Drucksache 17 / 14 170 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Stefan Evers (CDU) vom 07. Juli 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 08. Juli 2014) und Antwort Qualitätssicherung für Kunst am Bau und Kunstwerke im Öffentlichen Raum Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie wird aus Sicht des Senats derzeit die künstleri- sche Qualität von Wettbewerbsergebnissen zur Gestaltung von Kunst am Bau und Kunstwerke im Öffentlichen Raum gesichert? Zu 1.: Kunst am Bau und Kunst im Stadtraum wird im Land Berlin durch die Allgemeine Anweisung für die Vorbereitung und Durchführung von Bauaufgaben Ber- lins (Anweisung Bau – ABau) unter II 130 geregelt. Seit den 1970er Jahren wird darin die fachliche Kompetenz bei den für die Kultur und das Bauen zuständigen Senats- verwaltungen geregelt. In der aktualisierten Fassung von Juli 2013 wird darin ausgeführt, dass die für Kultur zu- ständige Senatsverwaltung fachlich zuständig ist für die Durchführung von Wettbewerben und anderen Auswahl- verfahren. Diese Wettbewerbsergebnisse werden, in den über- wiegenden Fällen, von der für das Bauen zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStadtUm) als Bauherrenvertreter zusammen mit den Architektinnen bzw. Architekten des Bauvorhabens reali- siert. Die Wettbewerbe werden gemäß den Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW 2013) ausgelobt, soweit diese nicht nur für Architektur-, sondern auch für Kunst- und Gestaltungswettbewerbe anwendbar sind. In der RPW 2013 ist eine fach- und sachgerechte Zusammenset- zung der Preisgerichte vorgesehen; in der Mehrzahl be- stehen diese aus Fachpreisrichterinnen und Fachpreisrich- tern, d.h. in Kunstwettbewerben aus Künstlerinnen und Künstlern, Kuratorinnen und Kuratoren, Professorinnen und Professoren von Kunsthochschulen, Kunstwissen- schaftlerinnen und Kunstwissenschaftlern u. ä. Professio- nen. SenStadtUm und die jeweilige Architektin bzw. der jeweilige Architekt des Bauvorhabens sind als stimmbe- rechtigte Sachpreisrichterinnen und Sachpreisrichter be- teiligt. Bereits an der Vorbereitung der Auslobung eines Kunstwettbewerbs wirken entsprechende Sachverständige mit. Damit ist gewährleistet, dass die Wettbewerbsergeb- nisse während der Preisgerichtssitzung in ihrer künstleri- schen Qualität angemessen fachlich diskutiert und die Realisierungsempfehlung des Preisgerichts im Konsens mitgetragen werden. Die Realisierungsempfehlungen aus Wettbewerben für Kunst am Bau und Kunst im Stadtraum des Landes Berlin sind in den letzten fünf Jahren in den überwiegenden Fällen einstimmig, in wenigen Fällen mit einer Gegen- stimme vom Preisgericht ausgesprochen worden. Den Empfehlungen des Preisgerichts wurde, auch soweit es Details der Überarbeitung in der Realisierung betraf, stets gefolgt. Während der Realisierungsphase dieser Wettbewerbs- ergebnisse bleibt der Fachbereich der Senatskanzlei- Kulturelle Angelegenheiten (Skzl-Kult) weiterhin inhalt- lich eingebunden und nimmt an Planungs- und Baube- sprechungen sowie an der baulichen Abnahme des Kunstwerks teil. Damit bleibt die künstlerische Qualität während der Realisierung von Wettbewerbsergebnissen auf der Grundlage der Empfehlung des Preisgerichts gesi- chert. Die Entscheidungen des Preisgerichts werden über die öffentliche Ausstellung sämtlicher Wettbewerbsarbeiten zusammen mit der Auslage von Ergebnisprotokollen und des Vorprüfberichts transparent und nachvollziehbar. Bereits vor der Auslobung eines Wettbewerbs wird die Verantwortung für die spätere Bauliche Unterhaltung des zur Realisierung empfohlenen Kunstwerks festgelegt. In der Auslobung ist u.a. die Nachhaltigkeit eines Ent- wurfs Beurteilungskriterium, und in der Kostenzusam- menstellung der Entwurfsverfasserinnen und -verfasser werden die dafür erforderlichen Aufwendungen erfasst und vom Kostensachverständigen im Rahmen der Vorprü- fung des Wettbewerbs auf Plausibilität geprüft. