische und tarifliche Maßnahmen ausarbeiten soll.  Berliner Bündnis gegen Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung / Fachkommission Menschenhandel Von Oktober 2009 bis Juni 2012 war im Land Berlin das „Berliner Bündnis gegen Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung“ mit dem Ziel aktiv, diese Erscheinungsform des Menschenhandels als Menschen- rechtsverletzung und diskriminierende Praxis in der Ar- beitswelt besser wahrzunehmen und hiergegen gezielt vorzugehen. Um Ressourcen zu bündeln und Synergieef- fekte zu erzielen, wurde im Januar 2013 die Berliner Fachkommission Menschenhandel ins Leben gerufen, die sich seitdem sowohl mit dem Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung (bislang Gegenstand der bereits 1995 gegründeten Berliner Fachkommission Frau- enhandel) als auch mit dem Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung befasst. Die Akteurinnen und Ak- teure aus beiden Handlungsfeldern des Menschenhandels wirken seit diesem Zeitpunkt zusammen, um die Situation der Opfer zu verbessern, ihren Schutz zu gewährleisten und gleichzeitig die Strafverfolgung wirksamer zu gestal- ten (http://www.berlin.de/sen/frauen/keine-gewalt/mensch enhandel/fachkommission/artikel.27105.php). Der Senat geht bei allen diesen Maßnahmen davon aus, dass sie sich in ihrer Gesamtheit insbesondere in präventiver Hinsicht als wirksam erwiesen haben. 9. Ist der zuständigen Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen bewusst, dass das im Internet ab- rufbare Faltblatt zur Bekämpfung der Schwarzarbeit aus dem Jahr 2009 nicht auf dem neuesten Stand ist und wann wird eine Aktualisierung erfolgen? Zu 9.: Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen ist bestrebt, das im Internet abrufbare Faltblatt zur Bekämpfung der Schwarzarbeit aus dem Jahr 2009 spätestens im Jahr 2015 als aktualisierte Neuauflage her- auszugeben. Berlin, den 03. Juli 2014 In Vertretung Boris Velter Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Juli 2014)