Drucksache 17 / 14 083 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE) vom 26. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 26. Juni 2014) und Antwort Der Berliner Kinderschutz vor dem Kollaps – wer ist dafür tatsächlich verantwortlich? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Können die Berliner Bezirke ihre Haushalte selbst aufstellen oder sind die bezirklichen Haushalte Teil des Berliner Gesamthaushaltes? 2. Von wem erhalten die Berliner Bezirke ihre jeweiligen Haushaltsmittel, über die sie dann im Rahme dieser Zuweisungen beraten dürfen? 3. Nach welcher Logik erfolgt die Globalsummenzuweisung an einen Bezirk im Rahmen der jeweiligen Haushaltsaufstellung, d.h. was ist ausschlaggebend dafür, dass ein Bezirk eine bestimmte Summe X erhält? 4. Wer beschließt schlussendlich über die Haushalte der Berliner Bezirke? 5. Wer weist die Mittel zu und beschließt darüber, wie viele Mittel für Personal die Bezirke für die jeweili- gen Haushaltsjahre erhalten? 7. Wie hoch ist der jeweilige Anteil einer Globalsumme für einen bezirklichen Haushalt (bitte in Prozenten angeben), um eigene politische Schwerpunkte setzen zu können, neben der Erfüllung staatlicher Pflichtaufgaben? 14. Welche finanziellen Spielräume haben die Berliner Bezirke selbst zu entscheiden, welche Aufgaben sie im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe tatsächlich freiwillig wahrnehmen können – wie hoch ist der dafür vorgesehene Teil in der jeweiligen Globalsummenzuweisung? Zu 1. bis 5., 7. und 14.:Entsprechend der in der Lan- desverfassung verankerten Globalsummenverantwortung (Art. 85 II VvB) finanzieren sich die Bezirke vorrangig über die Globalsumme, die vom Haushaltsgesetzgeber als Teil des Berliner Landeshaushaltes beschlossen wird. Die Globalsummenberechnung erfolgt überwiegend nach dem Prinzip der Produktbudgetierung, die auf den Ergebnissen der Kosten-/Leistungsrechnung (KLR) und entsprechenden zwischenbezirklichen Benchmarks auf- baut („Berliner Budgetierung“). Darin sind auch Produkte mit individuellem Rechtsanspruchscharakter oder mit objektivem Gewährleistungsanspruch enthalten. Eine systematische Unterscheidung in „Pflichtprodukte “ und „Schwerpunktsetzungsprodukte“ ist in der KLR weder vorgesehen noch hinterlegt, zumal die Frage der Steuerbarkeit von Produktkosten deutlich differenzierter zu betrachten ist. Daher kann die Globalsumme auch nicht in einen „Anteil zur Erfüllung staatlicher Pflichtaufgaben “ und einen „Anteil für die bezirkliche Schwerpunktsetzung “ aufgeteilt werden. Ebenso wenig wird die Globalsumme zentral in verschiedene Ausgabe- /Kostenblöcke wie z.B. Personal unterschieden. Die Ent- scheidung über die Veranschlagung von Personalmitteln erfolgt allein durch die Bezirke im Rahmen ihrer Global- summenverantwortung. Auf Basis Globalsummen-Zuweisung sowie zusätzli- cher eigener Einnahmen stellt jeder Bezirk eigenverant- wortlich einen Bezirkshaushaltsplan-Entwurf auf, der zunächst von der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beschlossen wird. Die Bezirkshaushaltspläne sind Teil des Haushaltsgesetzes und damit auch des Berliner Landes- haushalts. Sie unterliegen der abschließenden Beschluss- fassung durch das Abgeordnetenhaus. 6. Wer bestimmt darüber, welche Aufgaben die Bezir- ke zu erfüllen haben? Zu 6.: „Die aufgabenmäßige Zuständigkeit der Bezirke ist vom Gesetzgeber durch das „Gesetz über die Zuständigkeiten in der allgemeinen Berliner Verwaltung (Allgemeines Zuständigkeitsgesetz – AZG)“ geregelt“. 