Drucksache 17 / 14 022 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ina Czyborra (SPD) vom 12. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Juni 2014) und Antwort 5 Meter hohe Lärmschutzwände auf dem Gelände einer Jugendfreizeiteinrichtung in Zehlendorf: Ist es die Zukunft, unsere Kinder einzumauern oder nur eine Lex-Dahlem? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Warum werden in Zehlendorf - bezahlt vom Investor aber auf dem Gelände einer Jugendfreizeitein- richtung - 5 Meter hohe Lärmschutzwände errichtet, um die Jugendeinrichtung vor Lärmschutzklagen zukünftiger Anwohner zu schützen. Antwort zu 1: Die Entscheidung wurde vom bezirkli- chen Fachamt auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen getroffen. Das Heranrücken an vorhandene Lärmquellen war vor dem Hintergrund einer Nutzung gut erschlossener innerstädtischer Flächen schon bislang unverzichtbar und wird durch den steigenden Bedarf nach Wohnungen standortabhängig immer unvermeidbarer. Im vorliegen- den Fall verpflichtete der Bauherr der heranrückenden Wohnbebauung sich im Sinne der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme in beiderseitigem Interesse zum Bau einer 5 m hohen Schallschutzwand. Es handelt sich hier- bei um eine Anlage i.S. der bundesrechtlichen Regelung nach § 9 Abs.1 Nr. 24 Baugesetzbuch (BauGB). Die Wirksamkeit einer Lärmschutzwand hängt insbe- sondere von der Beschaffenheit, der Höhe und dem Ab- stand von der Lärmquelle ab. Je näher die Wand an der Lärmquelle liegt, desto größer ist der Bereich, indem es zu einer Lärmreduktion kommt. Um einen möglichst effektiven Immissionsschutz zu erzielen, wurde der vom Gutachter vorgeschlagene Standort für die Schallschutz- wand und deren Ausführung vertraglich fixiert. Frage 2: Werden in Zukunft mehr und mehr Jugend- einrichtungen auf diese Art und Weise geschützt werden müssen? Antwort zu 2: Inwieweit Lärmschutzvorkehrungen in Beachtung des gegenseitigen Rücksichtnahmegebots erforderlich sein werden, hängt von der Betrachtung des Einzelfalls ab und wird letztendlich jeweils anhand der konkreten örtlichen Gegebenheiten zu entscheiden sein. Frage 3: Wie ist der gesetzlich privilegierte Kinder- lärm von Geräuschentwicklung durch die auch sportliche Nutzung von Außenanlagen von Jugendfreizeitheimen zu unterscheiden? Antwort zu 3: Geräuschimmissionen, die von Kindern verursacht werden, sind durch gesetzliche Regelungen in § 22 Abs. 1a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) sowie in § 6 Abs. 1 des Landes-Immissions- schutzgesetzes Berlin (LImSchG Bln) auf Grund gesell- schafts- und sozialpolitischer Erwägungen privilegiert. Sie werden gesetzlich als sozialadäquat und damit im Regelfall als zumutbar bewertet. Erfasst werden solche Geräusche, die durch kindliche Laute einschließlich kör- perlicher Aktivitäten mit Spiel- oder Sportgeräten und das Rufen bzw. Sprechen von Betreuungspersonen verursacht werden. Dabei erstreckt sich die angeführte gesetzliche Privilegierung nur auf Kinder, und damit auf Menschen, die noch nicht 14 Jahre alt sind. Die genutzten Anlagen müssen dem Stand der Technik entsprechen. Nicht von dieser Privilegierung erfasst werden dage- gen Sportanlagen. Diese unterliegen der Sportanlagen- lärmschutzverordnung (18. BImSchV), soweit sie zur Sportausübung benutzt werden. Das Leitbild, das der Verordnung dabei zu