Drucksache 17 / 14 012 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Klaus Lederer (LINKE) vom 17. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Juni 2014) und Antwort Erfolgsgeschichte „Trans* in Arbeit“ Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Über welchen Zeitraum hinweg wurde das Projekt „Trans* in Arbeit“ seitens des Senats durchgeführt und was waren die primären Ziele des Projekts? Zu 1.: Das auf ein Jahr von der EU bewilligte und von der Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) entwickelte Projekt zielte darauf ab, einen Prozess zur Förderung der Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt und zum Abbau von Diskriminierungen im Bereich Arbeit und Beruf einzulei- ten und die Situation – insbesondere von transgeschlechtlichen Menschen – zu verbessern. Mit den im Projekt vorgeschlagenen Maßnahmen wurde zum großen Teil Neuland betreten. Das Projekt begann am 15. Juni 2013 und endete am 14. Juni 2014. Zu den operativen Zielen, die zugleich Handlungsfel- der des Projektes waren, gehörten 1. die Sensibilisierung, Aktivierung und Vernetzung von Schlüsselpersonen zu Trans* im Bereich Arbeit und Beruf, 2. die Sensibilisierung und Aktivierung der öffentlichen Verwaltungen, 3. das Empowerment von Trans*Menschen über Information und Aufklärung, 4. die Verbesserung der Rechtssicherheit. 2. Welche Instrumente wurden im Rahmen des Pro- jekts eingesetzt, mit welchen Partner*innen aus der Stadt- gesellschaft hat der Senat kooperiert, welche Effekte sollten dadurch bewirkt werden bzw. sind bewirkt wor- den? Zu 2.: Im Folgenden werden die Instrumente in den jeweiligen Handlungsfeldern vorgestellt. Sensibilisierung, Aktivierung und Vernetzung von Schlüsselpersonen zu Trans* im Bereich Arbeit und Be- ruf: Auftaktveranstaltung, Fachtagung (Abschlussveran- staltung), vier thematische Fachrunden mit Akteurinnen und Akteuren aus der Arbeitswelt mit jeweils zwei Tref- fen, Projektvorstellungen, Präsentationen, Entwicklung und Verbreitung von zielgruppenspezifischem Informati- onsmaterialen bzw. Handreichungen sowie Durchführung von Fortbildungen zum Schwerpunkt Geschlechtsidenti- tät/ Sexuelle Identität für Multiplikatorinnen und Multi- plikatoren sowie Schlüsselpersonen Sensibilisierung und Aktivierung der öffentlichen Verwaltungen: Das Land Berlin verfügt über zahlreiche Kontakte und ist vertreten in (Fach)Gremien auf europäi- scher, nationaler und auf Landesebene. Diese Gremien, wie beispielsweise der Round Table of Informal National Focal Points Network of LGBT (europäische Ebene), das Bund-Länder-Netzwerk der Referentinnen und Referenten für gleichgeschlechtliche Lebensweisen (nationa- le/regionale Ebene) sowie der Runde Tisch Trans- und Intergeschlechtlichkeit (Land Berlin) wurden zu Beginn des Projektes informiert und erhalten in Kürze die Pro- jektergebnisse. Gerade mit Blick auf den innovativen Charakter des Projektes war die Erprobung von Maßnah- men im Sinne der Entwicklung von good-practice Bei- spielen ein wichtiges Projektmodul. Entsprechend war die Aktivierung dieser oben aufgezählten Gremien zur Ent- wicklung und Umsetzung ähnlicher Maßnahmen ebenso von großer Bedeutung, um nachhaltige Impulse zu setzen. Empowerment von Trans* über Information und Auf- klärung: Strategische Partnerschaften mit Organisationen aus der Trans*/Inter-Community waren für das Projekter- gebnis von großer Bedeutung. Darüber hinaus wurden auch spezifische Informationsmaterialen über die Rechte von transgeschlechtlichen Menschen, insbesondere bei erlebter Diskriminierung in der Arbeitswelt, entwickelt und das Projekt hatte die Gelegenheit, sich auf der bun- desweiten Trans* Tagung in Berlin im Oktober 2013 vorzustellen. Aus dem Projekt heraus entstand auch eine Wanderausstellung mit Fotografien von Trans*Menschen an ihren Arbeitsplätzen mit dem Titel: „Trans* in der Arbeitswelt“. Startschuss der Ausstellung war am 04. Juni bei der SAP AG. Die Wanderausstellung in zwei