Drucksache 17 / 14 049 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Birk (GRÜNE) vom 20. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Juni 2014) und Antwort Was macht das Koordinierungsgremium zur Geschichte von Lesben, Schwulen und transgeschlechtlichen Menschen? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wer sitzt im Koordinierungsgremium zur Geschich- te von Lesben, Schwulen und transgeschlechtlichen Men- schen, das von der Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen berufen wurde? Bitte namentlich aufführen, mit Nennung der Institution(en) und Fachrichtung(en), die diese Personen dort repräsentieren. 2. Durch wen und nach welchen Kriterien wurden die- se Personen ausgewählt? Wurde bei der Auswahl, ent- sprechend dem Grundgedanken der Initiative Sexuelle Vielfalt, die Zivilgesellschaft umfassend eingebunden? Wenn ja, wie sah diese Einbindung konkret aus? 3. Welche Fachrichtungen wurden ausgewählt? Wel- che Institutionen sind vertreten? Was sind die Gründe für diese Auswahl? 4. Werden die Mitglieder des Koordinierungsgremi- ums für ihre Tätigkeit entschädigt? Wenn ja, in welcher Höhe? Zu 1. bis 4.: Zum ersten Treffen des Koordinierungs- gremiums, das auf Grundlage eines Senatsbeschlusses vom 17.04.2012 (s. a. Begründung in der Vorlage zur Kenntnisnahme an das Abgeordnetenhaus, Drs. 17/0277) zur Abstimmung aller fachlich an der Thematik Beteilig- ten am 28.08.2012 von der Senatorin für Arbeit, Integra- tion und Frauen eingerichtet wurde, hat die Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung (LADS) Personen und Institutionen eingeladen, von denen bekannt war, dass sie über fachliche Expertise zu Fragen der jün- geren deutschen Geschichte mit Schwerpunkt Lesben, Schwule und transgeschlechtliche Menschen verfügen, Fachkräfte im Bereich Archivierung, Dokumentation, Forschung, Wiedergutmachung und Bildung sind oder aus anderen Gründen motiviert sind, an der Zielsetzung „Geschichte von Lesben, Schwulen und transgeschlechtlichen Menschen erforschen und dokumentieren“ mitzuarbeiten. Der Kreis der Teilnehmenden des Koordinierungsgremi- ums sowie der dazu entstandenen Arbeitsgruppen wurde bis zum 4. Treffen am 05.02.2014, basierend auf Hinwei- sen der Teilnehmenden, um weitere Personen und Institu- tionen erweitert. Das Gremium ist hochrangig besetzt mit Historikerinnen, Historikern und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderer Fachrichtungen (u.a. Psy- chologie, Soziologie, Geschichtsdidaktik). Geschichtsin- stitute der Berliner Universitäten sind ebenso vertreten wie Gedenkstätten, Museen, das Landesarchiv und die Bildungsverwaltung. Die Zivilgesellschaft ist durch Ver- eine, Archive und Einzelpersonen aus der LSBTI 1 - Community vertreten. Die Liste der Teilnehmenden im Einzelnen ist dem Zwischenbericht des Koordinierungs- gremiums zu entnehmen. Siehe: http://www.berlin.de/lb/ads/gglw/themen/index.html# geschichte Eine Entschädigung für die Sitzungsteilnahme erfolgt nicht. 5. Wurde die in Drs. 17/0277 angekündigte Koopera- tionsvereinbarung mit der Bundesstiftung Magnus Hirsch- feld bereits abgeschlossen? Wenn ja, was beinhaltet diese Kooperationsvereinbarung an finanziellen und/oder per- sonellen Leistungen des Landes Berlin? Wenn nein, wa- rum nicht und bis wann ist mit dem Abschluss einer sol- chen Vereinbarung zu rechnen? Zu 5.: Die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land Berlin und der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld wurde am 30.3.2014 im Rahmen einer Presseveranstal- tung abgeschlossen. Als weitere Kooperationspartner haben sich das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und die Humboldt-Universität, Forschungsstelle Archiv für Sexualwissenschaften, angeschlossen. Das Land Ber- lin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Arbeit, In- tegration und Frauen übernimmt demnach folgende Auf- gaben und Verantwortung, die z.T. mit nicht im Einzelnen 1 LSBTI= Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und interge- schlechtliche Menschen Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 049 2 bezifferten finanziellen Aufwendungen verbunden sind:  Geschäftsführung des Koordinierungsgremiums maximal 2 Treffen pro Jahr  Koordination der Beiträge zum Konzept, redaktionelle Begleitung und Veröffentlichung  Prüfung einer finanziellen Teilförderung einzelner Projekte im jeweiligen Haushaltsjahr nach Maßga- be der haushaltsrechtlichen Vorschriften des Lan- des Berlin im Rahmen zur Verfügung stehender Haushaltsmittel  Mitarbeit in der Projektgruppe „Archiv der anderen Erinnerungen“ und weiteren Arbeitsgruppen, ca. 4 Treffen pro Jahr  Beauftragung der Erstellung zweier Expertisen zu Aspekten der Erforschung gesellschaftlicher Aus- grenzung und Diskriminierung lesbischer Frauen (2014) und transgeschlechtlicher Menschen (2015) Der vollständige Text der Kooperationsvereinbarung ist ebenfalls unter dem o.g. Internet-LINK veröffentlicht. 