Drucksache 17 / 14 024 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Lars Oberg (SPD) vom 18. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 19. Juni 2014) und Antwort Verwendung zusätzlicher Mittel gegen homophobe Gewalt Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Im Haushalt 2014/15 wurden je 50.000 Euro Ver- stärkung für die Antigewaltarbeit des Fachbereichs für gleichgeschlechtliche Lebensweisen zusätzlich bereitge- stellt. Diese wurden zu fünfzig Prozent zwischen der Lesbenberatung und dem schwulen Antigewaltprojekt Maneo aufgeteilt. Was sind die Gründe für diese Ent- scheidung? Zu 1.: Die Antigewaltarbeit ist ein Schwerpunkt der Weiterentwicklung der Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ (ISV) des Senats. Aktuelle wissenschaftliche Studien zu homo- und transphob motivierten Gewalttaten gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle und transgeschlechtliche Menschen (LSBT) und deren Diskriminierungserfahrun- gen sowie die Evaluationsergebnisse zur ISV bilden hier- für eine Grundlage. Die durch den Fachbereich für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) bereits vor der Auflegung des Maßnahmenpakets zur Bekämpfung von Homo- und Transphobie umgesetzte Förderpolitik des Senats fließt in die in der ISV zugrunde liegende Strategie ein. Ein wesentlicher Ansatz dieser Strategie ist der Abbau struktureller Ursachen für homo- und transphob motivierte Gewalt. Zu den strukturellen Ursachen gehört nach wie vor der unterschiedlich veran- kerte gesellschaftliche und soziale Status von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*- und intergeschlechtlichen Menschen. Der Senat von Berlin ist davon überzeugt, dass eine erfolgreiche Bekämpfung von Gewalt gegen diese Perso- nen dann nachhaltig gelingen kann, wenn sich die finan- zielle Förderung nicht nur an quantitativ ausgerichteten Bedarfen, wie z.B. dem Fallaufkommen, orientiert, son- dern auch qualitative Gründe berücksichtigt, aus denen sich spezifische Bedarfslagen und Vulnerabilitäten unter- schiedlicher Zielgruppen ableiten lassen. Diese stehen in engem Zusammenhang mit den oben ausgeführten struk- turellen Gegebenheiten. Das Antigewaltprojekt „Maneo“ hat seit Jahren den Bedarf nach einer zusätzlichen halben Personalstelle auf verschiedenen Wegen deutlich gemacht und diesen insbe- sondere mit hohen Beratungsanfragen bzw. Fallzahlen und einem entsprechend hohen Aufkommen an Bera- tungskontakten und der Notwendigkeit, die Präventions- arbeit zu intensivieren, unterlegt. Das Regelangebot des Projektes wird hier durch den Senat mit der für den Dop- pelhaushalt 2014/2015 vorgesehenen Erhöhung der Zu- wendungssumme um 25.000 € auf nun 115.000 € jährlich finanziell verstärkt, vorbehaltlich der endgültigen Bewil- ligung durch die Bewilligungsstelle. Das Projekt „LesMigraS“ der Lesbenberatung Berlin belegt in den Sachberichten der letzten Jahre, dass neben steigenden Fallzahlen, die Beratungsanforderungen zu- nehmend komplexer und das Casemanagement umfang- reicher werden. Insbesondere transgeschlechtliche Men- schen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und jene, die einen den allgemeinen Erwartungen nicht ent- sprechenden Geschlechtsausdruck für sich beanspruchen, sind aus fachlicher Perspektive hierbei als eine in hohem Maß vulnerable Gruppe für Gewalt und Diskriminierung zu betrachten. Kommen weitere