unter- schiedlichen Formaten kann bei der LADS ausgeliehen werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 012 2 Verbesserung der Rechtssicherheit: Expertise zur Identifizierung von Diskriminierungspotenzialen gegen- über trans- und intergeschlechtlichen Menschen im bun- desdeutschen Recht. Das Projekt hat mit Trans*Organisationen, Unterneh- men, Landesbetrieben, Job-Centern, Berliner Verwaltun- gen, der IHK sowie mit Gewerkschaften, dem Berliner Hauptpersonalrat und anderen Beschäftigtenvertretungen sehr gut und erfolgreich kooperiert. Die Vernetzung und der Austausch zwischen den Trans*Organisationen und den anderen Akteurinnen und Akteuren ist sicherlich eines der wichtigsten Ergebnisse, zumal enge Kontakte entstanden sind und die Beteiligten auch weiterhin in Kontakt bleiben möchten. Darüber hinaus wurden gemeinsam mit den Beteilig- ten konkrete Empfehlungen erarbeitet, die im Reader „Trans* im Job: Erst Tabubruch, jetzt selbstverständlich ?“ veröffentlicht und in die zahlreichen Informationsmaterialien für verschiedene Zielgruppen eingeflossen sind. Die Materialien im Einzelnen:  Trans* in Arbeit – Fragen und Antworten (Broschüre )  Trans* im Team – Informationen für ein trans*freundliches Teamklima (Informationsflyer)  Transition – Was Sie über den Prozess der Geschlechtsangleichung wissen sollten (Informations- flyer)  Trans* im Personalmanagement – Informationen für den Bereich Personal/HR (Informationsflyer)  Trans* im Betrieb – Informationen für Beschäftigtenvertretungen (Informationsflyer)  Empowermentbroschüre für Trans* in der Arbeitswelt (auch in Leichter Sprache) 3. Welche finanziellen Mittel aus welchen Quellen wurden zur Finanzierung des Projekts herangezogen? Zu 3.: Das von der EU bewilligte Gesamtvolumen lag bei 143.000 Euro. Der Ko-Finanzierungsanteil im Rah- men des von der EU bewilligten Gesamtvolumens betrug 20% (29.000 Euro) und entstammte aus Haushaltsmitteln der Landesantidiskriminierungsstelle in der Senatsverwal- tung für Arbeit, Integration und Frauen. 4. In welcher Weise wurde das Projekt hinsichtlich seiner Wirksamkeit evaluiert und wie sind die Ergebnisse der Evaluation? Zu 4.: Für einzelne Projektmodule wie Veranstaltun- gen, Fachrunden und Fortbildungen, wurden standardi- sierte Evaluationsbögen entwickelt. Die Auswertung der Ergebnisse erfolgte über die Mitarbeitenden des Projek- tes. Auswahl an quantitativen Ergebnissen im Rahmen der Evaluation: 78 % der Teilnehmenden des Bund-Länder Treffens der Referentinnen und Referenten für gleichgeschlechtli- che Lebensweisen stimmten voll und ganz der Aussage zu, dass die Maßnahmen des Projektes „Trans* in Arbeit“ zielführend sind, um die Situation von transgeschlechtli- chen Menschen im Bereich Arbeit und Beruf zu verbes- sern. 79 % der Teilnehmenden der Abschlussveranstaltung, auf der die Projektergebnisse vorgestellt und diskutiert wurden, stimmten mindestens der Aussage zu, dass sie das neue Wissen und die erhaltenen Informationen in Ihre Arbeit integrieren können. 77 % der Teilnehmenden der Fachrunde „Begleitung von Transition am Arbeitsplatz“ stimmten mindestens der Aussage zu, die Ergebnisse bzw. die Ideen aus den Fach- runden in ihre Arbeit/Tätigkeit integrieren zu können. 93% der Teilnehmenden der Fachrunde „Trans*freundliches Unternehmen“ stimmten mindestens der Aussage zu, die Ergebnisse bzw. die Ideen aus den Fachrunden in ihre Arbeit/Tätigkeit integrieren zu kön- nen. 100% der Teilnehmenden der Fachrunde „Empowerment “ gaben an, mit den Informationen und dem Erfahrungsaustausch sehr bis weitgehend zufrieden zu sein. 92% der Teilnehmenden gab an, mit dem Netzwerken und den neuen Kontakten ebenfalls sehr bis weitgehend zu- frieden zu sein. 94% der Teilnehmenden der Fachrunde „Zugang zur Arbeit verbessern“ stimmten mindestens der Aussage zu, wichtige/weiterführende Informationen erhalten und das Wissen erweitert zu haben. Ähnliche positive Ergebnisse sind auch aus den durchgeführten Fortbildungen zu berichten. 