Drucksache 17 / 14 076 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Andreas Baum (PIRATEN) vom 18. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 25. Juni 2014) und Antwort Baustelle U8: Eingeschränkter Zugang zum Öffentlichen Nahverkehr durch unzu- reichende Ersatzverbindungen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: Frage 1: Aus welchen Gründen wurde für die seit Au- gust 2013 zwischen den Bahnhöfen Boddinstraße und Hermannstraße unterbrochene U-Bahnlinie 8 kein umfas- sender Schienenersatzverkehr eingerichtet? Frage 2: Hält der Senat die ersatzweise eingerichtete, im 15-Minuten-Takt verkehrende Buslinie 344 für ausrei- chend, um die Unterbrechung der ÖPNV-Anbindung für die Anwohnerinnen und Anwohner der umliegenden Quartiere aufzufangen? Frage 3: Aus welchem Grund wurde der M44, der im Unterbrechungszeitraum vom S-Bahnhof Hermannstraße kommend über die Emser Straße bis zum S-Bahnhof Neukölln führt, nicht über die Hermannstraße bis zum U- Bahnhof Boddinstraße verlängert, um eine zusätzliche Anbindung für die Anwohnerinnen und Anwohner herzu- stellen? Frage 4: Welche Bedarfsabschätzung in den Quartie- ren östlich und westlich des von der U-Bahn- Unterbrechung betroffenen Abschnitts der Hermannstraße liegt der Entscheidung zugrunde? Frage 5: Wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass in den anliegenden Quartieren überdurchschnittlich viele Einkommensarme und Erwerbslose sowie überdurch- schnittlich viele Kinder und Jugendliche leben, die auf eine funktionierende Anbindung an den öffentlichen Per- sonennahverkehr besonders angewiesen sind? Frage 6: Wie bewertet der Senat, dass die Bewohne- rinnen und Bewohner der betroffenen, dicht besiedelten Innenstadtquartiere – insbesondere Menschen mit Kinderwagen sowie Personen mit körperlichen Einschrän- kungen – für mindestens 12 Monate derart massive Einschränkungen in ihrem Zugang zum öffentlichen Perso- nennahverkehr hinnehmen müssen? Frage 7: Hat der Senat Maßnahmen geprüft, um den aktuellen Missständen abzuhelfen, und welche Maßnah- men sollen ergriffen werden? Antwort zu 1. bis 7.: Aufgrund festgestellter Schäden am Tunnel der U-Bahnlinie U8 am U-Bahnhof Leinestra- ße war im Sommer 2013 kurzfristig das Erfordernis einer umfangreichen Decken- und Tunnelsanierung in diesem Bereich festgestellt worden. Die Sanierung bedingte eine mehrmonatige Vollsperrung der Linie U8 im Streckenab- schnitt zwischen den Bahnhöfen Boddinstraße und Her- mannstraße. Die zeitnahe Streckensperrung erforderte eine kurz- fristige Abstimmung des Ersatzverkehrskonzeptes zwi- schen der BVG und dem ÖPNV-Aufgabenträger. Grund- sätzlich ist darauf hinzuweisen, dass Ersatzverkehrskon- zepte durch die Verkehrsunternehmen geplant und umge- setzt werden. Der ÖPNV-Aufgabenträger wird in der Regel vor der Umsetzung informiert und entsprechend der Regelungen des Verkehrsvertrags bei umfangreichen Maßnahmen in die Abstimmung miteinbezogen. Für die Bemessung des Platzangebotes von Ersatzver- kehrsangeboten gilt gemäß der durch das Land Berlin mit den Verkehrsunternehmen abgeschlossenen Verkehrsver- träge, dass die Ersatzverkehre entsprechend dem zu er- wartenden Verkehrsaufkommen zu dimensionieren sind. Dies gilt gleichfalls, wenn auf parallele Angebote zur Umfahrung verwiesen wird. Hierbei muss einerseits das lokale Quell- und Zielverkehrsaufkommen im gesperrten Bereich als auch das Aufkommen der durchfahrenden Fahrgäste berücksichtigt werden. Für die Sperrung der Linie U8 wurde ein Ersatzver- kehrskonzept abgestimmt, das Alternativen zur Umfah- rung der gesperrten Strecke als auch lokale zusätzliche Angebote vorsieht. Die Buslinie M44 wurde vom S- und U-Bahnhof Hermannstraße zum S- und U-Bahnhof Neukölln verlän- gert, um den durchfahrenden Fahrgästen mit einem Fahrt- ziel außerhalb des gesperrten Abschnitts eine