Diskriminierungsdimen- sionen, wie insbesondere ethnische Herkunft/Hautfarbe oder Religion und Fluchtgeschichte oder auch zum Bei- spiel Tätigkeiten wie Sexarbeit hinzu, kann die Gefähr- dungslage kulminieren, wie zum Beispiel auch die öffent- lich bekannt gewordenen Gewaltvorfälle in Berlin aus dem vergangenen Jahr verdeutlichen. Es hat sich gezeigt, dass für diese Zielgruppe die Ansprache verändert werden muss, um ihnen Unterstützung und Begleitung bieten zu können. Ein Ansatz hierfür ist die aufsuchende Antige- waltarbeit, wie sie bereits von der Lesbenberatung durch- geführt wurde, ohne dass bislang hierfür eine finanzielle Untersetzung vorhanden gewesen wäre. Die Lesbenbera- tung betreibt zudem intensive fachliche Vernetzungsarbeit im Kontext der Opferhilfe und Antigewaltarbeit mit zahl- reichen zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen und Projekten, nicht nur innerhalb der LSBTI-Community, sondern auch darüber hinaus. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 024 2 Neben der Verstärkung der allgemeinen lesben- und trans*spezifischen Antigewaltarbeit, betrachtet der Senat die Erweiterung des Regelangebots des Projektes LesMig- raS – wie oben erläutert – als dringend notwendig und sieht vor, die Zuwendungssumme für das Projekt um 25.000 € auf 60.000 € zu erhöhen, vorbehaltlich der endgültigen Bewilligung durch die Bewilligungsstelle. Der Senat kommt hiermit der Weiterentwicklung der ISV im Schwerpunkt Antigewaltarbeit für alle Zielgrup- pen des LSBT-Spektrums nach. Abb. 1: Überblick über die Entwicklung der Zuwendungssummen in €/gerundet Projekt 2008 2009 2010 2011 2012 2013 vorauss. 2014 LesMigraS gewährte Zuwen- dungssumme 16.000 16.000 35.000 35.000 35.000 35.000 60.000 zusätzlich gewährte Verstärkungsmittel 2.000 - - - - 12.000 Maneo gewährte Zuwen- dungssumme 66.000 71.000 90.000 90.000 90.000 90.000 115.000 zusätzlich gewährte Verstärkungsmittel - - - - 7.900 10.000 2. Wie viele lesben- bzw. schwulenfeindliche Ge- walttaten wurden 2012 und 2013 jeweils der Lesbenbera- tung bzw. Maneo in 2012 und 2013 gemeldet? 3. Wie viele Beratungswünsche im Zusammenhang mit Gewalttaten erreichten jeweils die Lesbenberatung bzw. Maneo in diesem Zeitraum? Zu 2.und 3.: Zu 2. Ist voranzustellen, dass den Projek- ten neben sog. „lesbenfeindlichen“ und „schwulenfeindlichen “ auch transphob motivierte Gewalttaten gemeldet werden. Abb. 2: Gemeldete Gewalttaten Projekt 2012 2013 LesMigraS Im Sachbericht angegebene, gemeldete (neue) Gewalttaten 104 118 Maneo Im Sachbericht angegebene, gemeldete (neue) Gewalttaten 474 511 Die in Abb 2. angegebenen Zahlen entsprechen den Angaben im jährlichen Sachbericht der Projekte. Sie geben an, wie viele von Gewalt betroffene Personen sich über das Regelangebot an die Projekte gewendet haben sowie bei Vor-Ort-Aktionen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Projekte ins Gespräch kamen. Die aus diesen Kontakten hervorgehenden Beratungsgespräche können einmalig, aber auch mehrmalig stattfinden bis hin zu Beratungsserien und unterschiedlich komplexem Casemanagement, in das weitere Personen eingebunden werden. Diese Zahlen jedoch werden darüber hinaus als Nutzer- bzw. Nutzerinnenkontakte in einer eigenen Tabel- le erfasst und können entsprechend höher liegen, da hier bei jeder einzelne Kontakt erfasst wird, auch, wenn es sich dabei um die gleiche Person handelt oder