Drucksache 17 / 14 190 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katrin Möller (LINKE) vom 09. Juli 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 10. Juli 2014) und Antwort Einzelunterricht für schwierige Schüler/innen Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele schulpflichtige Berliner Schüler/innen wurden im Schuljahr 2013/14 außerhalb von regulären Schulstandorten einzeln unterrichtet? 2. Kann der Senat bestätigen, dass die Zahl der Schü- ler/innen, die aus Verhaltensgründen einzeln unterrichtet wird, in Berlin zunimmt? Wie ist der Trend und wie er- klärt der Senat diese Entwicklung? 3. Wie hoch war die Zahl der verhaltensbedingten Einzelbeschulungen in den Bezirken im Schuljahr 2013/14? (bitte jeweils auf den einzelnen Bezirk bezogen gegenüberstellen: Zahl der gestellten Anträge auf Einzel- unterricht, Zahl der Bewilligungen und jeweilige Dauer des Einzelunterrichts) 10. Wie viele Lehrer/innen wurden 2013/14 im Land Berlin insgesamt für die Beschulung einzelner Schü- ler/innen eingesetzt? 11. Wie lange dauert im Durchschnitt die Einzel- Beschulung außerhalb des regulären Schulbetriebs? Zu 1. bis 3., 10 und 11.: Hierzu werden keine Daten erhoben. 4. Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgte die Beschulung außerhalb des regulären Schulbetriebs im Einzelunterricht? 5. Welche Gründe werden für eine Beschulung au- ßerhalb des regulären Schulbetriebs geltend gemacht und wer ist im Regelfall Antragsteller? 6. Wer entscheidet über die Erteilung von Einzelun- terricht für Schüler/innen, die als schwierig gelten? Wel- che Kriterien müssen erfüllt sein? Zu 4. bis 6.: In § 15 der Verordnung über die sonder- pädagogische Förderung (Sonderpädagogikverordnung – SoPäd VO) vom 19. Januar 2005 in der Fassung vom 4. April 2012, ist geregelt, dass spezieller Unterricht für kranke Schülerinnen und Schüler in Form von Kranken- hausunterricht oder von Hausunterricht erteilt werden kann. Krankenhausunterricht wird in Einzel- oder Grup- penunterricht in der Schule für Kranke oder in besonderen Lerngruppen erteilt. Hausunterricht erhalten auch Schüle- rinnen und Schüler, die wegen ihrer Behinderung nicht in der Lage sind, am Unterricht einer Schule teilzunehmen. In sehr seltenen Einzelfällen kann dies auch temporär eine Schülerin oder ein Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich „Emotionale und soziale Entwicklung “ sein. Dann erfolgt der Einzelunterricht auf Grund einer schweren Beeinträchtigung der Verhaltens- steuerung, durch die eine Teilnahme am Unterricht einer Klasse oder Lerngruppe ein hohes Maß an Belastung für die Schülerin oder den Schüler bedeuten würde. Antrag- steller sind in der Regel die Eltern. Die Entscheidung darüber trifft die Schulaufsicht auf Grundlage von Stel- lungnahmen der Schule, des Kinder- und Jugendgesund- heitsdienstes, gegebenenfalls des Kinder- und Jugendpsy- chiatrischen Dienstes, der Beratungsstelle für Behinderte, der Krankenhausärzte oder des Jugendamtes. 7. Wie viele der Schüler/innen, die aus Gründen ihres Verhaltens im Schuljahr 2013/14 Einzelunterricht erhiel- ten, erhielten diesen bei sich zu Hause? 8. Wie viele der verhaltensbedingt aus dem Normal- betrieb der Schulen ausgeschlossenen Schüler/innen wur- den 2013/14 in Einrichtungen der Jugendhilfe einzeln oder in kleinen Gruppen unterrichtet? Zu 7. und 8.: Hierzu werden keine Daten erhoben. Die Gewährung von Hilfe zur Erziehung geschieht un- ter der Voraussetzung, dass die Entwicklung eines Kindes bzw. Jugendlichen beeinträchtigt ist und die in Erzie- hungsverantwortung stehenden Erwachsenen nicht Wil- lens oder in der Lage sind, die beeinträchtigenden Ent- Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 190 2 wicklungsbedingungen ohne Hilfe zu verbessern (vgl. Nr. 1.2 Abs. 2 Ausführungsvorschriften für Planung und Durchführung von Hilfe zur Erziehung und Eingliede- rungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche sowie Hilfe für junge Volljährige - AV-Hilfeplanung). Der Bedarf nach Hilfen zur Erziehung wird vom zustän- digen Jugendamt im Rahmen des Hilfeplanverfahrens gemäß § 36 Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) und der AV-Hilfeplanung ermittelt. Werden junge Menschen in stationären und teilstationären Angeboten der Jugendhilfe unterrichtet (Schule am anderen Ort), basiert dies auf Grund komplexer Hilfebedarfe der jungen Menschen. Unterricht am anderen Ort setzt immer auch einen son- derpädagogischen Förderbedarf der Schülerin oder des Schülers voraus. 