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 170 2 Hintergrund ist die Sicherung und damit der Erhalt der künstlerischen Qualität des Wettbewerbsergebnisses über einen Zeitraum von mindestens 10 Jahren nach der Reali- sierung des Kunstwerks. 2. Wie bewertet der Senat die Aussage von bbk berlin e.V., Deutschem Künstlerbund e.V. und Architekten- kammer Berlin, die Qualität von Kunst am Bau und Kunstwerken im Öffentlichen Raum sowie die Qualität seiner Bau- und Wettbewerbskultur seien in Gefahr? Zu 2.: Der Senat teilt die Auffassung der o.g. Künst- lerverbände und der Architektenkammer nicht. Im Bera- tungsausschuss Kunst (BAK), der gemäß Anweisung Bau – ABau zur Beratung der Skzl-Kult benannt ist, und deren Mitglieder u.a. diesen Künstlerverbänden und der Archi- tektenkammer Berlin angehören, ist diese Thematik in den letzten beiden Jahren grundsätzlich problematisiert und im Einzelfall eingehend beraten worden. Ein wichti- ger Faktor für die Qualität der Wettbewerbe und damit das hohe Niveau der Wettbewerbskultur im Land Berlin ist der eingehende, projektbezogene Austausch der Fach- leute im BAK, dessen Ergebnis sich in meist einstimmi- gen Empfehlungen niederschlägt. Die durchweg fachlich fundierten Empfehlungen des BAK werden von der Skzl- Kult umgesetzt, indem sie diese sowohl in die Auslobun- gen von Kunst- und Gestaltungswettbewerben gemäß RPW 2013 als auch anderer Auswahl-/Angebotsverfahren aufnimmt. Der Kritik fehlender Transparenz des erforderlichen finanziellen Aufwands für die Richtlinien konforme Durchführung von Wettbewerbsverfahren ist die Skzl- Kult mit einem Vortrag im BAK begegnet, der die Ein- stellung von Verfahrenskosten in der Bauplanungsunter- lage jeder Baumaßnahme und deren Verausgabung grund- sätzlich und anhand eines konkreten Beispiels erläutert, dabei insbesondere die folgenden Rahmenbedingungen: Gemäß der Vorgaben der Anweisung Bau - ABau (II 130 Passus 2.4) erfolgt die Finanzierung von Verfahrens- kosten für Kunst am Bau aus derselben Kostengruppe (Kgr.750), aus der auch sämtliche Planungshonorare, einschließlich der Künstlerhonorare für die Realisierung des Kunstwerks, finanziert werden müssen. In der Konse- quenz können die Wettbewerbskosten nur bis zu einem Drittel dieses Ansatzes in der o.g. Kostengruppe betragen, damit für die anschließende Realisierung des Wettbe- werbsergebnisses noch auskömmliche Mittel zur Verfü- gung stehen. Bei Wettbewerben für künstlerische Gestaltungen im Stadtraum (Einzelplan 03, Kapitel 0310, Titel 81278) besteht ein größerer Gestaltungsspielraum, da hier eine Aufteilung in Kostengruppen entfällt. Als unverhältnis- mäßig sieht der Senat jedoch Verfahrenskosten an, die die Höhe der Realisierungssumme für das Wettbewerbser- gebnis übersteigen würden. Auch bei der Kunst im Stadt- raum erfolgt die Wahl der angemessenen Wettbewerbsart und der sich daraus ergebenden Höhe der Wettbewerbs- kosten im direkten Verhältnis zur Realisierungssumme. Der Beratungsausschuss Kunst ist in die Auswahl der Verfahrensart eingebunden. