Drucksache 17 / 14 166 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 26. Juni 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 07. Juli 2014) und Antwort Nachfragen zum Einsatz von „Stillen SMS“ im Land Berlin Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Handelt es sich bei den in der Sitzung des Aus- schusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung am 07.04.2014 durch den Polizeipräsidenten vorgetragenen Beispielen (Mord im Rauschgiftmilieu, Straftaten nach dem BtMG im ÖPNV und gemeinschaftlicher Banden- diebstahl) zum erfolgreichen Einsatz der „Stillen SMS“ um reale Fälle, die sich so tatsächlich im Land Berlin ereignet haben? Zu 1.: Ja. 2. Wie viele Personen welcher Organisationseinheiten waren wie lange damit beschäftigt, die drei unter 1. aufge- führten Beispiele für die Sitzung des Innenausschusses am 07.04.2014 so aufzubereiten, dass diese vom Polizei- präsidenten für einen erfolgreichen Einsatz der „Stillen SMS“ angeführt werden konnten? (Bitte Einzelaufschlüsselung nach Beispiel 1, 2 und 3; sollte eine genaue Zeiter- fassung des Arbeitsaufwands nicht möglich sein, wird eine grobe Schätzung erbeten.) Zu 2.: Die Aufbereitung der benannten Beispiele ha- ben jeweils eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes vorgenommen. Neben der Ermittlungstätigkeit zählt auch die admi- nistrative Bearbeitung, beispielsweise die Beantwortung von Fragen aus dem parlamentarischen Raum, zur Ar- beitszeit und wird nicht gesondert erhoben. Eine seriöse Schätzung des Arbeitsaufwandes ist nicht möglich. 3. Sind durch das Aufbereiten der drei Beispiele in der Form, wie sie vom Polizeipräsidenten in der Sitzung des Innenausschusses am 07.04.2014 vorgetragen wurden, Überstunden angefallen? a) Wenn ja, bei wie vielen Mitarbeiter*innen sind wie viele Überstunden jeweils angefallen? (Bitte eine Einzel- aufschlüsselung nach Beispiel 1–3; falls eine genaue Angabe nicht möglich ist, wird um eine grobe Schätzung gebeten.) b) Wenn ja, durch welche Arbeitsschritte wurden die Überstunden im Einzelnen verursacht? (Bitte eine detail- lierte Angabe.) Zu 3.: Nein. 4. Wie bewertet der Senat das Vortragen der unter 1. genannten Beispiele durch den Polizeipräsidenten in Hin- blick auf die vom Senat in der Drucksache 17/12769 dargelegte Auffassung, dass über die Benennung von wenigen Beispielen hinaus eine differenziertere Betrach- tung im Hinblick auf eine Gesamtbeurteilung nicht mög- lich sei? Zu 4.: Der Polizeipräsident hat in der Sitzung des In- nenausschusses am 7. April 2014 drei Fallbeispiele be- nannt, die exemplarisch verdeutlichen sollten, dass „Stille SMS“ nur bei schweren Straftaten eingesetzt werden. Darüber hinaus galt es, den erfolgreichen Einsatz der „Stillen SMS“ zu belegen und zu veranschaulichen, dass andere Ermittlungsmaßnahmen mit geringerem Eingriffs- charakter nicht allein zur Erreichung des polizeilichen Ziels geeignet waren. Ein Widerspruch zu der dargelegten Auffassung des Senats, dass über die Benennung von wenigen Beispielen eine differenzierte Betrachtung der Verwendungspraxis im Hinblick auf eine Gesamtbeurteilung nicht möglich ist, wird nicht gesehen. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 166 2 5. Ist der Senat der Auffassung, dass es erheblich we- niger Aufwand verursacht, eine Tätigkeit während ihrer Durchführung zu dokumentieren, statt sie aufgrund eines Erkenntnisinteresses von Abgeordneten im Nachhinein dokumentieren zu müssen und wenn ja, was folgt für den Senat hieraus? 6. Wie ist nach Ansicht des Senats eine parlamentari- sche Kontrolle des Einsatzes von „Stillen SMS“ möglich, wenn nach Aussage des Polizeipräsidenten eine ausführli- che Dokumentation des Einsatzes nicht erfolgt, weil der damit verbundene Verwaltungsaufwand in keinem Ver- hältnis zum Erfolg stehe? Zu 5.und 6.: Die Strafverfolgungsbehörden erfassen nicht jede Ermittlungshandlung allein deshalb in einer Datenbank, weil dies möglicherweise aufgrund zukünfti- ger Konstellationen eventuell einmal von Interesse sein könnte. In Zweifel steht dem auch die rechtliche Unzuläs- sigkeit einer derartigen Vorratsdatenspeicherung zu statis- tischen Zwecken entgegen. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen in ihren automatisierten Dateien Daten für Zwecke des Verfahrens (§ 483 Strafprozessordnung - StPO), für Zwecke zukünftiger Verfahren (§ 484 StPO) und für Zwecke der Vorgangsverwaltung (§ 485 StPO) speichern und die dafür erhobenen Daten auch statistisch auswerten. Daten, deren Erfassung in den automatisierten Dateien jedoch für keinen dieser Zwecke benötigt werden, dürfen nur gespeichert werden, soweit ein Bundesgesetz dies erlaubt. Dies ist beispielsweise durch §§ 100b Abs. 5 und 6, 100e Abs. 1 und 2, 100g Abs. 4 StPO geschehen. 