Grunde liegt, ist eine Sportanlage, die dem Vereinssport, Schulsport oder vergleichbar orga- nisiertem Freizeitsport dient. Von der Sportanlagenlärm- schutzverordnung nicht erfasst werden hingegen klein- räumige Anlagen, die auf unorganisierte, ohne nennens- werte Beteiligung von Zuschauerinnen und Zuschauern und ohne Schiedsrichter- oder Sportaufsicht stattfindende körperlich-spielerische Aktivitäten zugeschnitten sind. Derartige Anlagen wie z.B. Bolzplätze oder Skateboar- danlagen werden nach der Freizeitlärm-Richtlinie beur- teilt und bewertet (vgl. Anlage 1 der Ausführungsvor- schriften zum Landes-Immissionsschutzgesetz Berlin vom 10. Juli 2013, Amtsblatt [ABl.] S. 1619). Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 022 2 Sollten Jugendfreizeiteinrichtungen über Sportanlagen im Sinne der Sportanlagenlärmschutzverordnung verfü- gen, so werden die bei ihrer Benutzung zum Zwecke des Sports verursachten Geräuschimmissionen nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung beurteilt und bewer- tet. Soweit sie von Kindern für körperlich-spielerische Aktivitäten benutzt werden, greift hingegen die Privile- gierung in § 22 Abs. 1a BImSchG. Werden Einrichtungen sowohl von Kindern als auch von Jugendlichen benutzt, kann es daher zu Schwierigkei- ten bei der rechtlichen Bewertung der Geräuschimmissio- nen kommen. Um dem Entfaltungsbedürfnis von Jugend- lichen Rechnung zu tragen, hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in Nr. 6 Abs. 5 der Aus- führungsvorschriften zum Landes-Immissionsschutzge- setz Berlin vom 10. Juli 2013 jedoch bestimmt, dass auch die Benutzung von Ballspielplätzen (Bolzplätze) durch Jugendliche im Zeitraum werktags von 8:00 bis 20:00 sowie sonn- und feiertags von 9:00 bis 13:00 und 15:00 bis 20:00 Uhr als regelmäßig sozialadäquat zu bewerten ist, wenn die Einrichtungen dem Stand der Technik ent- sprechen. Frage 4: Welche Alternativen gibt es bei Neubau von Wohnungen bestehende Jugendeinrichtungen vor erfolg- reichen Anwohnerlärmschutzklagen zu bewahren? Zum Beispiel städtebauliche Verträge, Bebauungspläne, be- schränkte dingliche Rechte und anderes. Antwort zu 4: Wie zu 1. Dargelegt, gewinnt die Prob- lematik der „heranrückenden Wohnbebauung“ zunehmend an Bedeutung. Im Rahmen der verbindlichen Bau- leitplanung sind gegenseitige Interessenlagen abwägungs- gerecht zu bewältigen. Dazu bedarf es bei einer Verfesti- gung der Planungsinhalte der Prüfung, inwieweit im Rahmen des Rücksichtnahmegebots – welches auf Gegenseitigkeit angelegt ist - ein Wohnungsbauvorhaben, hinsichtlich der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Nachbarschaft, lagegünstig umgesetzt werden kann. Vereinbarungen mit Nachbarinnen und Nachbarn, ge- sichert durch eine öffentlich-rechtliche Baulast oder eine privatrechtliche Dienstbarkeit, kommen zur Klarstellung und langfristigen Absicherung der im jeweiligen Einzel- fall gefundenen Konfliktlösung in Betracht. Frage 5: Was kann Berlin tun, um Kindern- und Ju- gendlichen die für ihre gesunde Entwicklung dringend benötigten wohnortnahen Freiflächen und Zugang zu Licht und Luft auch niedrigschwellig anzubieten. Antwort zu 5: Berlin kann durch die Aufstellung von Bebauungsplänen die entsprechenden Flächen planungs- rechtlich langfristig sichern. Berlin, den 08. Juli 2014 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Juli 2014)