5. Wie bewertet der Senat selbst die Ergebnisse des Projekts „Trans* in Arbeit“? 6. Welche Wirkungen hat das Projekt auch nach sei- ner formalen Beendigung bis zum heutigen Tag und auch für die Zukunft? Zu 5. und 6.: Der Senat ist der Auffassung, dass in kürzester Zeit mit dem Projekt wichtige und nachhaltige Impulse gesetzt werden konnten. Im Rahmen des Projek- tes wurden Informations- und Aufklärungsmaterialien entwickelt und verbreitet und damit Wissenslücken bei Schlüsselpersonen im Bereich Arbeit und Beruf geschlos- sen. Der Berliner Senat ist zuversichtlich, dass die ent- standenen Netzwerke weitere Synergieeffekte erzielen werden und die teilnehmenden Unternehmen, Verwaltun- gen und Job-Center entsprechende Maßnahmen zur Ver- besserung der Situation von transgeschlechtlichen Men- schen in der Arbeitswelt entwickeln und einleiten werden. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 012 3 Darüber hinaus wird die im Rahmen des Projektes Trans* in Arbeit entstandene Wanderausstellung dazu beitragen, die Sichtbarkeit von Trans*Menschen in Un- ternehmen und anderen Organisationsstrukturen zu erhö- hen sowie transgeschlechtliche Beschäftigte ermutigen, mit ihrer Transgeschlechtlichkeit am Arbeitsplatz offen oder offener umzugehen. Ein weiterer, bedeutsamer Effekt des Projektes ist da- rin zu sehen, dass sich vermehrt Trans*Menschen auf- grund erlebter Diskriminierung in der Arbeitswelt an die LADS bzw. das von ihr zuwendungsgeförderte Antidis- kriminierungsprojekt „Stand-Up“ der Schwulenberatung gGmbH gewendet haben. Die entwickelten, zielgruppen- spezifischen Informationsmaterialen konnten auch hierbei mit unterstützender und empowernder Wirkung eingesetzt werden. Auch war die entstandene Vernetzung der Pro- jektbeteiligten untereinander, die insbesondere im Kon- text der intensiven Arbeit in den themenspezifischen Fachrunden entstanden ist, in diesen Prozessen von großer Bedeutung für die Ratsuchenden. Im Rahmen des Projekts wurde auch eine Expertise zu „Diskriminierungspotentialen gegenüber trans- und intergeschlechtlichen Menschen im deutschen Recht“ erstellt. Die Bestandsaufnahme kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere in den Feldern der binären Geschlechterre- gistrierung ein komplexes Geflecht von Gesetzen, Ver- ordnungen und Bestimmungen besteht, das einen Persön- lichkeitsschutz im Sinne des Offenbarungsverbots des Transsexuellengesetzes und eine Umsetzung des seit 01.11.2013 bestehenden § 22, Art. 3 Personenstandsge- setz (Eintragung in das Geburtenregister ohne Ge- schlechtsangabe) vor erhebliche Herausforderungen stellt. Des Weiteren werden zahlreiche Diskriminierungen auf dem Lebensweg als mittelbare Wirkung bestehender Gesetze und Verordnungen identifiziert. Aufbauend auf der Identifikation von Diskriminierungspotentialen wer- den erste Empfehlungen für rechtliche Reformbedarfe skizziert, die geeignet sind, trans- und intergeschlechtli- che Menschen in ihren Selbstbestimmungsrechten zu stärken. Dabei wird auch auf Beispiele im internationalen Vergleich hingewiesen (z.B. Akzeptanz eines dritten Geschlechts in Australien, Neuseeland und Indien; freie Entscheidung zwischen „männlich“ und „weiblich“ ohne medizinische und juristische Intervention in Argentinien). 7. Sind im Ergebnis der Projektdurchführung Überle- gungen zu weiteren (bzw. Folge-) Projekten angestellt worden und worin münden diese Überlegungen gegebe- nenfalls perspektivisch? Zu 7.: Das Projekt und seine Maßnahmen waren für den Zeitraum für ein Jahr konzipiert. Der Berliner Senat prüft zurzeit die Möglichkeit eines Folgeprojekts über Drittmittel, das insbesondere stärker auf klein- und mittle- re Unternehmen sowie weitere Teile der Verwaltung abzielen und good-practice Beispiele und konkrete In- strumente in den Mittelpunkt stellen könnte. Berlin, den 1. Juli 2014 In Vertretung Barbara Loth Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 03. Juli 2014)