Drucksache 17 / 14 196 Schriftliche Anfrage 17. Wahlperiode Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 10. Juli 2014 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 11. Juli 2014) und Antwort „Schocktechniken“ bei der Berliner Polizei Die Drucksachen des Abgeordnetenhauses sind bei der Kulturbuch-Verlag GmbH zu beziehen. Hausanschrift: Sprosserweg 3, 12351 Berlin-Buckow · Postanschrift: Postfach 47 04 49, 12313 Berlin, Telefon: 6 61 84 84; Telefax: 6 61 78 28. Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Was ist unter der Ausführung einer „Schocktechnik “ durch die Berliner Polizei zu verstehen? 3. Welches Ziel hat die Ausführung einer „Schocktechnik “ jeweils? Zu 1. und 3.: Auftakttechniken (sogenannte Schock- techniken) sollen den oder die von einer polizeilichen Maßnahme Betroffenen bzw. Betroffene von einer bevor- stehenden Technik ablenken („Erzeugen einer Schrecksekunde “) und seinen oder ihren Krafteinsatz/Widerstand lösen bzw. brechen, um dadurch eine Folgetechnik (z.B. Fesselung, Hebel- bzw. Transporttechnik) anwenden zu können. Die Schocktechnik als Auftakt kann in alle Rich- tungen gegen sich bietende Vitalpunkte des Angreifers ausgeführt werden. 2. Welche Arten der Anwendung des unmittelbaren Zwangs sind bei der Ausführung von „Schocktechniken“ zulässig und aufgrund welcher Rechtsgrundlage jeweils? Zu 2.: Auf Grundlage einer bestehenden Eingriffser- mächtigung und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit kann eine Schocktechnik immer dann geboten sein, wenn ohne sie die Durchsetzung einer für sich rechtmäßigen polizeilichen Maßnahme unmög- lich gemacht bzw. nur mit noch härteren Mitteln durchge- setzt werden könnte. Sie ist Teil der eigentlichen Zwangsmittelanwendung. Weiterhin kann sie im Rahmen der Abwehr körperlicher Angriffe Anwendung finden. Folgende Auftakttechniken kommen vorrangig in Be- tracht:  Tritt gegen das Schienbein  Druck gegen empfindliche Körperstellen/-teile  Fauststöße/-schläge gegen empfindliche Körperstellen /-teile  Tritt auf den Fuß von oben  Handballen- Handkantenstöße/-schläge gegen empfindliche Körperstellen/-teile  Anschreien Gezielte Techniken gegen den Kopf- oder Halsbereich als Schocktechnik sind grundsätzlich nur im Rahmen der Notwehr-/Nothilfe vertretbar, z.B. bei massiven tätlichen Angriffen oder dann, wenn wegen der deutlichen physi- schen Überlegenheit der angreifenden Person, die an sich mögliche polizeiliche Maßnahme nur unter erheblicher Eigengefährdung durchgeführt werden könnte. 4. Wie wird die Ausführung von „Schocktechniken“ bei der Polizei trainiert? Zu 4.: Schock-/Auftakttechniken sind normaler Be- standteil der Selbstverteidigung (SV)/Einsatzbezogenen Selbstverteidigung (ESV) und werden als Teil einer Viel- zahl von SV-Techniken vermittelt. Ihrem Wesen nach wird durch eine Schock-/Auftakttechnik eine eigentliche Maßnahme (Technik) erst ermöglicht, die andernfalls gar nicht, mit einem hohen Kraftaufwand oder mit unkalku- lierbaren Folgen für die Polizeibediensteten oder die an- deren Beteiligten durchgeführt werden könnte. Abgeordnetenhaus Berlin – 17. Wahlperiode Drucksache 17 / 14 196 2 Im Training wird der Grundsatz der Verhältnismäßig- keit verdeutlicht und auf ein abgestuftes Vorgehen hin- gewiesen. Im Einzelfall kann der Einsatz des Reiz- stoffsprühgerätes (RSG) gegenüber Techniken gegen den Kopf oder Hals geeigneter und hinsichtlich möglicher Folgen auch verhältnismäßiger sein. Techniken gegen den Kopf- oder Halsbereich sind im Rahmen der Anwendung körperlicher Gewalt immer als Ultima Ratio zu betrach- ten. Das Trainieren und Vermitteln derartiger Techniken im Rahmen der Einsatzbezogenen Selbstverteidigung be- schränkt sich ausschließlich auf die Abwehr von massiven Angriffen. Dieser Umstand wird bei jedem Training durch die Einsatztrainerinnen und Einsatztrainer bzw. Sportleh- rerinnen und Sportlehrer verdeutlicht. 5. In welche Körperregionen dürfen die „Schocktechniken “ durch die Berliner Polizei angewandt werden? Zu 5.: Siehe hierzu die Beantwortung der Fragen 1, 2 und 4. 6. Wie häufig wurden „Schocktechniken“ durch die Berliner Polizei seit 2010 angewandt? (Bitte nach Jahr aufschlüsseln.) 7. Wie viele verletzte Personen (leicht/schwer) gab es seit 2010 durch die Anwendung von „Schocktechniken? (Bitte nach Jahr, Anzahl der Personen und jeweiligem Verletzungsgrad aufschlüsseln.) Zu 6. und 7.: Hierzu wird durch die Polizei Berlin kei- ne gesonderte Statistik geführt. 8. Ist es nach Ansicht des Senats zulässig und verhält- nismäßig, dass eine - von drei Polizisten – mit dem Kopf auf der Bordsteinkante - fixierte Person mit zielgerichte- ten Schlägen in den Nierenbereich traktiert wird? Zu 8.: Die Auswahl der Zwangsmittel und die Intensi- tät der Zwangsmittelausübung richten sich neben den rechtlichen Voraussetzungen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch nach der Intensität des zu bre- chenden bzw. geleisteten Widerstandes. Eine genaue Bewertung eines solchen Sachverhalts kann nur unter Betrachtung des Einzelfalles erfolgen, gegebenenfalls nach Abschluss der straf- oder disziplinar- rechtlichen Ermittlungen. Berlin, den 22. Juli 2014 In Vertretung Bernd Krömer Senatsverwaltung für Inneres und Sport (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 29. Juli 2014)