Drucksache 17 / 14 132 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joachim Krüger (CDU) vom 03. Juli 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 04. Juli 2014) und Antwort Aggressives Betteln ruft verstärkt Ängste bei älteren Menschen hervor! Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Worin liegt die Abgrenzung zwischen einfachem und aggressivem Betteln in der Öffentlichkeit? Zu 1.: Die Begriffspaare „einfaches Betteln“ und „aggressives Betteln“ sind weder mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit definiert noch voneinander abgegrenzt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg defi- niert das Betteln als eine an einen beliebigen Fremden gerichtete Bitte um Zuwendung eines geldwerten Ge- schenks zur Verminderung einer behaupteten Notlage (VGH BW, 06.07.1998 – 1 S 2630/97, juris Rn. 19). In der fachlichen Auseinandersetzung zu dem Umgang mit Betteln in der Öffentlichkeit wird der Begriff des „stillen Bettelns“ verwendet und dem des „aggressiven Bettelns“ gegenübergestellt. Die stille Form des Bettelns wird als straßenrechtlicher Gemeingebrauch verstanden, der den Gemeingebrauch anderer nicht unzumutbar beeinträchtigt (am angegebenen Ort, Rn. 22). Das „aggressive Betteln“ wird z. B. als eine mit Körperkontakt oder einem Verstel- len des Weges verbundene Vorgehensweise der betteln- den Person beschrieben (am angegebenen Ort, Rn. 26). 2. Ab welcher Intensität ist aggressives Betteln straf- bar? Zu 2.: Durch das Verhalten der bettelnden Person kann in Ausnahmefällen der Tatbestand der Nötigung gem. § 240 Strafgesetzbuch erfüllt sein. Ob die Schwelle zur Strafbarkeit z.B. durch Betteln verbunden mit Kör- perkontakt oder einem Verstellen des Weges überschritten wird, ist in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen. Auch ein Verstoß gegen § 185 Strafgesetzbuch, der für Beleidigungen eine Strafbewehrung vorsieht, kommt bei Beschimpfungen der Passanten im Einzelfall in Be- tracht. Durch das Betteln als solches werden jedoch regelmä- ßig und typischerweise strafrechtliche Vorschriften nicht verletzt. Ein spezieller Straftatbestand im Strafgesetzbuch über die Bettelei wurde 1974 gestrichen. 3. Teilt der Senat die Empfindung vieler älterer Bürge- rinnen und Bürger, dass sich das aggressive Betteln mit Beschimpfungen und Gewaltandrohung, wenn den Wün- schen der Bettelnden nicht nachgekommen wird, in der letzten Zeit deutlich vermehrt habe? 4. Stehen dem Senat diesbezüglich valide Zahlen zur Verfügung? Zu 3. und 4.: Die Polizei Berlin führt monatliche Er- hebungen über Vorfälle des „aggressiven Bettelns“ durch. Dabei werden keine Klassifizierungen, beispielsweise zum Nachteil von älteren Menschen, vorgenommen. Die nachfolgende Tabelle stellt Fallzahlen und Tätig- keiten der Jahre 2012 und 2013 sowie die Vergleichszeit- räume vom 1. Januar (Jan) bis 31. Mai 2012, 2013 und 2014 dar: Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 132 2 Fallzahlen „aggressives Betteln“ Jan-Mai 2012 2012 Jan-Mai 2013 2013 Jan-Mai 2014 Strafanzeigen 1 5 13 33 34 Ordnungswidrigkeiten 0 3 0 1 1 Tätigkeitsberichte 23 80 8 28 25 Identitätsfeststellungen 77 359 62 193 162 Platzverweise 8 175 52 154 143 Die Erhebung weist insbesondere für die Monate Ja- nuar bis Mai 2014 einen Anstieg der im Zusammenhang mit dem „aggressiven Betteln“ erfassten Fallzahlen aus. Ursächlich für dieses Resultat dürften einerseits ein leich- ter Anstieg des Bettelns in sogenannter aggressiver Form und andererseits ein verändertes Anzeigeverhalten inner- halb der Bevölkerung sowie Schwerpunkteinsätze der Polizei Berlin zur Verhinderung dieses Phänomens sein. So ist im laufenden Jahr nach Einschätzung der Polizei eine gegenüber dem Jahr 2012 gesteigerte Sensibilität der Bürgerinnen und Bürger als Hausrechtsinhaberinnen und Hausrechtsinhaber oder auch von Touristinnen und Tou- risten zu beobachten. Es werden insgesamt häufiger und zügiger Bettelei-Vorfälle zur Anzeige gebracht. Dies sowie die vermehrten und gezielten Einsätze der Polizei Berlin zur Verhinderung von „aggressiver Bettelei“ dürften sich im statistischen Ergebnis niederschlagen. 5. Auf welche Weise werden gerade ältere Bürger in unserer Stadt vor aggressivem Betteln geschützt? Zu 5.: Um dem aggressiven Verhalten zu begegnen und im Einzelfall Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung vorzubeugen, haben die einzelnen Direkti- onen der Polizei Berlin konkrete Einsatzhinweise für polizeiliche Maßnahmen im Zusammenhang mit aggres- sivem Betteln entwickelt. Im Rahmen des Täglichen Diensts werden bei Personen, die auf öffentlichem Stra- ßenland bei aggressiven Formen des Bettelns angetroffen werden, gezielt Identitätsfeststellungen durchgeführt und Platzverweisungen ausgesprochen. Die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Seniorensicherheit bei der Zentralstelle für Prävention des Landeskriminalamts Berlin sowie die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Projekt „Polizeisenioren beraten Senioren" führen in unterschiedlichen Einrichtungen Vorträge zur Seniorensicherheit durch. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern werden Tipps und Empfehlungen zum Schutz vor Straftaten gegeben. Dabei werden auch aktuelle Begehungsweisen berück- sichtigt. Im Bedarfsfall werden Handlungsempfehlungen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zentral- stelle für Prävention des Landeskriminalamts Berlin aus- gesprochen. 6. Gibt es hierbei ein gezieltes Zusammenwirken zwi- schen dem Senat und den Bezirken? Zu 6.: Im Rahmen abgestimmter Handlungskonzepte zwischen dem Senat und den Bezirken findet allgemein qualifizierter Schutzbedarf einzelner Bevölkerungsgrup- pen besondere Berücksichtigung. Ein gezieltes Zusam- menwirken zwischen Senat und den Bezirken zum Schutz einzelner Altersgruppen vor „aggressivem Betteln“ erfolgt jedoch nicht. 7. Was wird unternommen, um das Betteln in S- und U-Bahnen einzudämmen? Zu 7.: Auf Grundlage des Hausrechts können in S- Bahnen die S-Bahn Berlin GmbH und in U-Bahnen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) das Betteln unterbin- den. Berlin, den 14. Juli 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Juli 2014)