8. Wer hat die Reduktion auf 20.000 Vollzeitäquivalente in den Bezirken beschlossen? Zu 8.: Die Personalzielzahl 20.000 Vollzeitäquivalen- te (VZÄ) für die Bezirke ist Bestandteil der am 12. Januar Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 083 2 2012 vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Richtlinien der Regierungspolitik (Drucksache Nr. 17/0077). Dort heißt es im XXI. Abschnitt Finanzen unter Nr. 3 Perso- nalhaushalt: „Der Senat wird den Personalbestand der Berliner Verwaltung aufgabengerecht reduzieren; Zielzahl ist 100.000 Vollzeitäquivalente (ohne Eigenbetriebe und Personalüberhang), davon 80.000 bei der Hauptverwal- tung/nachgeordneten Einrichtungen und 20.000 bei den Bezirken.“ 9. Um welchen Prozentsatz bei der jeweiligen Haus- haltsplanaufstellung wurden die Mittel für das Personal in den Bezirken 2012, 2013 und 2014 reduziert? Zu 9.: Der Teilplafond ‚Personal‘ für die Bezirke wurde in den Jahren 2012, 2013 und 2014 planmäßig jeweils um 1,3 Prozent reduziert. Tatsächlich betrug die Reduzie- rung in 2012 2 Prozent. Die Differenz im Jahr 2012 in Höhe von 0,7 Prozent wird den Bezirken vereinbarungs- gemäß 2016 ausgeglichen. 10. Wie viele Vollzeitäquivalente mussten bzw. müs- sen die einzelnen Bezirke seit 2011 einsparen? Zu 10.: Die Begrenzung der bezirklichen Personalaus- stattung auf 20.000 VZÄ bedeutet eine Reduzierung um 1.457 VZÄ. In den Jahren 2012 und 2013 wurden insge- samt 525 VZÄ abgebaut. 11. Welche Möglichkeiten haben die Bezirke, um eigene Mittel für ihren Haushalt einzunehmen, wie hoch waren diese Einnahmen pro Bezirk in den Jahren 2011, 2012 und 2013? Zu 11.: Die im Bezirkshaushalt veranschlagten Ein- nahmen entfallen überwiegend auf die Globalsummenzu- weisung (rund 5,9 Mrd. € in 2013). Darüber hinaus haben die Bezirke in den letzten drei Jahren weitere Einnahmen im Umfang von jährlich 1,2 bis 1,5 Mrd. € realisieren können. Wie sich diese Einnahmen auf die einzelnen Bezirke verteilen kann der beigefügten Anlage entnom- men werden. Ein wesentlicher Teil der genannten Einnahmen fließt gemäß § 26a Abs. 2 Landeshaushaltsordnung (LHO) in die Berechnung der Globalsummenzuweisung ein (sog. Einnahmevorgabe). Als „Zusatzeinnahme“ verbleiben den Bezirken in 2013 rund 192 Mio. €. 12. Wie hoch waren die Ausgaben für die Hilfen zur Erziehung in den Jahren 2011, 2012 und 2013 pro Bezirk? Zu 12.: Die Transferausgaben Hilfe zur Erziehung (HzE) nach § 27 ff SGB VIII, Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII sowie Inobhutnahme (Kapitel 4042) betru- gen 2011 ca. 412,7 Mio., 2012 ca. 421,5 Mio. € und 2013 ca. 441,1 Mio. €. 13. Wer bestimmt darüber, welche Aufgaben die bezirklichen Jugendämter zu erfüllen haben? Zu 13.: Die Aufgaben der bezirklichen Jugendämter als Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind im Bundes- recht (insb. Sozialgesetzbuch VIII) und im ausführenden Landesrecht festgelegt (insbesondere Gesetz zur Ausfüh- rung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG) und das Kindertagesförderungsgesetz (KitaFöG)). 15. Wie groß ist der Anteil an staatlichen Pflichtauf- gaben in der Kinder- und Jugendhilfe in den Bezirken im Vergleich zu dem Teil der freiwilligen Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe? Zu 15.: Der Begriff der sog. „freiwilligen Leistungen“ ist dem Kinder- und Jugendhilferecht fremd. Auch Leis- tungen, auf die kein individueller Rechtsanspruch besteht sind insoweit verpflichtend, als es sich dann um eine objektiv-rechtliche Gewährleistungsverpflichtung handelt. Die öffentlichen Träger der Jugendhilfe sind im Rahmen ihrer Zuständigkeiten verpflichtet, alle im SGB VIII vor- gesehenen Leistungen und Maßnahmen sicherzustellen (vgl. § 79 SGB VIII). 16. Wie viele Fälle bearbeitet durchschnittlich pro Be- zirk aktuell eine MitarbeiterIn in Vollzeittätigkeit im ASD des jeweiligen Jugendamtes? 17. Wie viel monatliche Arbeitszeit pro Fall steht da- nach jeder MitarbeiterIn in Vollzeittätigkeit im ASD eines Jugendamtes in Berlin durchschnittlich zur Verfügung? 