7. Was ist nach Ansicht des Senats der Erfolg, der beim Versenden von „Stillen SMS“ eintritt und wie kann dieser festgestellt werden? 8. Wie kann nach Ansicht des Senats bei der Versen- dung von „Stillen SMS“ von einem erfolgreichen Einsatzmittel gesprochen werden, wenn durch fehlende Do- kumentation nicht belegt werden kann, in wie vielen Fäl- len das Versenden von „Stillen SMS“ und die daraus resultierenden Erkenntnisse zumindest mitursächlich für eine Festnahme bzw. Verurteilung waren? 9. Wie kann nach Ansicht des Senats bei der Versen- dung von „Stillen SMS“ von einem erfolgreichen Einsatzmittel gesprochen werden, wenn durch fehlende Do- kumentation nur die Zahl der insgesamt in einem Jahr versandten „Stillen SMS“ genannt werden kann, jedoch keine Angaben dazu gemacht werden können, auf wie viele Beschuldigte, auf welche Kriminalitätsphänomene, auf wie viele Verfahren in welcher Häufigkeit sich die insgesamt versandten SMS verteilen und wie viele der versandten SMS wirklich zur Standortermittlung beige- tragen haben? Zu 7.bis 9.: Die Polizei Berlin nutzt das Instrument der „Stillen SMS“ ausschließlich auf gesetzlicher Grundlage des § 100a StPO. Die „Stille SMS“ ist ein polizeitaktisches Einsatzmittel im Rahmen operativer Einsätze. Die Bewertung im Hinblick auf einen eingetretenen Erfolg wird somit nach taktischen Gesichtspunkten vorgenommen. Die Polizei Berlin setzt die „Stille SMS“ nie allein, sondern stets zusammen mit anderen Ermittlungsmetho- den auf Grundlage entsprechender Eingriffsbefugnisse ein, so dass der polizeiliche Erfolg in der Regel nicht allein auf das Ergebnis einer „Stillen SMS“ zurückzuführen ist. Der taktische Bedarf und Erfolg der „Stillen SMS“ wird anlassbezogen im Rahmen einsatzbegleitender oder einsatzauswertender Berichterstattungen polizeiintern dargestellt, so dass sich hieraus eine aussagekräftige Ge- samteinschätzung zum Einsatzwert der „Stillen SMS“ aus Sicht der Polizei Berlin ableiten lässt. Im Übrigen verweist der Senat auf die Antwort zu Frage 1c) der Kleinen Anfrage Drucksache 17/12769. 10. Welche Arbeitsschritte wären durch wen und in welcher Zeit zu erbringen, um beim Versenden von „Stillen SMS“ zumindest folgende Kriterien/Daten zu erfassen : a) auf wie viele Beschuldigte sich die Gesamtzahl der versandten „Stillen SMS“ in einem Jahr verteilt, b) auf welche Kriminalitätsphänomene sich die Ge- samtzahl der versandten „Stillen SMS“ verteilt, c) auf wie viele Verfahren sich die Gesamtzahl der versandten „Stillen SMS“ verteilt und d) wie viele der insgesamt in einem Jahr versandten „Stillen SMS“ wirklich zu Standortermittlungen beigetragen haben und wie viele ins Leere gingen, weil das Mobiltelefon nicht eingeschaltet war Zu 10.: Grundsätzlich wird die Tatsache der Versen- dung einer „Stillen SMS“ bei den Strafverfolgungsbehörden nicht erfasst, und sie kann auch nicht erfasst werden, da sich dies nicht, allenfalls in Ausnahmefällen, aus dem Ermittlungsvorgang ergibt. Aber selbst wenn die Strafverfolgungsbehörden zu- künftig angehalten werden sollten, derartige Ermittlungs- schritte zu dokumentieren, bestünden die sich aus der Beantwortung von Frage 5 ergebenden rechtlichen Zwei- fel. Überdies wäre für die Beantwortung der Frage zu 10 d) die Erfassung jeder einzelnen „Stillen SMS“ in einer Datenbank Voraussetzung. Um die Fragen a) bis c) be- antworten zu können, müsste dabei jede der so erfassten SMS mit einem Verfahren, einer bzw. einem Beschuldig- ten und einem Tatvorwurf verknüpft werden. Die von den Strafverfolgungsbehörden in Berlin eingesetzte Software Mehrländer-Staatsanwaltschafts-Automation (MESTA) lässt die Einzelerfassung von stillen SMS nicht zu. Eine hierzu erforderliche Programmänderung setzt jedoch ein Einvernehmen aller MESTA-Verbundländer voraus. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 166 3 Die Fragen b) und c) ließen sich auch ohne Program- mänderung teilweise beantworten. Hierfür müsste man Verfahren, in denen eine „Stille SMS“ versendet wurde, mit einer eigenen Nebenverfahrensklasse versehen. Die Verfahren und die in ihnen erhobenen Tatvorwürfe könn- ten dann gezählt werden. Allerdings lässt die Kennzeich- nung mit einer Nebenverfahrensklasse nur erkennen, dass eine derartige Maßnahme erfolgt ist, nicht aber, wann dies geschehen ist und mit welchem Erfolg. Zudem geben die in MESTA erfassten Delikte den Stand bei der Eintragung des Verfahrens wieder und nicht den bei der späteren Durchführung strafprozessualer Maßnahmen. Insofern wäre nicht mit einem präzisen Ergebnis zu rechnen. Berlin, den 17. Juli 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 28. Juli 2014)