9. Wer führt den Einzelunterricht durch und wie und durch wen wird es finanziert? Wie wird die Jugendhilfe zu den Kosten herangezogen? Zu 9.: Einzelunterricht, wie in den Antworten zu den Fragen 4. bis 6. beschrieben, wird durch Lehrkräfte der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft durchgeführt, welche an allgemeinen Schulen unterrich- ten. Erhalten Kinder oder Jugendliche Unterricht an ei- nem anderen Ort in stationären oder teilstationären Ange- boten der Jugendhilfe, wird die Sicherstellung des Unter- richts auf der Grundlage einer gemeinsamen Kooperati- onsvereinbarung zwischen dem örtlich zuständigen Schulamt, dem Träger der freien Jugendhilfe und dem Jugendamt geregelt. Der Unterricht wird in der Regel von Lehrkräften der Kooperationsschule gewährleistet. Die Jugendhilfe wird nicht zu den Kosten herangezogen. 12. Welche Zielstellung wird mit dem Einzelunterricht verfolgt und wer kontrolliert und bewertet jeweils, ob das Ziel erreicht ist? Zu 12.: Einzelunterricht soll den individuellen Bil- dungserfolg in einer Zeit absichern, in welcher ein Besuch einer Schule nicht möglich ist (vgl. Antwort zu 4. bis 6.). Auch im Einzelunterricht können alle Formen der Leis- tungsbewertung, wie z.B. Tests, Arbeiten und Prüfungen erfolgen und damit eine Rückmeldung über das Erreichen individueller Bildungsziele ermöglichen. 13. Hält der Senat Einzelunterricht für Schüler/innen mit Verhaltensauffälligkeiten auch angesichts des An- spruchs der Inklusion für gerechtfertigt? Zu 13.: Temporärer Einzelunterricht kann Inklusion fördern, indem er Bildungserfolge in Phasen, in denen eine Beschulung in einer Lerngruppe oder Klasse nicht möglich ist, sichert und damit Anschlussfähigkeiten er- hält. Dies ist unabhängig von den Gründen, die einen temporären Einzelunterricht erforderlich machen. Eine Verhaltensauffälligkeit allein rechtfertigt keinen Einzel- unterricht und ist auch keine gängige Praxis. 14. Wie bewertet der Senat den Stellenwert von Schulsozialarbeit und Schulpsychologie an Berliner Schu- len, um allen Schüler/innen gerecht zu werden und was wird er tun, um die Schulen mit entsprechendem Fachper- sonal bedarfsgerecht auszustatten? Zu 14.: Der Schulpsychologische Dienst wird mit sei- ner Expertise einbezogen, erstens um bei Bedarf den Einzelunterricht fachpsychologisch zu begründen und zweitens die Reintegration der Schülerinnen und Schüler in den Regelunterricht beratend zu begleiten. Diese Tätig- keiten gehören zu den Regelaufgaben und benötigen kei- ne zusätzliche Ressource. Die Schulsozialarbeit hat an den Berliner Schulen ei- nen hohen Stellenwert. Sie ist ein wirksames Instrument zur gezielten Förderung und Integration von sozial be- nachteiligten Schülerinnen und Schülern. Das zentral gesteuerte Landesprogramm „Jugendsozialarbeit an Berliner Schulen“ leistet hier einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Erziehungsverantwortung der Eltern, zur Verringerung von Schuldistanz, zur Vermeidung von Schulabbrüchen, zur Stärkung sozialer Kompetenzen, zur Gewaltprävention, zur beruflichen Orientierung und zu gelingenden Übergängen von Schule in Ausbildung und Beruf. Derzeit werden insgesamt 248 Schulen bedarfsgerecht über das Berliner Landesprogramm mit sozialpädagogi- schen Fachkräften ausgestattet. Ziel ist es, die Jugendso- zialarbeit an den Berliner Schulen zu verstetigen. 15. Welchen Handlungsbedarf sieht der Senat darüber hinaus und was wird er tun, um alle Schüler/innen in den regulären Schulbetrieb zu integrieren? Zu 15.: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft hat eine eigene Projektgruppe „Inklusion“ gegründet, die zurzeit umfassende Konzepte zur Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit verschiedenen Behin- derungen und Beeinträchtigungen entwickelt. Bis zum Vorliegen tragfähiger Arbeitsergebnisse werden bewährte Konzepte der Integration beibehalten. Einzelunterricht wird weiterhin eine individuell sorgfältig fachlich be- gründete, seltene und zeitlich begrenzte Ausnahme blei- ben. Berlin, den 21. Juli 2014 In Vertretung Dr. Knut Nevermann Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 23. Juli 2014)