auch um Personen, zu denen z.B. im Rahmen des Casemanage- ments Kontakte entstehen. Abb. 3: Von Gewalt betroffene Personen, die sich an die Projekte gewendet haben Projekt 2012 2013 LesMigraS - im Kontext des Regelangebots per Telefon, per Fax, E-Mail bzw. in den Projekträumen 450 458 - bei Vor-Ort-Aktionen 87 58 Maneo - im Kontext des Regelangebots per Telefon, per Fax, E-Mail bzw. in den Projekträumen 370 364 - bei Vor-Ort-Aktionen 433 412 4. Wie beurteilt die Senatsverwaltung die jeweilige Zusammenarbeit der Lesbenberatung und von Maneo mit der Polizei? Zu 4.: Der Senat beurteilt die Zusammenarbeit von Maneo mit der Polizei sowie mit den Ansprechpersonen für LSBT bei der Staatsanwaltschaft als ausgesprochen positiv. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 024 3 Die Zusammenarbeit von LesMigraS mit der Polizei wird auf der Ebene der Vertrauensbildung weiter ausge- baut. Um dies zu befördern ist – neben halbjährlich stattfindenden Fachgesprächen unter Beteiligung der LADS – eine Fachrunde mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Lesbenberatung vorgesehen, zu der die LADS einladen wird. Darüber hinaus ist die Organisation eines Seminars für Beraterinnen und Berater mit der Beschwer- destelle beim Polizeipräsidenten in Berlin vorgesehen, das durch die Lesbenberatung e.V./ LesMigraS unterstützt wird. 5. Wie wird diese Zusammenarbeit von der Polizei selbst beurteilt? Zu 5.: Zu beiden genannten Projekten besteht ein Kontakt bzw. eine Zusammenarbeit mit den Ansprechper- sonen für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Polizei Berlin. Die Polizei Berlin führt regelmäßig Präventionseinsät- ze gemeinsam mit Maneo in Gebieten der Lesben-, Schwulen-, Bi*-, Trans*-Szene (LSBT) durch. Maneo unterstützt darüber hinaus seit vielen Jahren die Ausbil- dung zum mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst sowie Fortbildungen in Polizeidienststellen. Inhaltlich werden hierbei unter anderem die Themen Hasskriminali- tät gegen die sexuelle Orientierung, LSBT-Szenegebiete, Umgang mit Trans* sowie Opferschutz vermittelt. Au- ßerdem werden gemeinsame Informationsveranstaltungen zur Sensibilisierung und Aufklärung der LSBT- Community durchgeführt. Zwischen Maneo, den polizeilichen Ansprechpartnern und der Ansprechpartnerin bzw. der Ansprechpartnerin und dem Ansprechpartner der Staatsanwaltschaft Berlin für LSBT besteht ebenfalls ein aktiver Austausch. Die Polizei Berlin ist Kooperationspartner in diversen, von Maneo initiierten Präventionskampagnen und Bündnis- partner bspw. im von Maneo gegründeten Berliner Tole- ranzbündnis. Vor diesem Hintergrund wird die Zusam- menarbeit als sehr gut und nachhaltig angesehen. Die Zusammenarbeit mit der Lesbenberatung/Les MigraS (Lesbische/bisexuelle Migrantinnen und Migran- ten und Schwarze Lesben und Trans*Menschen) findet schwerpunktmäßig im Rahmen regelmäßiger Gespräche gemeinsam mit der LADS statt. Eine Erweiterung der Zusammenarbeit wird von der Polizei Berlin weiterhin angestrebt. 6. Ist mit den zusätzlichen Mitteln bei Maneo eine ausreichende Beratung und Betreuung aller Opfer und Hilfesuchenden gewährleistet? Zu 6.: Dem Senat liegen keine belastbaren Zahlen über die Anzahl „aller Opfer und Hilfesuchenden“ vor. Berlin, den 04. Juli 2014 In Vertretung Barbara L o t h ______________________ Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Juli 2014)