18. Wie weit ist der Stand der Arbeitsgruppe Fach- und Finanzcontrolling „Hilfen zur Erziehung“ Vollzeitäquivalentengröße für die Arbeit im ASD der zustän- digen Senatsverwaltungen wie in der Drucksache 17/13666 vom 07.03.2014 angekündigt vorangeschritten, wann wird der Berliner Öffentlichkeit ein Ergebnis zu- gänglich gemacht? 19. Wie lautet der Arbeitsauftrag dieser Gruppe und wie verbindlich sollen die Arbeitsergebnisse umgesetzt werden? Zu 16. bis 19.:Bezirksbezogene Erfassungen zur Fall- quote im Regionalen Sozialen Dienst (RSD) waren bisher nicht vergleichbar, da ihnen jeweils unterschiedliche Aufgabendefinitionen und Daten zu Grunde lagen. Ferner werden Beratungen und andere fallbezogene Tätigkeiten im Jugendamt, die nicht in eine individuelle Hilfe mün- den, nicht von der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) erfasst. Im Rahmen des Fach- und Finanzcontrollings HzE wurden inzwischen Grundlagen für eine berlinein- heitliche Fallzählung im RSD erarbeitet, die unabhängig von den jeweiligen bezirklichen Organisationsstrukturen eine berlin-einheitliche Aufgabendefinition für die vier originären RSD-Aufgabenfelder abbildet sowie einheitli- che und revisionssichere Daten zugrunde legt. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 083 3 20. Hält der Berliner Senat die Arbeitsbedingungen der MitarbeiterInnen in den Berliner ASD der Jugendäm- ter für angemessen und wird unter der aktuellen Situation der Kinderschutz garantiert, wie es Art. 6 Grundgesetz und die einfachgesetzlichen Regelungen vorschreiben? 21. Wenn sämtliche Akteure in Berlin, die für die Ar- beit im ASD der Jugendämter verantwortlich sind, den Kinderschutz vor einem Kollaps stehend sehen, teilt der Berliner Senat diese Meinung, wenn nein warum nicht? 22. Wenn ja, was wird der Berliner Senat tun, um dem abzuhelfen? 23. Wer trägt nach Meinung des Berliner Senates die Verantwortung für die aktuelle Personalsituation in den ASD der Berliner Jugendämter – bei Beantwortung dieser Frage wird gebeten, insbesondere den Bezug auf die im Rahmen dieser Schriftlichen Anfrage aufgeworfene tat- sächliche haushalterische und rechtliche Situation in Ber- lin im Verhältnis zwischen Bezirken und Land herzustel- len. Zu 20. bis 23.:Der Senat weiß um die hohen Anforde- rungen an die Tätigkeit der bezirklichen Jugendämter. Die Bezirke bewirtschaften im Rahmen der vom Haushaltsge- setzgeber zur Verfügung gestellten Globalsummenzuwei- sung den Umfang der ihnen obliegenden Aufgabenerfül- lung in eigener Entscheidungskompetenz und Verantwor- tung, auch die personelle Ausstattung der Jugendämter betreffend, gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 AG KJHG. Um eine den Anforderungen angemessene Bewertung der Perso- nalsituation vornehmen zu können, hat der Senat mit den Bezirken einen gemeinsamen Arbeitsprozess abgestimmt, der insbesondere die Schaffung einer vergleichbaren und nachvollziehbaren Datengrundlage vorsieht. Berlin, den 11. Juli 2014 In Vertretung Sigrid Klebba Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 16. Juli 2014) SenFin II D 15 04.07.2014 Ist 2011 Ist 2012 Ist 2013 31 Mitte 167.423.692 172.947.252 185.181.681 32 Friedrichshain-Kreuzberg 104.731.080 112.378.929 123.562.786 33 Pankow 128.089.624 141.954.113 147.884.870 34 Charlottenburg-Wilmersdorf 129.955.657 142.422.022 157.549.833 35 Spandau 78.061.172 87.102.618 97.783.708 36 Steglitz-Zehlendorf 73.711.837 81.041.519 88.481.846 37 Tempelhof-Schöneberg 97.757.021 107.607.804 121.589.477 38 Neukölln 116.804.556 128.464.036 143.444.582 39 Treptow-Köpenick 71.477.131 75.523.693 78.999.060 40 Marzahn-Hellersdorf 85.582.289 90.046.901 92.930.372 41 Lichtenbeg 114.367.141 128.192.338 135.002.505 42 Reinickendorf 75.164.823 82.792.562 93.637.219 Summe 1.243.126.023 1.350.473.786 1.466.047.939 Anlage zur schriftlichen Anfrage 17/14083 Bezirkliche Einnahmen des Landes Berlin Bezirke S17-14083 S1714083 Anl