Drucksache 17 / 14 119 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Tom Schreiber (SPD) vom 25. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 02. Juli 2014) und Antwort Islamistische Rückkehrer nach Berlin - Was kann man präventiv tun? Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie gefährlich schätzt der Berliner Senat die is- lamistischen bzw. salafistischen Rückkehrer nach Berlin ein? Wie viele sind es seit dem Jahr 2010? Zu 1.: Salafisten stellen eine besondere Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik dar, wenn sie sich in jihadistischen Kampfgebieten wie z.B. dem afghanisch- pakistanischen Grenzgebiet (Waziristan) oder Syrien aufgehalten haben und davon auszugehen ist, dass sie dort an Kampfhandlungen beteiligt waren. Es besteht die Ge- fahr einer stark fortgeschrittenen und verfestigten Radika- lisierung, einerseits verbunden mit gewaltbezogenen Erfahrungen bis hin zur Teilnahme am bewaffneten Kampf und andererseits auf der Grundlage der erworbe- nen technischen und taktischen Fähigkeiten. Hinzu kommt zum einen die Möglichkeit internationaler Kon- takte zu anderen Jihadisten und Terrororganisationen und zum anderen das nach der Rückkehr deutlich höhere An- sehen eines Jihadisten unter gewaltorientierten Salafisten in Deutschland, was die Gründung jihadistischer Klein- zellen oder Unterstützerkreise wie auch die Rekrutierung neuer Jihadisten begünstigen kann. Die Identifizierung zurückkehrender Jihadisten und deren Beobachtung mit dem Ziel, die Rückkehrmotivation und weitere Pläne aufzuklären, haben daher eine hohe Priorität. Seit dem Jahr 2010 wurden für Berlin ein gutes Dut- zend Personen bekannt, die diesen Kriterien entsprechen. 2. Wie viele Moscheen sind dem Berliner Senat be- kannt, wo augenscheinlich Rekrutierungsversuche statt- finden und konzentriert sich dies innerhalb des Stadtge- bietes? Zu 2.: Die Anzahl der Berliner Moscheen, die als Be- suchs- bzw. Trefforte für politische oder jihadistische Salafisten relevant sind und zu denen dem Berliner Senat bekannt ist, dass Personenzusammenhänge in Rekrutie- rungen, Schleusungen und Betreuungen von ausgereisten Jihadisten involviert sind, liegt im unteren einstelligen Bereich. Die Moscheen liegen in den Bezirken Mitte und Neu- kölln. 3. Finden auch außerhalb von Moscheen in Berlin Rekrutierungsversuche statt und wenn ja, auf welche Weise und mit welchem Erfolg? Zu 3.: Rekrutierung findet einerseits durch Personen- netzwerke in Moscheen oder in deren Umfeld statt, ande- rerseits in abgeschotteten Kleingruppen, die sich im priva- ten Rahmen treffen. Eine besondere Bedeutung für Radi- kalisierung und Rekrutierung kommt auch dem Internet zu. In Foren, Chaträumen und sozialen Netzwerken wird für die Teilnahme am Jihad geworben und dies oft als gottgewollte Erfüllung einer vermeintlichen Pflicht darge- stellt. Deutschsprachige Propagandisten, die sich in jiha- distischen Kampfgebieten aufhalten, werben charisma- tisch für eine Ausreise und die Beteiligung am Kampf, darunter der Berliner Ex-Rapper Denis Cuspert. Die Rekrutierung von Jihadisten und ihre Ausreise in ein Kampfgebiet folgen keinem festen Schema. Entweder kommt der entscheidende Impuls zur Ausreise von einer jihadistischen Führungspersönlichkeit oder ist die Folge der Rezeption jihadistischer Propaganda. In einigen Fäl- len basieren Rekrutierung und Ausreise auch auf dem Zusammenspiel von persönlichen Kontakten und dem Konsum radikalisierender Propaganda. Mit der Ausreise in ein jihadistisches Kampfgebiet ist eine erfolgreiche Rekrutierung abgeschlossen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 119 2 4. Gibt es ein „Präventionskonzept“, mit denen von staatlicher Seite aus darauf hingewirkt wird, dass es nicht zu solchen Radikalisierungs- und Rekrutierungsprozessen kommt? Zu 4.: Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport versteht Extremismusprävention als Teil ihrer Aufgabe, Politik und Gesellschaft über entsprechende Bestrebungen aufzuklären (primäre bzw. universelle Prävention). Die von ihr geleistete Präventionsarbeit zielt v.a. auf die Be- fähigung zur Unterscheidung zwischen islamistischem Extremismus und religiösen Erscheinungsformen des Islam sowie auf die Vermittlung von Anhaltspunkten für das Erkennen individueller Radikalisierungsprozesse. Zu diesem Zweck wurde 2011 das Arbeitsgebiet „Prävention des islamistischen Extremismus“ eingerichtet, das zu den Themen Islamismus, Salafismus und islamistischer Terro- rismus fortbildet. Zielgruppen der Prävention sind Poli- zeibehörden, Justiz, zivilgesellschaftliche Präventionsträ- ger, politische Stiftungen, Universitäten und Wirtschaft. Seit 2011 existiert eine Broschüre zur Deradikalisie- rung, die sich mit Salafismus geistig-politisch auseinan- dersetzt und auch vermeintlich im Islam verankerte Ge- waltrechtfertigungen entkräftet („Zerrbilder von Islam und Demokratie – Argumente gegen extremistische Interpretationen von Islam und Demokratie“). 5. Wie steht der Berliner Senat zu einer Zusammen- arbeit mit Nichtregierungsorganisationen in diesem Zu- sammenhang? Zu 5.: Der Senat begrüßt jede Form der Kooperation, die geeignet ist, dem Entstehen salafistischer und jihadis- tischer Radikalisierungen bereits im Vorfeld zu begegnen. Fachliche Kontakte zwischen der Senatsverwaltung für Inneres und Sport und verschiedenen in der Islamismus- und Salafismusprävention tätigen zivilgesellschaftlichen Akteuren und Vereinen bestehen seit 2011. Entsprechen- de gemeinsame Handlungsfelder betreffen zum einen den Bereich der sekundären Prävention, bei dem es um die Dekonstruktion der Ideologie des Jihadismus geht. Hierzu gehört auch die tertiäre Prävention, d.h. die Aufgabe, Maßnahmen zur Deradikalisierung einschlägiger Perso- nen zu entwickeln und umzusetzen. Berlin, den 11. Juli 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 18. Juli 2014)