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Zusam- mensetzung von Auswahlgremien in offenen Bewer- bungsverfahren, die Nichtoffenen Kunst- und Gestal- tungswettbewerben zur Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer vorgeschaltet werden können. Die Künst- lerverbände stellen die fachliche Kompetenz des Aus- lobers hierzu in Frage. In der RPW 2013 ist festgelegt, dass der Auslober die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anhand eindeutiger, nicht diskriminierender, angemesse- ner und qualitativer Kriterien aus dem Kreis der Bewer- bungen auswählt. Diese Bestimmung ist von der Verga- bekammer ausdrücklich bestätigt worden. Ungeachtet der Frage, ob die Kritik der Künstlerver- bände objektiv zutrifft, zieht die Skzl-Kult als Auslober offener Bewerbungsverfahren grundsätzlich Sachverstän- dige als anerkannte Fachleute ihres Fachgebiets hinzu. Dies erfolgt auch auf Grundlage einer Empfehlung des BAK, wonach zur Beratung zusätzlich eine Künstlerin oder ein Künstler an der Auswahlsitzung im Bewer- bungsverfahren teilnehmen soll. Sämtliche Einwendungen der Künstlerverbände zu Kunst- und Gestaltungswettbewerben der vergangenen Jahre sind im Detail vom Büro für Kunst im öffentlichen Raum der Kulturwerk GmbH des BBK Berlin (BfKiöR) aufgelistet, vom Fachbereich der Skzl-Kult kommentiert und abschließend im BAK beraten worden. 3. Was besagt die Anweisung Bau im Unterschied zu den Richtlinien für Planungswettbewerben über die Quali- tätssicherung bei öffentlichen Aufträgen aus und wie bewertet der Senat den Vorschlag, diese Richtlinien zur verbindlichen Grundlage der zur Durchführung von Kunstwettbewerben und der Arbeitsweise des Beratungs- ausschusses Kunst zu machen? Zu 3.: Die Anweisung Bau – ABau regelt im Land Berlin die Vorbereitung und Durchführung von Bauauf- gaben Berlins; im Passus II 130 sind die entsprechenden rechtlichen Grundlagen für Bauvorhaben der Kunst im Stadtraum und am Bau aufgeführt. Dazu gehört auch die verbindliche Regelung der Aufgabenfelder, der Zusam- mensetzung und des Berufungsverfahrens für den BAK. Die RPW 2013 regeln im Land Berlin die Durchfüh- rung von Wettbewerben vornehmlich in den Bereichen Architektur, Städtebau und Landschaftsplanung, können aber auch für Wettbewerbe im Bereich Kunst und Design Anwendung finden. Ebenso wie die Anweisung Bau - ABau findet auch die RPW 2013 im Land Berlin selbstverständlich Anwen- dung, sowohl hinsichtlich der Regelungen zum BAK als auch entsprechend bei der Auslobung und Durchführung von Kunstwettbewerben, soweit diese im Bereich Kunst anwendbar sind. 4. Auf welcher Grundlage, mit welcher Ausstattung und in welcher wie begründeten Besetzung arbeitet der Beratungsausschuss Kunst? Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 170 3 Zu 4.: Grundlage für die Aufgaben, die Zusammenset- zung und die Berufung des BAK ist die Anweisung Bau - ABau des Landes Berlin (s. auch Antwort zu Frage 3.) Seit den 1970er Jahren ist der BAK zur Beratung der zuständigen Senatsverwaltung in Angelegenheiten der Kunst im Stadtraum und am Bau eingerichtet; das Gremi- um spricht Empfehlungen aus für diejenigen Projekte, die aufgrund ihrer Bedeutung Kunst am Bau rechtfertigen. Kernaufgabe des BAK ist es, projektbezogene Empfeh- lungen zur künstlerischen Aufgabenstellung und zu ge- eigneten Auswahlverfahren auszusprechen. Als fachliches Beratungsgremium ist der BAK mit seiner Expertise vor allem der künstlerischen Qualität und der Akzeptanz der Projektergebnisse der Kunst im Stadt- raum und am Bau verpflichtet. Diese setzen einen Aus- handlungsprozess verschiedener Interessenvertreterinnen und -vertreter voraus. Mitgliederstruktur und gegenwärti- ge personelle Zusammensetzung begründen sich aus die- sem grundsätzlichen Auftrag des BAK. In der Anweisung Bau - ABau ist unter II 130 1. All- gemeines 1.6. dezidiert die Zusammensetzung aus zehn stimmberechtigten Mitgliedern der Bereiche Architektur und Städtebau, der Fachöffentlichkeit, der Künstlerver- bände, der