schnelle Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 076 2 Umfahrung mit der Linie U7 zu ermöglichen und die erforderlichen Umsteigevorgänge zu reduzieren. Auf- grund der vor Beginn der Sperrung schwer einzuschät- zenden Straßenverkehrsverhältnisse in der Hermannstraße während der Baumaßnahmen wurde die Linie M44 nicht direkt in Richtung U-Bahnhof Hermannplatz verlängert. Die BVG befürchtete vor allem eine instabile Betriebs- führung mit negativen Auswirkungen auf die Pünktlich- keit der gesamten Linie M44 aufgrund des zu erwartenden Staus auf der Hermannstraße. Für die Anwohnerinnen und Anwohner im Umfeld des U-Bahnhofs Leinestraße ergaben sich durch die Sper- rung der Linie U8 längere Fußwege zur nächsten Schnell- bahnstation. Für Anwohnerinnen und Anwohner mit be- sonders langen Wegen zu alternativen Schnellbahnstatio- nen und vor allem für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste waren daher auf der Linie 344 zusätzliche Angebote vor- zusehen, um das lokale Quell- und Zielverkehrsaufkom- men zu bewältigen. Auf der Buslinie 344 wurden dement- sprechend der Takt verdichtet, größere Fahrzeuge einge- setzt und die Betriebszeiten ausgeweitet. Als Taktdichte war dabei zunächst ein 15-Minuten-Takt vorgesehen. Da im Voraus der Baumaßnahme jedoch nicht exakt abschätzbar war, wie stark sowohl die Umfahrungsalter- nativen als auch die lokalen zusätzlichen Angebote von den Fahrgästen in Anspruch genommen werden, wurde zwischen Aufgabenträger und BVG abgestimmt, dass die BVG die tatsächliche Nachfrage während der ersten Wo- chen nach Umsetzung des Ersatzverkehrskonzeptes beo- bachtet und bei auftretendem kapazitativen Handlungsbe- darf unmittelbar nachsteuert. In den ersten Wochen der U-Bahn-Sperrung zeigte sich, dass die angebotene Verlängerung der Linie M44 zum S- und U-Bahnhof Neukölln von den Fahrgästen nur schwach genutzt wurde. Dagegen wurden auf der Linie 344 aufgrund durchfahrender Fahrgäste zeitweise die Kapazitätsgrenzen überschritten. Der ÖPNV- Aufgabenträger hat die BVG daher bereits Ende des Jah- res 2013 zur Verbesserung der Information über die Um- fahrungsmöglichkeiten sowie zur Prüfung einer Anpas- sung der Ersatzverkehrskonzeption und einer Verdichtung der Verkehrsangebote entlang der Hermannstraße aufge- fordert. Insbesondere die kapazitative Situation in der Hermannstraße wurde seitens des Aufgabenträgers als wesentlicher Kritikpunkt gesehen. Die BVG teilte darauf- hin mit, dass sie konkrete Umsetzungsmöglichkeiten zur Verbesserung des Ersatzverkehrsangebots prüfen wird. Für eine dichtere Taktung des Busverkehrs durch die Hermannstraße wollte die BVG auch die Beantragung einer dortigen temporären Busspur prüfen, um den Bus- verkehr betrieblich stabiler abwickeln zu können. Die Beantragung einer solchen Busspur als auch die tatsächli- che Angebotsanpassung blieben jedoch aus. Der Aufgabenträger hat die BVG anschließend mehr- fach zu einer Nachsteuerung aufgefordert, ohne dass entsprechende Reaktionen seitens der BVG erfolgt sind. Zuletzt teilte die BVG mit, dass sie eine Anpassung der Ersatzverkehrskonzeption mit Verweis auf die Beendi- gung der U-Bahn-Sperrung in wenigen Monaten nicht mehr als sinnvoll ansehe (der U-Bahnverkehr soll nach Auskunft der BVG am 25.08.2014 - zunächst im 10- Minuten-Takt zwischen Boddinstraße und Hermannstraße - wieder aufgenommen werden). Der Aufgabenträger hält das Vorgehen der BVG in diesem Zusammenhang für nicht sachgerecht und hat diese Kritik gegenüber der BVG mehrfach zum Ausdruck gebracht. Der Aufgabenträger wird dieses zum Anlass nehmen, bei künftigen Maßnahmen vorherige Absprachen noch verbindlicher festzulegen und deren Einhaltung strikt einzufordern. Berlin, den 07. Juli 2014 In Vertretung C h r i s t i a n G a e b l e r ................................ Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 15. Juli 2014)