6. Welche konkreten Schritte hat der Senat unter- nommen, um die in Drs. 17/0277 erwähnten Aktenbe- stände mit Bezug zu §§ 175, 175a StGB und 151 StGB (DDR) zu sichern und der Kommission zugänglich zu machen? 10. In Drs. 17/13077 schreibt der Senat, dass die „Westberliner Justizakten zu Verfahren nach den §§ 175 und 175a Strafgesetzbuch aus den 1950er und 1960er Jahren nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen weitgehend vernichtet wurden“. Welche Erkenntnisse haben der Senat bzw. das Koordinierungsgremium zum Verbleib der Ost- berliner Justizakten zu Verfahren nach den §§ 175 und 175a bzw. ab 1968 zu Verfahren nach § 151 StGB-DDR? Zu 6. und 10.: Wie bereits in der Drs. 17/13077 ausge- führt, haben die Recherchen des Senats ergeben, dass die relevanten Westberliner Justizakten weitgehend vernichtet wurden. Der gesamte Bestand an DDR-Strafakten des Landes Berlin wurde nach der Wiedervereinigung von der Staatsanwaltschaft Berlin übernommen und archiviert. Vorhanden sind alle Akten sowie die Aktenkartei, in der sich nach Namen aber nicht nach Delikten suchen lässt. Daher kann die Frage, ob Akten mit Bezug zu den §§ 175 und 175a bzw. ab 1968 zu § 151 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vorhanden sind, nicht beantwortet werden. Auf die gesicherten DDR- Strafakten kann über das Archiv Westhafen der Staatsan- waltschaft Berlin Zugriff genommen werden. Hier wird die Kartei zu den DDR-Akten geführt, über die gezielt auf einzelne Akten zugegriffen werden kann. Die Akten selbst befinden sich in einem Lager in Großbeeren und werden vom Archiv Westhafen der Staatsanwaltschaft Berlin bei Bedarf von dort angefordert. 7. In Drs. 17/13077 erklärte der Senat, dass der Zwi- schenbericht des Koordinierungsgremiums den ersten Teil des Konzeptes „zur Förderung der berlinbezogenen Erforschung und Dokumentation der strafrechtlichen Verfol- gung homosexueller Männer und der Diskriminierung von Lesben, Schwulen und transgeschlechtlichen Menschen in der frühen Bundesrepublik und der DDR“ bilden sollte. Dieser Zwischenbericht wurde laut Antwort des Senates am 10. Februar beschlossen und sollte „in Kürze“ auf der Internetseite der LADS veröffentlicht werden. Wann ist konkret mit dieser Veröffentlichung zu rechnen? 8. Da dies der erste Teil des angekündigten Konzeptes ist: Welche weiteren Teile sind in welchem Zeitrahmen zu erwarten? Inwieweit wird bei weiteren Teilen auch die Geschichte von Lesben, transgeschlechtlichen und inter- sexuellen Menschen betrachtet? 9. Sind für dieses Konzept Kosten zu erwarten? Wenn ja, in welcher Höhe, und in welchem Haushaltstitel wur- den sie abgebildet? Zu 7. bis 9.: Der Zwischenbericht des Gremiums wur- de zwischenzeitlich veröffentlicht (siehe Antwort zu den Fragen 1 bis 4). Dem Bericht ist zu entnehmen, dass Kon- zeptentwicklung und Umsetzung erster dringender Schrit- te bereits Hand in Hand gehen. Das Gremium hat am 5.2.2014 beschlossen, seine Arbeit mit bis zu zwei jährli- chen Treffen fortzusetzen und in die Zielsetzung auch die Personengruppe der intergeschlechtlichen Menschen aufzunehmen. Die Vorlage eines abschließenden Kon- zepts wurde bisher nicht terminiert. Bisher sind dem Land Berlin für die Umsetzung der Beschlüsse der Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ (Drs.16/2291) zur Geschichtsdokumentation und -bildung seit 2010 jährliche Ausgaben von durchschnittlich ca. 27.000 € entstanden. Sie wurden aus den im Kapitel 0900 in den Personal-, Dienstleistungs- und Zuwendungstiteln veranschlagten Ausgaben der LADS geleistet: 42801 011 – Entgelte der planmäßigen Tarifbeschäftigten (Anteilige Personalausgaben) 54010 011 – Dienstleistungen – Teilansatz Nr. 3 und 5 68406 290 – Zuschüsse an soziale und ähnliche Einrichtungen – Teilansatz Nr. 1 und 2 11. In Drs. 17/13077 schreibt der Senat: „Die Entwicklung von Vorschlägen für Maßnahmen des Landes Berlin zur gesellschaftlichen Rehabilitierung und Unter- stützung der Betroffenen konnte noch nicht begonnen werden.“ Wann ist mit einem Zeitplan zu rechnen? Wie gedenkt der Senat auf den Umstand zu reagieren, dass aufgrund des hohen Lebensalters des Großteils der Verur- teilten nach den §§ 175 und 175a StGB bzw. § 151 StGB- DDR bei der Findung einer Lösung Eile geboten ist? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 049 3 Zu 11.: Im Wissen darum, dass Eile geboten ist, um noch lebende schwule Männer, die von der Verfolgung und Verurteilung nach den §§ 175 und 175a betroffen waren, zu ermutigen, über ihre Erfahrungen zu berichten, und um ihre gesellschaftliche Rehabilitierung und Unter- stützung zügig zu realisieren, hat der Senat eine Priorität auf die Förderung des Starts des Zeitzeugen-/Zeitzeu- ginnenprojekts „Archiv der anderen Erinnerungen“ gelegt . Die Frage von Maßnahmen zur Rehabilitierung wird in Abstimmung mit den Kooperationspartnern zunächst in einem Fachgespräch zu erörtern sein. Berlin, den 07. Juli 2014 In Vertretung Barbara L o t h Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Juli 2014)