Akademie der Künste, der Kunstämter der Bezirke und der beiden für Kultur und Bauen zuständigen Senatsverwaltungen aufgeführt. Die Berufung der Mitglieder durch die Skzl-Kult er- folgt auf Vorschlag der beteiligten Institutionen und Se- natsverwaltungen, der Künstlerverbände, der Architek- tenkammer Berlin sowie dem Rat der Bürgermeister. Die Geschäftsführung des BAK wird von der für Kul- tur zuständigen Senatsverwaltung wahrgenommen, in deren Verantwortung die Geschäftsstelle liegt. Dafür stehen im Haushaltstitel 81278 jährlich bis zu 7.000,00 € für die organisatorische und inhaltliche Vorbereitung und Durchführung der BAK-Sitzungen zur Verfügung. 5. In wie vielen Fällen künstlerischer Wettbewerbsver- fahren wurden die Richtlinien für Planungswettbewerbe in den vergangenen fünf Jahren angewandt und in wie vielen Fällen aus welchen Gründen nicht? Zu 5.: Sämtliche Kunst- und Gestaltungswettbewerbe der vergangenen fünf Jahre sind von der Skzl-Kult auf Grundlage der entsprechenden Richtlinien für Planungs- wettbewerbe (RPW 2008 bzw. RPW 2013), soweit an- wendbar, ausgelobt worden. Besondere Berücksichtigung fanden dazu ergänzende Empfehlungen des BAK. 6. Nach welchen, die Einbeziehung ausreichenden künstlerischen Sachverstandes verbindlich sichernden Regeln finden künstlerische Wettbewerbe bis zu einer Grenze von 50.000 Euro statt, wenn nicht nach den Richt- linien für Planungswettbewerbe? Zu 6.: Gemäß Anweisung Bau – ABau ist es zulässig, neben Kunstwettbewerben gemäß der RPW 2013 auch andere Auswahlverfahren außerhalb dieser Richtlinien durch- zuführen. Dabei handelt es sich um Angebotsver- fahren für Kunst am Bau, die bei SenStadtUm auch im Bereich Architektur Anwendung finden. Angebotsverfahren für Kunst am Bau werden in den Fällen durchgeführt, in denen der Kunst am Bau-Ansatz insgesamt weniger als 50.000,00 € beträgt, und mit der Durchführung eines aufwendigen und kostenintensiven Kunstwettbewerbs gemäß RPW 2013 zu wenig Mittel für die Realisierung der Kunst und die Honorierung der Leis- tung der Künstlerinnen und Künstler übrig bleiben wür- den. Vor Auslobung eines Angebotsverfahrens wird im BAK der jeweilige Einzelfall beraten und Empfehlungen dazu ausgesprochen. In den Unterlagen der angebotsein- holenden Stelle werden diese entsprechend berücksichtigt. Zusätzlich spricht in diesen Fällen der BAK Empfeh- lungen für die Auswahl von bis zu drei Künstlerinnen und Künstlern aus, die zur Angebotsabgabe aufgefordert wer- den sollen. Als Aufwandsentschädigung erhalten die eingeladenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer jeweils zwischen mindestens 500,00 € bis zu maximal 1000,00 € als Aufwandsentschädigung für die Beteiligung am An- gebotsverfahren. Die Auswahlentscheidung wird von einem Vergabe- gremium, dem insgesamt vier bis fünf stimmberechtigte Sachverständige angehören, im Konsens getroffen. Ein- bezogen sind ein bis zwei Künstlerinnen und Künstler oder Kunstsachverständige, die Architektin bzw. der Architekt, eine Vertreterin oder ein Vertreter des Nutzers und die beteiligten Verwaltungen. In den letzten fünf Jahren sind für Kunst am Bau zwei Auswahlverfahren als Angebotsverfahren durchgeführt worden. Mit der Empfehlung für diese Verfahrensart hat der BAK gegen eine – nach Anweisung Bau - ABau ebenso zulässige – Direktbeauftragung von Künstlerinnen und Künstlern votiert, um damit auch unter eingeschränk- ten finanziellen Rahmenbedingungen eine konkurrierende Auswahl zu ermöglichen. Berlin, den 23. Juli 2014 Der Regierende Bürgermeister In Vertretung Björn Böhning Chef der Senatskanzlei (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Juli 2014)